Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung stiller Reserven auf Betriebsvermögen im EU-Ausland. unionsrechtskonforme Anwendung von § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG. Unionskonforme Rechtsanwendung von § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die ausschließliche Möglichkeit der Übertragung stiller Reserven auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens einer inländischen Betriebsstätte (§ 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG) stellt eine Ungleichbehandlung dar, die geeignet ist, Unternehmer von der Gründung ausländischer Zweigniederlassungen oder anderer Betriebsstätten im übrigen Unionsgebiet abzuhalten. Darin liegt ein nicht gerechtfertigter Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit.

2. Bei unionsrechtskonformer Anwendung erfordert daher § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG keine Zugehörigkeit des Reinvestitionsguts zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte, sondern einer Betriebsstätte im Unionsgebiet. Daher kann eine in einem inländischen Betriebsvermögen gebildete Rücklage nach § 6b EStG auf ein in Ungarn belegenes Grundstück des Gesamthandsvermögens einer ungarischen KG übertragen werden, an der der Betriebsinhaber beteiligt ist.

3. Das Reinvestitionsgrundstück ist in der Steuerbilanz der Betriebsstätte in dem anderen Mitgliedstaat (Ungarn) mit den vollen Anschaffungskosten ohne Abzug der § 6b-Rücklage zu aktivieren, da die nationale Regelung nach § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG in Ungarn keine Anwendung findet.

 

Normenkette

EStG § 6b Abs. 3 Sätze 2, 4, Abs. 4 S. 1 Nr. 3; AEUV Art. 49, 54

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.06.2017; Aktenzeichen VI R 84/14)

 

Tenor

1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2009 vom 18. Januar 2011 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 21. März 2011 bestätigt durch die Einspruchsentscheidung vom 6. April 2011 wird die Einkommensteuer 2009 auf 1.290 EUR festgesetzt.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Kläger eine im Jahresabschluss 2005/2006 seines im Jahre 2006 übernommenen inländischen land- und forstwirtschaftlichen Betriebs nach § 6b Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gebildete Rücklage (im Folgenden § 6b-Rücklage) in Höhe eines Teilbetrags von 900 EUR auf ein in Ungarn gelegenes und am 24. Juni 2010 erworbenes Grundstück, das zum Gesellschaftsvermögen der R-KG gehört, übertragen kann.

Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2009 beim Beklagten (dem Finanzamt – FA –) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie haben ihren Wohnsitz sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Sie erzielten im Streitjahr Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus Vermietung und Verpachtung sowie aus nichtselbständiger Arbeit.

Der Kläger ist Inhaber eines buchführungspflichtigen land- und forstwirtschaftlichen Betriebs im Inland mit abweichendem Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG), für den er den Gewinn durch Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG ermittelt. Diesen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb hatte er mit Hofübergabevertrag vom 31. Juli 2006 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von seinen Eltern gegen Gewährung von Leibgedingen auf Lebenszeit mit Wirkung zum 1. Juli 2006 unentgeltlich erhalten.

Im Wirtschaftsjahr 2005/2006 wurde aus dem Verkauf eines im Inland gelegenen bebauten Betriebsgrundstücks u.a. folgender Veräußerungsgewinn erzielt:

Veräußerungserlös Grund und Boden

205.200 EUR

abzügl. Buchwert

31.750 EUR

Veräußerungsgewinn Grund und Boden

173.450 EUR

Dieser Veräußerungsgewinn von 173.450 EUR für den Grund und Boden wurde in eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage nach § 6b EStG zum 30. Juni 2006 in die Bilanz des elterlichen Betriebs eingestellt. Im Wirtschaftsjahr 2007/2008 verminderte sich diese Bodenrücklage um 13.050 EUR. Den verbliebenen Restbetrag der Bodenrücklage von 160.400 EUR führte der Kläger im darauf folgenden Jahresabschluss 2008/2009 fort.

Im Jahresabschluss für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 löste der Kläger die in seinem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb verbliebene § 6b-Rücklage – wie folgt – auf:

Stand 1. Juli 2009

160.400 EUR

Auflösung mit Verzinsung (§ 6b Abs. 3 Satz 5 EStG)

1.100 EUR

Übertragung … GmbH & Co. KG 158.400 EUR

Übertragung auf seinen Anteil der Anschaffungskosten

von Grund und Boden hinsichtlich der R-KG

900 EUR

Stand 30. Juni 2010

– EUR

Verzinsung, § 6b Abs. 7 EStG hinsichtlich 1.100 EUR

24 %

264 EUR

Der Kläger ist an der R-KG als Kommanditist zu 50 % beteiligt. Bei der R-KG handelt es sich um eine ungarische Personengesellschaft, die einer deutschen Kommanditgesellschaft (KG) entspricht. Diese Gesellschaft wurde am 15. Juni 2010 gegründet und am 22. Juni 2010 beim Firmengericht eingetragen. Die Eintragun...

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