vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kirchensteuer-Erstattung als rückwirkendes Ereignis trotz Kirchenaustritts im Jahr der Zahlung und Kenntnis des Finanzamts

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Erstattung von Kirchensteuer nach deren Berücksichtigung als Sonderausgabe ist ein rückwirkendes Ereignis, das – wenn eine Verrechnung mit gleichartigen Sonderausgaben im Jahr der Erstattung nicht möglich ist – eine Änderung der Steuerfestsetzung des Veranlagungszeitraums gebietet, in dem der erstattete Betrag gezahlt worden ist.
  2. Unabhängig davon, ob für die ursprüngliche Zahlung infolge fortdauernder Kirchensteuerpflicht ein Rechtsgrund bestand, kann eine Kirchensteuererstattung mit Blick auf die Abzugsvoraussetzung einer endgültigen wirtschaftlichen Belastung als rückwirkendes Ereignis gelten.
  3. Die Änderung der Steuerfestsetzung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil bereits bei der erstmaligen Veranlagung Anhaltspunkte dafür bestanden, dass es zu einer Erstattung der Lohnkirchensteuer kommt.
 

Normenkette

AO § 41 Abs. 1 S. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 10 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2000

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 02.09.2008; Aktenzeichen X R 46/07)

 

Tatbestand

Strittig ist, ob der Beklagte die Steuerfestsetzung für das Streitjahr (2000) nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) ändern durfte, um eine Erstattung von Kirchensteuer, die sich aufgrund der erstmaligen Veranlagung zur Einkommensteuer für das Streitjahr ergeben hatte, sonderausgabenmindernd zu berücksichtigen.

Der Kläger erklärte am 30. Dezember 1999 seinen Austritt aus der katholischen Kirche. Der Beklagte erfasste diese für die sog. Grunddaten relevante Änderung am 1. April 2000. Die Arbeitgeberin des Klägers behielt mangels Änderung der Lohnsteuerkarte zu den für den Kirchensteuerabzug maßgebenden Merkmalen für das gesamte Streitjahr Lohnkirchensteuer in Höhe von 11.753 DM ein.

Der Beklagte setzte u. a. diesen Betrag im erstmaligen Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 4. April 2001 als gezahlte Kirchensteuer an. Nach Verrechnung mit im Streitjahr erstatteter Kirchensteuer für andere Veranlagungszeiträume, nicht jedoch der für 2000 einbehaltenen Lohnkirchensteuer, gelangten Sonderausgaben i. S. von § 10 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 11.833 DM zum Abzug. Der Bescheid wurde - wie ein am 8. November 2001 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 ergangener Änderungsbescheid - bestandskräftig.

Auf Veranlassung der ehemaligen Oberfinanzdirektion (OFD) Düsseldorf überprüften die zu ihrem Bezirk gehörenden Finanzämter - darunter der Beklagte - im Dezember 2004, bei welchen Steuerpflichtigen es zur Erstattung von Kirchensteuern gekommen war, die im Jahr der Erstattung nicht mit gezahlter Kirchensteuer dieses Jahres hatten verrechnet werden können. Aufgrund des Ergebnisses dieser Prüfung änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung für den Kläger und seine Ehefrau für das Streitjahr durch Bescheid vom 5. Januar 2005 dahin ab, dass er nur noch Kirchensteuer in Höhe von 80 DM als Sonderausgaben berücksichtigte.

Der Kläger legte dagegen Einspruch ein, mit dem er die Auffassung vertrat, dass eine Erstattung von Kirchensteuer dann kein rückwirkendes Ereignis für das Zahlungsjahr darstelle, wenn in diesem Jahr zu keinem Zeitpunkt eine Kirchensteuerpflicht bestanden habe.

Der Beklagte wies mit Schreiben vom 29. März 2005 darauf hin, dass es seiner Ansicht nach für die Annahme eines rückwirkenden Ereignisses nicht auf den Grund für die Erstattung ankomme. Der Bundesfinanzhof (BFH) differenziere in seinem Urteil vom 7. Juli 2004 XI R 10/04 (Bundessteuerblatt - BStBl - II 2004, 1058) insoweit nicht. Der Kläger hielt dem entgegen, dass eine Kirchensteuererstattung nur dann ein rückwirkendes Ereignis darstellen könne, wenn eine Kirchensteuerpflicht bestanden habe. Ohne Kirchenmitgliedschaft werde Kirchensteuer zu Unrecht gezahlt. Werde sie gleichwohl im Einkommensteuerbescheid als Sonderausgabe abgezogen, so sei der Bescheid insoweit fehlerhaft. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 sei indes nur anwendbar, wenn eine ursprünglich rechtmäßige Steuerfestsetzung durch den Eintritt des rückwirkenden Ereignisses nachträglich fehlerhaft und damit rechtswidrig werde. Der Beklagte könne sich für seine Ansicht auch nicht auf das BFH-Urteil vom 26. Juni 1996 X R 73/94 (BStBl II 1996, 646) stützen, weil diese Entscheidung zu einem Fall ergangen sei, in dem die Kirchenmitgliedschaft zweifelhaft und deshalb klärungsbedürftig gewesen sei. Bei Erlass des Bescheides vom 5. Januar 2005 sei zudem nicht beachtet worden, dass eine Änderung der Rechtsprechung des BFH nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden dürfe (§ 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO 1977).

Der Beklagte wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2005 als unbegründet zurück. Er hielt daran fest, dass die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 aufgrund der Erstattung der Kirchensteuer im Jahr 2001...

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