1 Systematische Einordnung

Die Diskriminierungsverbote nach europäischem Recht ergeben sich aus dem AEUV. Der AEUV enthält ein allgemeines Diskriminierungsverbot in Art. 18 sowie spezielle Diskriminierungsverbote, die sich aus den Grundfreiheiten (im KSt-Recht insbesondere die Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit) ergeben. Die Diskriminierungsverbote, die sich aus den Grundfreiheiten ergeben, gehen dabei dem allgemeinen Diskriminierungsverbot gem. Art. 18 AEUV vor.

2 Inhalt

Die Diskriminierungsverbote verbieten eine nicht gerechtfertigte Schlechterstellung des Ausländers. Nach dem Wortlaut enthalten die Diskriminierungsverbote ein Verbot zur Schlechterbehandlung (ohne sachlichen Grund) nach der Staatsangehörigkeit. Bei Gesellschaften ist statt auf die Staatsangehörigkeit auf den Sitz abzustellen.[1] Diese sog. offene Diskriminierung verbietet eine Schlechterbehandlung ausl. Gesellschaften im Vergleich zu inl. Gesellschaften.

Verboten sind darüber hinaus alle unsachlichen Schlechterbehandlungen anhand anderer Merkmale, die zum gleichen Ergebnis wie eine offene Diskriminierung führen (sog. verdeckte Diskriminierung). Für das Steuerrecht ergibt sich daraus, dass Nichtansässige nicht schlechter behandelt werden dürfen als im Inland ansässige Stpfl. Dies beruht auf dem Gedanken, dass Staatsangehörige regelmäßig im Heimatstaat ansässig sind.[2] Daraus ergibt sich – in gewissen Grenzen – ein Gebot, beschränkt Stpfl. nicht schlechter als unbeschränkt Stpfl. zu behandeln. Eine Gleichbehandlung ist aber nur geboten, wenn die Situation des unbeschränkt Stpfl. mit der eines beschränkt Stpfl. vergleichbar ist. Dies ist durch eine Beurteilung im Einzelfall unter Berücksichtigung der fraglichen Regelung zu bestimmen. Umgekehrt ist eine Schlechterbehandlung der Inländer (unbeschränkt Stpfl.) gegenüber den Ausländern (beschränkt Stpfl.) nicht aufgrund der europäischen Grundfreiheiten verboten (sog. Inländerdiskriminierung).

Im KSt-Recht von wesentlicher Bedeutung sind die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV und die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV. Die Niederlassungsfreiheit schützt eine Tätigkeit des Stpfl., die darin besteht, dass er sich im Rahmen seiner Tätigkeit in einem anderen Staat niederlässt, Unternehmen gründet und leitet. Geschützt wird auch die Gründung einer Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur. Um sich auf die Niederlassungsfreiheit berufen zu können, ist eine dauernde Präsenz im anderen Staat erforderlich. Die Niederlassungsfreiheit schützt sowohl vor Beschränkungen im Staat der Niederlassung als auch vor solchen im Herkunftsstaat. Tochtergesellschaften und Betriebsstätten dürfen daher weder im Ansässigkeitsstaat des Stpfl. noch im Ausland deshalb schlechter behandelt werden, weil ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt.[3] Aus der Niederlassungsfreiheit ergibt sich, dass eine Betriebsstätte nicht schlechter als ein unbeschränkt Stpfl. behandelt werden darf.[4] Auch das Stammhaus darf nicht deshalb schlechter behandelt werden, weil es eine ausl. Betriebsstätte unterhält.[5] Daraus ergibt sich allerdings nicht, dass beschränkt und unbeschränkt Stpfl. in jeder Situation gleich zu besteuern sind.[6] Entscheidend ist auch insoweit die Vergleichbarkeit der Situationen.

Die Kapitalverkehrsfreiheit verbietet die Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedsstaaten und im Verhältnis zu Drittstaaten. Dazu gehören auch Investitionen im Ausland, das Halten und Verwalten von Anteilen an ausl. Kapitalgesellschaften, der Dividendenbezug sowie die Finanzierung ausl. Gesellschaften und der entsprechende Bezug von Zinsen. Geschützt ist daneben auch die Möglichkeit, Kapital im Ausland einzusammeln. Eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit kann insbesondere zur Quellensteuererhebung erfolgen.

Eine Diskriminierung liegt nur dann vor, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder nicht vergleichbare Sachverhalte gleich behandelt werden, ohne dass dieser Eingriff in die Grundfreiheiten gerechtfertigt werden kann.[7] Wesentliche Bedeutung kommt daher der Findung der richtigen Vergleichsgruppe zu. Die relevante Vergleichsgruppe ist für jeden Einzelfall zu bestimmen. Abzustellen ist dabei auf die steuerlich relevanten Umstände.

Eine Diskriminierung kann auf jeder hoheitlichen Maßnahme beruhen; regelmäßig führen aber die gesetzlichen Regelungen (und nicht die jeweiligen Steuerbescheide) zu einer Schlechterbehandlung i. d. S. ausreichend ist bereits, dass der Stpfl. durch die Maßnahme daran gehindert wird, von seinen Grundfreiheiten Gebrauch zu machen. Eine tatsächlich eingetretene Schlechterbehandlung ist daher nicht erforderlich.

Liegt eine Schlechterbehandlung vor, kann diese dennoch hinzunehmen sein, wenn sie gerechtfertigt ist. Bisher wird eine Rechtfertigung von Diskriminierungen nur sehr restriktiv anerkannt. Die Rechtfertigung ist nur bei zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses möglich, wobei die fragliche Regelung die Durchsetzung dieser öffentlichen Interessen zum Ziel haben muss. ...

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