Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung der Kleinunternehmerregelung; Option zur Regelbesteuerung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. In Zweifelsfällen muss das FA den Kleinunternehmer fragen, welcher Besteuerungsform er seine Umsätze unterwerfen will. Die Beseitigung möglicher Zweifel ist wegen der erheblichen Rechtsfolgen aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich.

2. Das das Erklärungsbewusstsein kein notwendiger Bestandteil der Willenserklärung ist, kann schlüssiges Verhalten auch dann als Willenserklärung gewertet werden, wenn der Handelnde an die Möglichkeit einer solchen Wertung nicht gedacht hat, sofern er bei pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen konnte, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst werden durfte und der Erklärungsempfänger es auch tatsächlich so verstanden hat. Demnach hat der Stpfl. zwar durch die Abgabe der Jahressteuererklärung 2016, in der er die USt nach allgemeinen Regeln berechnet hat, konkludent auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet. Dieser Verzicht war jedoch nicht geeignet, erneut die fünfjährige Bindungswirkung des § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG auszulösen.

 

Normenkette

UStG § 19 Abs. 2 Sätze 2, 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.09.2020; Aktenzeichen XI R 34/19)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger im Streitjahr 2017 die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen kann.

Der Kläger betreibt seit dem Jahr 2006 in E einen Betrieb, dessen Gegenstand Fliesen-, Estrich-, Parkett- und sonstige Bodenlegearbeiten, der Einbau von genormten Baufertigteilen, Akustik- und Trockenbau, Entrümpelungsarbeiten sowie Güterbeförderung mit einem Kraftfahrzeug (bis 3,5t) ist (Gewerbeanmeldung vom 09.01.2006, Bl. 16 der Finanzamtsakte). Zuständig war seinerzeit wegen des Betriebssitzes unter der Adresse V-Straße in E das Finanzamt P. Im Jahr 2011 meldete der Kläger das Gewerbe wegen der Verlegung der Betriebsstätte an die Adresse T-Straße in E um, so dass der Beklagte zuständig wurde (Gewerbeummeldung vom 31.05.2011, Bl. 6 der Finanzamtsakte). Im Jahr 2016 meldete der Kläger als weiteres Gewerbe (im Nebenerwerb) einen Hausmeisterservice bei der Stadt E an (Gewerbeanmeldung vom 07.04.2016, Bl. 3 der Finanzamtsakten). Im Gründungsjahr 2006 optierte der Kläger zur Regelbesteuerung. In den Folgejahren bis einschließlich des Kalenderjahres 2016 gab der Kläger Umsatzsteuerjahreserklärungen ab, in denen er die Umsatzsteuer nach den allgemeinen Regeln berechnete. In den Jahren 2011 und 2012 erzielte er Bruttoumsätze oberhalb von 17.500 € (Nettoumsatz 2011: 23.475 €, Nettoumsatz 2012: 24.724 €). In den weiteren Jahren lagen seine Bruttoumsätze unterhalb der Grenze von 17.500 €.

Mit seiner am 25.10.2018 beim Beklagten eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2017 beantragte der Kläger erstmalig den Wechsel von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerschaft (Bl. 24 der Finanzamtsakte). In den Rechnungen des Streitjahres 2017 wies der Kläger unter Hinweis auf § 19 Umsatzsteuergesetz (UStG) keine Umsatzsteuer aus (siehe Rechnungen, Bl. 32 ff. der Gerichtsakte).

Mit Schreiben vom 18.01.2019 (Bl. 25 der Finanzamtsakten) teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass der Wechsel von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerschaft im Streitjahr 2017 nicht möglich sei, da der Kläger innerhalb der letzten 5 Jahre von der Option nach § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG Gebrauch gemacht habe und deshalb insoweit gebunden sei. Im Jahr 2016 habe er zwar nur laufende Umsätze in Höhe von 4.741 € erzielt, durch die Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung mit Ausweis von Umsätzen und Vorsteuern habe er jedoch wirksam zur Regelbesteuerung optiert. Hieran sei er fünf Jahre gebunden, so dass er frühestens ab dem 01.01.2021 zur Kleinunternehmerschaft wechseln könne.

In der Folge erließ der Beklagte am 07.03.2019 einen Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr 2017, in dem er Lieferungen und sonstige Leistungen in Höhe von 6.037 € berücksichtigte und Umsatzsteuer in Höhe von 1.147,03 € festsetzte (Bl. 12 f. der Gerichtsakte, Bl. 30 der Finanzamtsakte).

Hiergegen legte der Kläger am 09.04.2019 Einspruch ein (Bl. 34 der Finanzamtsakte). Zur Begründung führte er aus, dass es nach Ablauf der erstmaligen Fünf-Jahresfrist keiner Option bedürfe, auch wenn zu irgendeinem Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 UStG erfüllt seien. Man könne zu jeder Zeit die Regelbesteuerung wieder abwählen, wenn die Voraussetzungen eines Kleinunternehmers vorliegen würden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 21.05.2019 (Bl. 3 ff. der Gerichtsakte) wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung 2016 habe die Fünf-Jahres-Frist erneut begonnen, diese laufe bis einschließlich des Jahres 2020. Der Fünf-Jahres-Zeitraum gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG beginne bei jeder bewussten Option erneut zu laufen.

Mit seiner am 13.06.2019 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist der Auffassung, dass er nach dem Ablauf der Fünf-Jahres-Frist jedes Jahr den ...

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