1 Systematische Einordnung

Unter Doppelbesteuerung versteht man die mehrfache Besteuerung des gleichen Steuersubstrats im gleichen Besteuerungszeitraum. Erfolgt die mhrfache Besteuerung bei der gleichen Person, spricht man von rechtlicher Doppelbesteuerung; wird das gleiche Steuersubstrat bei verschiedenen Personen besteuert, handelt es sich um eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung.

DBA behandeln, mit Ausnahme des Art. 9 OECD-MA, die rechtliche Doppelbesteuerung. Diese entsteht dadurch, dass der Ansässigkeitsstaat des Stpfl. i. d. R. das Welteinkommen der Besteuerung zugrunde legt (Welteinkommensprinzip, z. B. § 1 Abs. 2 KStG), während der Quellenstaat das auf seinem Territorium erzielte Einkommen besteuert (Territorialitätsprinzip, z. B. § 1 Abs. 4 EStG, § 2 Nr. 1 KStG). Da sich eine Doppelbesteuerung nachteilig auf den grenzüberschreitenden Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr auswirkt und damit die internationale Arbeitsteilung behindert, mindern oder beseitigen die meisten Staaten diese Doppelbesteuerung durch unilaterale Maßnahmen und zusätzlich durch Abschluss von DBA mit anderen Staaten.

Für die Ertrags- und Vermögensteuern hat die OECD ein Musterabkommen (OECD-MA) entwickelt und mit einem Kommentar versehen. Das OECD-MA liegt den meisten DBA zugrunde. Daneben haben das UN-Musterabkommen, das die Besteuerungsrechte der Entwicklungsländer stärken soll, und das Musterabkommen der USA[1] Bedeutung.

Deutschland hat gegenwärtig mit über 90 Staaten DBA über Ertrags- und Vermögensteuern abgeschlossen, wobei das Netz der DBA ständig weiter ausgebaut wird.[2] Für neue DBA hat die Finanzverwaltung ihre Verhandlungsposition in einer "Verhandlungsgrundlage" veröffentlicht, die den Charakter eines deutschen Musterabkommens hat und den deutschen Verhandlungskommissionen als Leitlinie dienen soll.[3] Es entspricht in weiten Teilen dem OECD-MA.

Für eine Reihe von Staaten, mit denen kein allgemeines DBA besteht, wurden Abkommen über Einkünfte von Schifffahrtsunternehmen, von Luftfahrtunternehmen oder beiden abgeschlossen (Schifffahrt: Brasilien, Chile, Isle of Man; Luftfahrt: Jemen, Kamerun, Paraguay, Saudi Arabien; Schiff- und Luftfahrt: Hongkong, Kolumbien, Panama, Venezuela). Für die ErbSt bestehen gegenwärtig nur 6 Abkommen (Dänemark, Frankreich, Griechenland, Schweden, Schweiz, USA).

[1] Zur Änderung des US-Musterabkommens Schnittker/Steinbiß, IStR 2015, 686.
[2] Der Stand der Doppelbesteuerungsabkommen wird vom BMF am Anfang jeden Jahres veröffentlicht, zuletzt BMF v. 19.1.2022, IV B 2 – S 1301/21/10048 :001, BStBl I 2022, 147.
[3] BMF v. 22.8.2013, IV B 2 – S 1301/13/10009, abrufbar auf der Homepage des BMF.

2 Inhalt

Die DBA enthalten i. d. R. Bestimmungen für ESt, KSt, SolZ, GewSt und VSt.[1] Sie gelten für das Staatsgebiet der beteiligten Staaten, jedoch sind bei einigen Staaten bestimmte Gebiete ausgeschlossen, z. B. nach dem DBA-UK die Kanalinseln, die Isle of Man und Gibraltar. Das DBA USA gilt nicht für Puerto Rico und Guam. Dagegen ist das DBA Frankreich auch auf die überseeischen Departements anzuwenden (z. B. Martinique). 

Das DBA gilt für eine Person, die in einem der Vertragsstaaten oder in beiden ansässig ist.[2]

Eine Körperschaft ist nach Art. 4 Abs. 1, 3 der deutschen Verhandlungsgrundlage für DBA in dem Staat ansässig, in dem sie aufgrund ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen Merkmals, regelmäßig also des Sitzes, steuerpflichtig ist. Ist sie danach in beiden Staaten steuerpflichtig, gilt sie nur im Staat ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung als ansässig. Für doppelansässige Gesellschaften hat diese Regelung in Art. 4 Abs. 3 OECD-MA 2017 aufgrund des Multilateralen Instruments eine Verschärfung erfahren. Dies betrifft Körperschaften, die in dem einen Staat ihren Sitz, in dem anderen Staat ihre Geschäftsleitung haben. In diesem Fall einigen sie die beteiligten Staaten darüber, welcher Staat als Ansässigkeitsstaat gelten soll. Kommt es zu keiner Einigung, können die Staaten durch Vereinbarung bestimmen, welche Regelungen des DBA anwendbar sein sollen. Gelingt auch eine solche Einigung nicht, hat die Körperschaft keinen Anspruch auf die Abkommensvergünstigungen, z. B. die Reduzierung der Quellensteuer oder die Freistellung. Die meisten deutschen DBA folgen der Regelung der deutschen Verhandlungsgrundlage, einige DBA enthalten aber auch die Verschärfungen für doppelt ansässige Körperschaften i. S. d. § 4 Abs. 3 OECD-MA. Beispiel ist Art. 4 Abs. 3 DBA-USA.

Den Kernbereich der DBA bilden die sog. Verteilungsartikel.[3] Dabei unterscheiden die DBA zwischen Quellen- und Ansässigkeitsstaat. Damit behandeln die DBA nur grenzüberschreitende Steuerfälle zwischen den beiden vertragsschließenden Staaten; Dreiecksfälle, bei denen die Geschäftsbeziehung einen dritten Staat berührt, werden nicht geregelt.

In den Verteilungsartikeln wird i. d. R. bestimmt, ob der Quellenstaat bestimmte Einkünfte besteuern darf oder sein Besteuerungsrecht ganz oder z. T. zurücknehmen muss. Dabei legen die DBA ein eigenes System von rd. 14 Einkunftsarten zugrunde, die...

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