Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung von PKW bei unrichtigen Angaben eines vermeintlichen Bevollmächtigten des Abnehmers und fehlenden Nachforschungen des liefernden Unternehmens zum tatsächlichen Vorliegen einer Vollmacht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 S. 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Zur Nachforschung verpflichtende Zweifel bestehen bereits dann, wenn zwischen dem liefernden Unternehmer und dem Abnehmer keine längeren Geschäftsbeziehungen bestehen und der Unternehmer keine Kenntnis von der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person hat.

2. Die Vertrauensregelung des § 6a Abs. 4 UStG ist nicht anwendbar, wenn die unrichtigen Angaben von einer Person stammen, deren Bevollmächtigung durch den Abnehmer nicht nachgewiesen wurde.

3. Die Lieferung von PKW ist – auch nicht aufgrund § 6a Abs. 4 S. 1 UStG – als innergemeinschaftliche Lieferung nicht steuerfrei, wenn das liefernde Unternehmen es unterlassen hat, zum vermeintlichen Abnehmer Kontakt aufzunehmen, und sich stattdessen auf die – tatsächlich unrichtigen – Angaben des dem Geschäftsführer persönlich bekannten angeblichen Bevollmächtigten des Abnehmers über die angeblich geplante Beförderung in einen anderen Mitgliedstaat der Union verlassen und sich die Bevollmächtigung nicht nachweisen lassen hat; insoweit reicht es nicht aus, dass der (vermeintliche) Abnehmer über eine gültige USt-ID-Nr. verfügt und das liefernde Unternehmen sich diese und die Gewerbeanmeldung hat bestätigen lassen.

 

Normenkette

UStG § 6a Abs. 4 S. 1, Abs. 1, § 4 Nr. 1b

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 22.02.2017; Aktenzeichen XI R 26/14)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin Fahrzeuglieferungen gem. § 6a Abs. 4 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) als steuerfrei behandeln darf.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrages die Beschaffung und Verwaltung von Fahrzeugen und die damit verbundenen oder sich ergebenden Dienstleistungen sowie Leasing und Finanzierung.

Die Klägerin erteilte im Streitjahr u.a. an die Fa. C. (Österreich), Inh. S. D., über die Lieferung von Fahrzeugen der Marke … 4 Rechnungen. S. D. ist deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in … (Deutschland). Er war im Streitjahr in seinem Beruf als … tätig. Er hatte im Juni 2008 bei der Bezirkshauptmannschaft … ein Handelsgewerbe mit Sitz in … (Österreich) angemeldet und war damit seit 2008 steuerlich beim Finanzamt …/Österreich gemeldet. Ihm war eine österreichische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt und im Herbst 2009 entzogen worden.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Rechnungen:

Datum

Fahrzeug

Betrag

Bp-Akte

a)

20.02.2009

1

… EUR

Bl.

b)

02.04.2009

2

… EUR

Bl.

c)

09.06.2009

3

… EUR

Bl.

d)

09.06.2009

4

… EUR

Bl.

Die vorgenannten Rechnungen enthalten jeweils den folgenden Vermerk: „Es handelt sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung gem. § 6 a UstG in Verbindung mit $ 4 Nr. 1 b UstG”. Umsatzsteuer wurde nicht ausgewiesen.

In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Februar, April und Juni 2009 behandelte die Klägerin die 4 Fahrzeuglieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen i.S.d. § 6a UStG.

Im Sommer 2009 führte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Im Rahmen dieser Prüfung wurde bekannt, dass die Fahrzeuge nicht von S. D., sondern von einem M. L. bestellt wurden. Gegenüber der Prüferin hatte der Geschäftsführer der Klägerin angegeben, dass er zu S. D. keinen Kontakt gehabt habe. M. L., der in R. als Geschäftsführer der M-GmbH im Fahrzeughandel tätig war, war dem Geschäftsführer der Klägerin, der zuvor im Raum R. beruflich tätig war, persönlich bekannt. M. L. hatte die Klägerin wegen der hier in Streit stehenden Fahrzeuglieferungen jeweils gebeten, die Rechnungen per Fax zu ihm nach R. und per Post an die Fa. C. nach Österreich zu übersenden. Zugleich hatte er zugesichert, sich selbst um die umgehende Bezahlung der Rechnungen zu kümmern. Der Kaufpreis für das erste Fahrzeug wurde am 27. Februar 2009 per Überweisung von einer österreichischen Bank als EU-Standardüberweisung überwiesen. Am 5. Mai 2009 folgte die Bezahlung für das zweite Fahrzeug in gleicher Weise. Als Auftraggeber ist in den Kontoauszügen der Klägerin „D. S. C.” angegeben. Die weiteren Fahrzeuge wurden bei der Übernahme bar bezahlt. Abgeholt wurden die Fahrzeuge jeweils von M. L. Dieser erklärte bei der Übernahme schriftlich, das jeweilige Fahrzeug im Auftrage des in der Rechnungsstellung angeführten Erwerbers S. D. zu übernehmen und es an die in der Rechnungsstellung genannte Anschrift in Österreich auszuführen sowie eine entsprechende amtliche Besch...

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