Entscheidungsstichwort (Thema)

Entfernungspauschale, tatsächliche Kosten

 

Leitsatz (redaktionell)

Fahrtkosten einer selbstständigen Musikpädagogin zu verschiedenen Schulen und Kindergärten, die nicht als Betriebsstätten anzusehen sind, sind nach der geänderten Rechtsprechung des BFH zu § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG in voller Höhe und nicht nur in Höhe der Entfernungspauschale als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.10.2014; Aktenzeichen III R 19/13)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Betriebsausgabenabzugs für Fahrtkosten.

Die Klägerin war im Streitjahr 2008 hauptberuflich als angestellte Krankenschwester tätig. Daneben führte sie im Auftrag der Musikschule der Stadt A als Musikpädagogin in diversen Schulen und Kindergärten Kurse zur musikalischen Früherziehung, Musik-AGs sowie Kurse im Rahmen des Projekts „Jedem Kind ein Instrument” (JeKi) durch und erzielte hieraus Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Die Kurse hielt sie in den Klassenbzw. Gruppenräumen der jeweiligen Einrichtung ab. Dieser Tätigkeit liegt eine Honorarvereinbarung mit der Stadt A vom 24.9.2007 zugrunde, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bilanzakte des Beklagten, Bl. 1-2). Im Regelfall suchte die Klägerin jede Einrichtung, in der sie Kurse gab, außerhalb der Schulferien einmal wöchentlich auf und benutzte hierfür ihr privates Kraftfahrzeug.

In der gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten angemieteten Wohnung unterhielt die Klägerin ein Arbeitszimmer, in dem sie die Kurse vorbereitete, Büroarbeiten erledigte und Musikinstrumente lagerte.

Im Streitjahr 2008 erklärte die Klägerin einen Gewinn, den sie nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt hatte, in Höhe von 4.132,03 EUR. Als Betriebsausgaben machte sie u.a. Fahrtkosten in Höhe von 1.137,– EUR geltend. Dabei setzte sie für jeden der 3.790 gefahrenen Kilometer pauschal 0,30 EUR an. Aus der beigefügten Aufstellung ergeben sich u.a. folgende Fahrten:

Einrichtung

Entfernung zur Wohnung

Anzahl der Fahrten (hin und zurück)

Kindergarten C

9 km

38

Familienzentrum H

2 km

36

Grundschule L

10 km

35

Kindergarten B

12 km

31

T-Schule

9 km

36

O-Schule

2 km

22

Daneben führte die Klägerin 7 Fahrten zur Musikschule A (Entfernung: 2 km) sowie insgesamt 9 Fahrten zu anderen Zielen, die nur einmal im ganzen Jahr anfielen, an.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Aufstellung (Bl. 15-22 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Der Beklagte setzte die Einkommensteuer für 2008 abweichend von der Steuererklärung unter Berücksichtigung eines Gewinns aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 6.014,– EUR fest. Die Fahrtkosten seien nur zur Hälfte abziehbar, da es sich bei allen Fahrten um solche zwischen Wohnung und Betriebsstätte handele. Die geltend gemachten Raumkosten (1.144,85 EUR) seien nicht abzugsfähig, da das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit darstelle. Daneben erkannte der Beklagte – was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist – die in der Gewinnermittlung erfassten Rentenversicherungsbeiträge nicht als Betriebsausgaben an.

Im Einspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, dass es sich bei den aufgesuchten Schulen und Kindergärten nicht um Betriebsstätten handele. Die Betriebsstätte befinde sich vielmehr in ihrem häuslichen Arbeitszimmer. Ihre Tätigkeit sei vergleichbar mit derjenigen eines Arbeitnehmers, der bei verschiedenen Kunden seines Arbeitgebers eingesetzt werde. Hierzu verwies sie auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9.7.2009 (VI R 21/08). Die Musikschule unterhalte selbst keine Räume in den jeweiligen Einrichtungen. Die Tätigkeit sei nicht auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegt, da bei Abschluss des zunächst auf ein Jahr befristeten Honorarvertrages noch nicht absehbar gewesen sei, wie lange die Klägerin in den Einrichtungen tätig sei. Auch Leiharbeitnehmer hätten nach dem BFH-Urteil vom 17.6.2010 (VI R 35/08) keine regelmäßige Arbeitsstätte.

Der Beklagte erließ während des laufenden Einspruchsverfahrens einen Änderungsbescheid, in dem er einen Beteiligungsverlust aus Gewerbebetrieb berücksichtigte. Im Rahmen der Einspruchsentscheidung setzte er die Einkommensteuer erneut herab, weil die Kosten für das häusliche Arbeitszimmer zur Hälfte (573,– EUR) anzuerkennen seien. Die gesamten Kosten seien nicht zu berücksichtigen, da die Klägerin die Mietkosten gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten getragen habe.

Im Übrigen hatte der Einspruch keinen Erfolg. Die Fahrtkosten seien nur in Höhe von 0,30 EUR pro Entfernungskilometer abzugsfähig, weil die Kursräume von der Auftraggeberin, der Musikschule A, zur Verfügung gestellt worden seien. Es handele sich dabei um verschiedene regelmäßige Tätigkeitsstätten. Die Laufzeit des Vertrages sei nicht von vornherein auf ein Jahr begrenzt, sondern auf eine fortlaufende und auf Dauer angelegte Beschäftigung ausgerichtet gewesen. Die BFH-Rechtsprechung zu Leiharbeitnehmern sei nicht einschlägig.

Mi...

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