Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Steuerfreiheit der Übertragung der Kapitallebensversicherungen auf dem Zweitmarkt. keine Anwendung der Differenzbesteuerung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei den Übertragungen von Kapitallebensversicherungen handelt es sich um steuerbare sonstige Leistungen. Bemessungsgrundlage ist das von den Erwerbern hierfür jeweils gezahlte Entgelt.

2. Bei den Übertragungen von Kapitallebensversicherungen auf dem Zweitmarkt im Wege der Vertragsübernahme oder der Abtretung handelt es sich nicht um nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG bzw. Art. 135 Abs. 1 Buchst. d der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie steuerfreie Umsätze im Geschäft mit Forderungen, sondern um steuerpflichtige sonstige Leistungen.

3. Der Begriff „Geschäft mit Forderungen” ist trotz seines weiten Wortlauts eng auszulegen und erfasst nur Ansprüche, die Gegenstand von Finanzdienstleistungen sind; dagegen erfasst er keine Forderungen aus Versicherungsverträgen.

4. Umsätze aus Veräußerungen von Lebensversicherungsverträgen sind auch nicht als Versicherungsumsätze steuerbefreit, wenn der Veräußerer selbst nicht der Versicherte ist.

5. Der Handel mit „gebrauchten” Lebensversicherungsverträgen ist nicht vergleichbar mit der Lieferung von Gebrauchtgegenständen. Die Differenzbesteuerung kommt daher nicht zur Anwendung.

 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 8 Buchst. c, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 9 S. 1, § 4 Nr. 10 Buchst. a, b, § 10 Abs. 1, § 25a; EGRL 112/2006 Art. 135 Abs. 1 Buchst. A, Abs. 1 Buchst. c, Abs. 1 Buchst. D, Art. 73, 311, 315

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 05.09.2019; Aktenzeichen V R 57/17)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob Umsätze aus der entgeltlichen Übertragung von Kapitallebensversicherungen am Zweitmarkt gem. § 4 Nr. 8 Buchst. c Umsatzsteuergesetz in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) steuerbefreit sind.

Satzungsgemäßer Gegenstand des Unternehmens der mit Satzung vom … als A gegründeten und mit Beschluss der Hauptversammlung vom … umfirmierten Klägerin sind u.a. der Erwerb und die Verwertung bestehender Kapitallebens- und Rentenversicherungen sowie die Erbringung von Verwaltungsleistungen und Serviceleistungen im Zusammenhang mit der Verwaltung von Kapitallebensversicherungen.

Im Streitjahr 2007 erwarb die Klägerin Kapitallebensversicherungen von Versicherungsnehmern (in der Regel Privatpersonen) gegen ein unter dem eingezahlten Betrag, aber über dem Rückkaufswert der Versicherer liegendes Entgelt. Dies geschah entweder mit Zustimmung der jeweiligen Versicherung im Wege einer Vertragsübertragung bzw. Vertragsübernahme (sog. dingliche Variante), so dass die Klägerin an die Stelle des Versicherungsnehmers trat, mit Ausnahme hinsichtlich des nach wie vor versicherten Risikos in Bezug auf das Leben des Versicherungsnehmers.

Soweit eine Zustimmung von den jeweiligen Versicherern nicht zu erlangen war, erfolgte der Erwerb durch Abtretung sämtlicher sich aus den Versicherungsverträgen ergebenden Ansprüche und sonstigen Rechte im Wege einer Treuhänderschaft (sog. schuldrechtliche Variante). Hierbei trat die Klägerin im Innenverhältnis (zum Versicherungsnehmer) in die vertraglichen Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers ein, während sich dieser verpflichtete, seine versicherungsvertraglichen Rechte treuhänderisch für die Klägerin auszuüben.

Die Klägerin gestaltete die so erworbenen Versicherungsverträge derart um, dass sie für deren Restlaufzeit möglichst gleichförmig weiterliefen; beispielsweise kündigte die Klägerin Bestandteile, die für die Ablaufleistungen unerheblich waren, insbesondere Zusatzversicherungen (z.B. Berufsunfähigkeits- oder Unfallzusatzversicherung). Hierbei wurden die Verträge entweder auf jährliche Zahlungsweise umgestellt oder beitragsfrei gestellt, je nachdem ob sich weitere Beitragszahlungen im Hinblick auf eine Erhöhung der Ablaufleistung rentierten.

Nachfolgend veräußerte die Klägerin ihre Rechte an den von ihr erworbenen und vertraglich angepassten Kapitallebensversicherungen auf der Basis von zuvor getroffenen Rahmenvereinbarungen an unterschiedliche Erwerber (in der Regel Fondgesellschaften, wie z.B. die C GmbH, M GmbH & Co KG, E GmbH).

Auch diese Veräußerungen erfolgten entweder im Wege der Vertragsübernahme oder im Wege der Abtretung.

Bei der Vertragsübernahme wurde der Erwerber Vertragspartei des Versicherers. Hierbei übertrug die Klägerin jeweils zu einem Übertragungsstichtag alle gegenwärtigen und künftigen Rechte, Ansprüche und Pflichten aus der Lebensversicherung, insbesondere das Recht, Leistungen aus dem Versicherungsverhältnis sowohl auf den Todes- als auch auf den Erlebensfall (Versicherungsleistungen, Zinsen, Boni, Gewinnanteile, Rückkaufswerte, Prämienrückzahlungen und Beitragserstattungen) zu empfangen, sowie die Pflicht zur Beitragszahlung (vgl. z.B. § 2.5.1 des Rahmenvertrags zwischen der C GmbH und der Klägerin).

Bei einer Abtretung, bei der die Klägerin Versicherungsnehmer war, der Erwerb...

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