Entscheidungsstichwort (Thema)

Sperrfristverletzung nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG nach Realteilung einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer GbR: Aufteilung des durch die Sperrfristverletzung auf der Ebene der Gesellschaft rückwirkend entstandenen Aufgabegewinns auf die einzelnen Gesellschafter nach Maßgabe der allgemeinen Gewinnverteilungsquote

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Betreiben nach der Realteilung einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis (hier: in der Rechtsform einer GbR) die Realteiler jeweils eine Einzelpraxis, veräußert ein Realteiler seine Einzelpraxis (einschließlich des von ihm übernommenen Gesamthandsvermögens der früheren Gemeinschaftspraxis) innerhalb der Sperrfrist des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG und enthält die von den Gesellschaftern zur Realteilung getroffene Vereinbarung keine Regelungen zu einer Veräußerung oder Entnahme des Gesamthandsvermögens innerhalb der Sperrfrist des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG, so ist der nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG durch die Aufdeckung der stillen Reserven infolge der Realteilung rückwirkend entstandene Übertragungsgewinn als laufender Gewinn allen Realteilern nach Maßgabe der allgemeinen Beteiligungsquoten an der Gemeinschaftspraxis und nicht nur allein dem Gesellschafter zuzurechnen, durch dessen spätere Praxisveräußerung die Sperrfrist verletzt worden ist.

2. Auch im Rahmen einer Realteilung erfolgt die buchwertneutrale Überführung eines Wirtschaftsguts von einem Sonderbetriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen nicht nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG, sondern nach § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG. Anders als § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG sieht § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG keine Sperrfrist vor, bei deren Verletzung rückwirkend der gemeine Wert anzusetzen wäre (vgl. BFH, Urteil v. 16.3.2017, IV R 31/14).

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 3, § 16 Abs. 3 Sätze 3, 2, § 6 Abs. 5 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.11.2021; Aktenzeichen VIII R 14/19)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Von den Gerichtsgebühren und von den für das Klageverfahren entstandenen Gebühren ihres Prozessbevollmächtigten und des Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat die Beigeladene 30 % zu tragen.

Im Übrigen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens einschließlich des Vorverfahrens zu tragen.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Beigeladene wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Zurechnung des Gewinns aus der Veräußerung der durch Realteilung der ärztlichen Gemeinschaftspraxis der Klägerin und der Beigeladenen entstandenen Arztpraxis der Beigeladenen innerhalb der Sperrfrist des § 16 Abs. 3 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Klägerin und die Beigeladene betrieben seit dem 1. Juni 2006 eine ärztliche (internistisch-hausärztliche) Gemeinschaftspraxis in Z. (GbR), an deren Vermögen die Gesellschafterinnen zu jeweils 50 % mit entsprechender Gewinnverteilungsquote beteiligt waren. Mit Auseinandersetzungsvereinbarung vom 24. April 2012 wurde die GbR zum 30. Juni 2012 beendet (§ 1) und das Gesellschaftsvermögen im Wege der Realteilung auseinandergesetzt (§ 2). Regelungen zu einer Veräußerung oder Entnahme des Gesamthandsvermögens innerhalb der Sperrfrist des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG enthält die Vereinbarung nicht. Wegen der im Einzelnen getroffenen Vereinbarungen wird auf die in den Akten befindliche Auseinandersetzungsvereinbarung Bezug genommen. Nach Auflösung der GbR setzten die Klägerin und die Beigeladene ihre Tätigkeiten jeweils in Einzelpraxen fort.

Mit der für das Streitjahr 2012 am 1. April 2014 eingereichten Feststellungserklärung erklärte die GbR neben Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben einen laufenden Gewinn i.H.v. … EUR. Der Beklagte stellte die Besteuerungsgrundlagen mit Bescheid vom 25. April 2014 zunächst im Wesentlichen erklärungsgemäß fest und rechnete den Gesellschafterinnen den laufenden Gewinn entsprechend der Gewinnverteilungsquote zu.

Am 4. März 2015 zeigte die Beigeladene dem Beklagten an, dass sie ihre im Wege der Realteilung entstandene Arztpraxis zum 30. September 2013 zu einem Gesamtkaufpreis i.H.v. … EUR veräußert habe und führte aus, dass ihres Erachtens für die innerhalb der Sperrfrist veräußerten wesentlichen Betriebsgrundlagen rückwirkend auf den Zeitpunkt der Realteilung statt des Buchwertes der gemeine Wert anzusetzen sei (§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG). Der daraus resultierende Gewinn stelle laufenden Gewinn dar; der Übertragungsgewinn sei nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zu verteilen. Der gemeine Wert der betreffenden Wirtschaftsgüter entspreche dem späteren Veräußerungserlös. Der zusätzlich zu versteuernde Gewinn betrage … EUR (gemeiner Wert abzüglich bisheriger Buchwerte), wobei ein Betrag i.H.v. … EUR auf das Gesamthandsvermögen und ein Betrag i.H.v. … EUR auf das Sonderbetriebsvermögen der Beigeladenen entfalle.

Der Beklagte erließ darauf am 16. April 2015 einen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Feststellungsbescheid, mit dem er ...

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