Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbarkeit, Leistungsaustausch, Öffentlicher Rundfunk, Tschechien, Rundfunkgebühren

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass eine Tätigkeit des öffentlichen Rundfunks wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die durch eine gesetzlich vorgesehene obligatorische Gebühr finanziert wird, die von Personen gezahlt wird, die Eigentümer oder Besitzer eines Rundfunkempfangsgeräts sind, und die durch eine durch Gesetz geschaffene Rundfunkgesellschaft ausgeübt wird, keine Dienstleistung „gegen Entgelt“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt und somit nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt.

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Art. 2 Abs. 1

 

Beteiligte

Ceský rozhlas

Odvolací financní reditelství

 

Verfahrensgang

Nejvyssí správní soud (Tschechien) (Beschluss vom 18.12.2014; ABl. EU 2015, Nr. C 107/15)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Sechste Richtlinie 77/388/EWG ‐ Mehrwertsteuer ‐ Art. 2 Nr. 1 ‐ Dienstleistungen gegen Entgelt ‐ Begriff ‐ Öffentlicher Rundfunk ‐ Finanzierung durch eine gesetzlich vorgesehene obligatorische Gebühr“

In der Rechtssache C-11/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht, Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 18. Dezember 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Januar 2015, in dem Verfahren

Odvolací finanční ředitelství

gegen

Český rozhlas

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter J.-C. Bonichot, C. G. Fernlund, S. Rodin und E. Regan,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ des Odvolací finanční ředitelství, vertreten durch E. Nedorostková als Bevollmächtigte,

‐ des Český rozhlas, vertreten durch P. Orct, advokát,

‐ der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil, Z. Petzl und T. Müller als Bevollmächtigte,

‐ der griechischen Regierung, vertreten durch G. Konstantinos und A. Dimitrakopoulou als Bevollmächtigte,

‐ der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Kaye als Bevollmächtigte im Beistand von P. Mantle, Barrister,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und Z. Malůšková als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. März 2016

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Odvolací finanční ředitelství (Einspruchsfinanzdirektion, im Folgenden: Finanzdirektion), vormals Finanční ředitelství pro hlavní město Prahu (Steuerdirektion der Hauptstadt Prag, Tschechische Republik), und Český rozhlas (tschechischer Rundfunk) über die Mehrwertsteuer, die dieser im Rahmen seiner Tätigkeit des öffentlichen Rundfunks zu entrichten hatte.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.

Rz. 4

Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. q dieser Richtlinie sieht vor:

„A. Befreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten

(1) Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

q) die Tätigkeiten der öffentlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, ausgenommen Tätigkeiten mit gewerblichem Charakter.“

Tschechisches Recht

Rz. 5

Gemäß Art. 1 des Gesetzes Nr. 484/1991 über den Český rozhlas in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung wird eine Rundfunkgesellschaft, Český rozhlas, errichtet, die ihren Sitz in Prag (Tschechische Republik) hat. Nach dieser Bestimmung ist Český rozhlas eine juristische Person, die ihr eigenes Vermögen verwaltet und durch ihre eigenen Handlungen selbst Rechte erwirbt und Verpflichtungen eingeht.

Rz. 6

Art. 10 dieses Gesetzes sieht vor, dass die Finanzierung von Český rozhlas insbesondere durch die Erhebung von Rundfunkgebühren gemäß einer b...

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