Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Passivierungsaufschub für auch aus einem künftigen Liquidationsüberschuss zu bedienende Darlehensverbindlichkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat der Gesellschafter der überschuldeten Kapitalgesellschaft vor 1999 unter Vereinbarung eines einfachen Rangrücktritts ein Darlehen gegeben, das aus künftigen Jahresüberschüssen oder ggf. einem Liquidationsüberschuss der Kapitalgesellschaft getilgt werden soll, so ist dieses Darlehen, sofern es noch besteht, auch in den Steuerbilanzen der Kapitalgesellschaft ab 1999 weiter zu passivieren. Eine gewinnerhöhende Auflösung des Darlehens wegen § 5 Abs. 2a i.V.m. § 52 Abs. 12a EStG i.d.F. des StBereinG 1999 würde voraussetzen, dass die Verpflichtung der Kapitalgesellschaft, die Verbindlichkeit zu erfüllen, ausschließlich davon abhängt, dass künftige Einnahmen oder Gewinne anfallen; eine solche ausschließliche Abhängigkeit besteht aber nicht, wenn das Vermögen der Kapitalgesellschaft auch ohne künftige Einnahmen oder Gewinne im Liquidationsfall für die Darlehensverbindlichkeiten gegenüber dem Gesellschafter haftet.

 

Normenkette

EStG 1999 § 5 Abs. 2a, § 52 Abs. 12a S. 2; KStG § 8 Abs. 1; GmbHG §§ 70, 73 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.11.2011; Aktenzeichen I R 100/10)

 

Tenor

1. Die angefochtenen Änderungsbescheide vom 31. Januar 2006 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. März 2008 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob Darlehensverbindlichkeiten der Klägerin in der Steuerbilanz gewinnwirksam aufzulösen sind, weil sie nur zu erfüllen sind, wenn künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen.

Die Klägerin ist eine GmbH mit dem Geschäftszweck Entwicklung, Herstellung und Verbreitung von Internetdiensten. Sie wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 19. Juli 1995 gegründet. Das Stammkapital betrug 100.000 DM und wurde im Streitjahr durch die Alleingesellschafterin A GmbH gehalten. Die finanzielle Ausstattung der Klägerin war unzureichend. Zur Beseitigung der damit verbunden Folgen schloss die Klägerin am 18. September 1995, schriftlich niedergelegt in der Urkunde vom 15. Dezember 1995, mit der A GmbH einen Darlehens- und Rangrücktrittsvertrag. Die A GmbH verpflichtete sich, der Klägerin zur Ingangsetzung ihres Geschäftsbetriebs ein entsprechend dem finanziellen Bedarf abrufbares verzinsliches Darlehen mit einem Kreditrahmen von bis zu 15 Mio. DM zu gewähren. Sicherheiten wurden keine gestellt, das Darlehen war von jeder der Parteien jederzeit kündbar (§ 2 des Vertrags vom 15. Dezember 1995).

§ 3 der Vereinbarung lautet:

„Im Falle des Eintritts einer Überschuldung der Schuldnerin tritt die sich aus dem jeweiligen Saldo des Darlehens-Verrechnungskontos ergebende Forderung der Gläubigerin automatisch in Höhe des Betrags der Überschuldung im Rang hinter die Forderungen aller übrigen Gläubiger zurück. …”

§ 4 lautet:

„Solange die Schuldnerin überschuldet ist, ist der Gläubigerin untersagt, über ihre Darlehensforderung zu verfügen, insbesondere sie abzutreten oder zu verwenden. Das Abtretungsverbot gilt nicht für den Fall der Veräußerung der von der Gläubigerin gehaltenen Geschäftsanteile an der Schuldnerin.

Die Gläubigerin kann die Befriedigung ihrer Gesamtforderung nur aus künftigen Jahresüberschüssen, soweit sie bestehende Verlustvorträge übersteigen, oder ggf. aus einem Liquidationsüberschuß verlangen.”

Mit Vertrag vom 1. Juni 1996 räumte die A GmbH der Klägerin ein weiteres Darlehen mit einem Kreditrahmen von 4 Mio. DM ein. Die zitierten Vereinbarungen sind wortgleich in § 2 bzw. § 3 dieses Vertrags enthalten. Die nachfolgenden Ausführungen zu §§ 3 und 4 des Vertrags vom 15. Dezember 1995 gelten deshalb jeweils entsprechend für den Vertrag vom 1. Juni 1996. In der Folgezeit wurden auf Basis dieser Verträge Darlehen an die Klägerin ausgereicht.

Zum 31.12.1995 und ebenso zum 31.12.1996 war die Klägerin bilanziell überschuldet (s. Bilanzbericht 1995, S. 5 und Bilanzbericht 1996, S. 4). Dies änderte sich auch in den folgenden Jahren nicht.

Die Klägerin wurde zunächst mit Bescheid vom 22. Dezember 2000 erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt. Sie wurde sodann im Rahmen einer Konzernprüfung durch das Finanzamt … mitgeprüft. Der Betriebsprüfer kam unter Bezugnahme auf das Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 18. August 2004 (BStBl I 2004, 850) zu der Auffassung, dass die in der Bilanz zum 31.12.1999 enthaltene Verbindlichkeit gegenüber der A GmbH in Höhe von 16.370.933,08 DM zum 31.12.1999 gewinnwirksam aufzulösen sei. Aufgrund des neu eingeführten § 5 Abs. 2a Einkommensteuergesetz (EStG) sei eine Passivierung dieser Verbindlichkeit in der Steuerbilanz nicht m...

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