Entscheidungsstichwort (Thema)

Ort der Dienstleistung, Finanz- und Verwaltungsumsätze an eine Kapitalanlagegesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, Investmentgesellschaft ist Unternehmer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Investmentgesellschaften mit variablem Grundkapital (sociétés d’investissement à capital variable, SICAV), deren ausschließlicher Zweck im Sinne der Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung anzulegen, sind nach Artikel 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage mehrwertsteuerpflichtig, so dass der Ort der in Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e dieser Richtlinie genannten Dienstleistungen, die solchen SICAV erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind als der Dienstleistende, der Ort ist, an dem diese SICAV den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit haben.

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Art. 4, 9 Abs. 2 Buchst. e

 

Beteiligte

BBL

Banque Bruxelles Lambert SA (BBL)

Belgischer Staat

 

Verfahrensgang

Tribunal de première instance de Bruxelles (Belgien) (Entscheidung vom 24.12.2002)

 

Tatbestand

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Artikel 4 und 9 Absatz 2 Buchstabe e ‐ Begriff 'Steuerpflichtiger‘ ‐ Ort der Dienstleistungen ‐ SICAV“

In der Rechtssache C-8/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG,

eingereicht vom Tribunal de première instance Brüssel (Belgien) mit Entscheidung vom 24. Dezember 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Januar 2003, in dem Verfahren

Banque Bruxelles Lambert SA (BBL)

gegen

Belgischer Staat

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, des Richters A. Rosas, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter K. Lenaerts und S. von Bahr (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Banque Bruxelles Lambert SA (BBL), vertreten durch B. de Duve, S. Houx und F. Herbert, avocats,

- des Königreichs Belgien, vertreten durch E. Dominkovitis als Bevollmächtigte im Beistand von G. Vandersanden und E. De Plaen, avocats,

- der Hellenischen Republik, vertreten durch D. Kalogiros und S. Spyropoulos als Bevollmächtigte im Beistand von M. Tassopoulou,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und C. Giolito als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Mai 2004,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 4, 9 Absatz 2 Buchstabe e und 13 Teil B Buchstabe d Nummer 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Banque Bruxelles Lambert SA (BBL) (im Folgenden: BBL) und dem Belgischen Staat darüber, wie für die Zwecke der Mehrwertbesteuerung der Ort der Dienstleistungen zu bestimmen ist, die die BBL luxemburgischen Investmentgesellschaften mit variablem Grundkapital (sociétés d’investissement à capital variable, im Folgenden: SICAV) erbracht hat.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3

Nach Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“, der Mehrwertsteuer.

4

Artikel 4 Absätze 1 und 2 dieser Richtlinie lautet:

„(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.“

5

Artikel 9 Absätze 1 und 2 Buchstabe e dritter und fünfter Gedankenstrich dieser Richtlinie bestimmt:

„(1) Als Ort einer Dienstleistung gilt der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen fes...

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