rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Personengesellschaft als umsatzsteuerliche Organgesellschaft trotz Gesellschafterstellung von Personen, die nicht in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sind (gegen BFH-Rechtsprechung und gegen Auffassung der Finanzverwaltung in Abschn. 2.8 Abs. 5a Satz 1 UStAE)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung: Eine GmbH & Co. KG kann entweder durch richtlinienkonforme Auslegung oder teleologische Extension grundsätzlich ebenfalls unter das Tatbestandsmerkmal „juristische Person” im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG subsummiert werden, also Organgesellschaft einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft sein (Anschluss an BFH-Rechtsprechung).

2. Im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung: Die Möglichkeit der finanziellen Eingliederung von Personengesellschaften unter denselben Bedingungen wie bei juristischen Personen ist durch die Vorgaben der Rechtsprechung des EuGH geboten. Eine finanzielle Eingliederung einer Personengesellschaft kann unter Berücksichtigung des Unionsrechts auch dann bestehen, wenn bei der Personengesellschaft neben dem Organträger auch Personen Gesellschafter sind, die nicht nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (gegen BFH, Urteil v. 2.12.2015, V R 25/13, BStBl 2017 II S. 547 und gegen die Auffassung der Finanzverwaltung in Abschn. 2.8 Abs. 5a Satz 1 UStAE).

3. Die finanzielle Eingliederung erfordert, dass der Organträger seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse in der Organgesellschaft durchsetzen kann. Dass vereinzelte Beschlussfassungen über Fragen des Gesellschafterbestands sowie über Änderungen des Gesellschaftsvertrages weiterhin dem Einstimmigkeitsprinzip unterliegen, ist insoweit unerheblich. Entscheidend für die Beherrschungsmöglichkeit im Sinne einer finanziellen Eingliederung ist nämlich allein, ob eine solche bei Entstehung der Steuer nach der aktuellen Fassung des Gesellschaftsvertrages und dem aktuellen Gesellschafterbestand gegeben ist, sodass es auf besondere Mehrheitsverhältnisse hinsichtlich dieser Fragen nicht ankommen kann.

 

Normenkette

UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2 Sätze 1, 3, Abs. 1 S. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; MwStSystRL Art. 11 Abs. 1-2; UStAE Abschn. 2.8 Abs. 5a S. 1

 

Tenor

Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2017 vom 26. September 2018 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung im Verfahren 5 K 5044/19 i. H. v. 17.057,57 EUR ausgesetzt.

Die Vollziehung des Bescheides über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages hinsichtlich des Umsatzsteuervoranmeldungszeitraums Dezember 2017 vom 9. Mai 2018 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung im Verfahren 5 K 5044/19 ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin ist eine Kommanditgesellschaft mit Sitz in C…. Ausweislich § 4 des Gesellschaftsvertrages vom 13. Dezember 2017, der auch zu diesem Datum Wirksamkeit erlangte, waren die B… GmbH Komplementärin und der Familienpool D… GbR, Herr E…, Herr F…, Herr G… sowie die H… GmbH Kommanditisten. Nach § 10 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages besaß jeder Gesellschafter, unabhängig von der Höhe der Pflichteinlagen, jeweils eine Stimme. Hiervon abweichend besaß die H… GmbH sechs Stimmen. Mit Ausnahme von Beschlüssen über den Ausschluss und die Aufnahme von Gesellschaftern sowie über eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, sofern diese den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, Sonderrechte beeinträchtigt oder Gesellschaftern zusätzliche Verpflichtungen auferlegt, die der Einstimmigkeit bedürfen, wurden sämtliche Beschlüsse der Gesellschaft mit einfacher Mehrheit gefasst (§ 10 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages).

Die Komplementärin der Antragstellerin und die H… GmbH handelten seit Abschluss des Gesellschaftsvertrages vom 13. Dezember 2017 durch denselben Geschäftsführer. Darüber hinaus bestanden umfangreiche Leistungsbeziehungen zwischen der Antragstellerin und der H… GmbH.

Nachdem die Antragstellerin für den Voranmeldungszeitraum Dezember 2017 keine Umsatzsteuer-Voranmeldung bei dem Antragsgegner eingereicht hatte, schätzte dieser die Besteuerungsgrundlagen mit dem Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Dezember 2017 vom 9. Mai 2018. Zugleich setzte der Antragsgegner einen Verspätungszuschlag i. H. v. 410 EUR fest. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Bescheides wird auf Bl. 24 der Rechtsbehelfsakte des Antragsgegners verwiesen. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens erließ der Antragsgegner am 26. September 2018 einen Bescheid für 2017 über Umsatzsteuer, der eine Zahllast i. H. v. 17.057,57 EUR auswies. Auf die festgesetzte Umsatzsteuer wurden bereits getilgte Beträge i. H. v. 478.015,87 EUR angerechnet. In diesen Anrechnungsbeträgen war u.a. eine Sondervorauszahlung i. H. v. 31.167 EUR enthalten. Wegen der weiteren Einzelheite...

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