rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein privates Veräußerungsgeschäft gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, wenn eine Eigentumswohnung schon mehr als zehn Jahre vor der Veräußerung erworben und ein als Arbeitszimmer genutzter Teil der Wohnung erst innerhalb der letzten 10 Jahre aus dem Betriebsvermögen entnommen worden ist

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird im Privatvermögen eine Eigentumswohnung veräußert, deren Anschaffung schon länger als zehn Jahre zurückliegt, in der aber ein früher betrieblich genutztes, zum Betriebsvermögen gehörendes häusliches Arbeitszimmer erst vor weniger als 10 Jahren aus dem Betriebsvermögen ins Privatvermögen entnommen worden ist, so ist es ernstlich zweifelhaft, ob im Hinblick auf dieses Arbeitszimmer und den anteilig dazu gehörenden Grund und Boden ein privates Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG vorliegt.

2. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob ein Teil einer Eigentumswohnung (hier: Arbeitszimmer im Umfang von 18,04% der Gesamtfläche der Wohnung) ein selbstständiges Wirtschaftsgut i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 2 insbesondere i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG – Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken – sein kann mit der Folge, dass für diesen Teil der Wohnung ein eigener Fristlauf beginnt (vgl. BFH, Urteil v. 19.7.1983, VIII R 161/82).

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Sätze 1-3, § 22 Nr. 2; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1

 

Tenor

1. Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2013 vom 3. August 2018 wird in Höhe von 37.849,24 EUR für die Dauer des Einspruchsverfahrens ausgesetzt.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Einspruchsverfahren darüber, ob ein Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen ist.

Die Antragsteller erwarben am 25. April 2003 eine Eigentumswohnung in München, E-Straße 27. Ein Teil der Eigentumswohnung (18,04 % der Gesamtfläche) wurde in der Zeit vom 25. April 2003 bis zum 1. November 2006 zu beruflichen/betrieblichen Zwecken genutzt und entsprechend bilanziert. Zum Ende der beruflichen/betrieblichen Nutzung wurde dieser Teil der Eigentumswohnung in das Privatvermögen überführt.

Ab dem 1. November 2006 bis zum 23. Mai 2011 wurde die gesamte Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Anschließend wurde sie fremdvermietet und am 26. November 2013 für 780.000 EUR veräußert.

In ihrer beim Antragsgegner (dem Finanzamt – FA) für das Streitjahr am 16. September 2014 elektronisch übermittelten Einkommensteuer(ESt-)Erklärung erklärten die Antragsteller keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften aus dem Verkauf der Eigentumswohnung. Das FA veranlagte die Antragsteller zur ESt ohne einen Veräußerungsgewinn anzusetzen.

Die Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts Kaufbeuren führte bei den Antragstellern im Zeitraum vom 25. Juli 2017 bis zum 12. Februar 2018 eine Betriebsprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 durch. Der Betriebsprüfer kam zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich des ursprünglich bilanzierten Teils (18,04 % der Gesamtfläche) der im Jahr 2013 veräußerten Eigentumswohnung ein privates Veräußerungsgeschäft gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG vorliege. Ein privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 EStG liege vor, wenn ein unbewegliches Wirtschaftsgut innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung bzw. wie im Streitfall nach der Entnahme aus dem Betriebsvermögen veräußert werde. § 23 EStG sei ausdrücklich auch für selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter anzuwenden. Ein Ausschlussfall wegen Eigennutzung liege auf Grund der Vermietung zu fremden Wohnzwecken nicht vor, die Vermietung ab dem Jahr 2011 sei als steuerschädlich zu bewerten. Der Prüfer ermittelte aufgrund des Veräußerungspreises für die gesamte Eigentumswohnung i.H.v. 780.000 EUR Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.H.v. 90.468 EUR für den im Jahr 2006 ins Privatvermögen überführten Teil der Eigentumswohnung, die er jeweils hälftig auf die Antragsteller verteilte (jeweils 45.234 EUR).

Das FA folgte der Auffassung der Betriebsprüfung und legte mit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geändertem ESt-Bescheid 2013 vom 3. August 2018 (vorangegangener ESt-Bescheid vom 4. März 2015) Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.H.v. 90.468 EUR zugrunde und setze die ESt mit 124.968 EUR fest.

Dagegen legten die Antragsteller Einspruch ein. Zur Begründung tragen sie vor, dass das streitgegenständliche Grundstück außerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG angeschafft und veräußert worden sei. § 23 EStG setze zwingend voraus, dass Wirtschaftsgüter einzeln übertragbar und veräußerbar sein müssten. Ein häusliches Arbeitszimmer könne diese Voraussetzungen aber nicht erfüllen, weil es unabhängig von den anderen Teilen der Wohnung nicht veräußert werden könne. Wirtschaftsgut i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sei die gesamte Wohnung, einschließlich eines Arbeitszimmers. Überdies stelle das vom FA zitierte Urteil de...

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