Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltsleistungen für studierenden Ehegatten keine außergewöhnliche Belastung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Daß die von der alleinverdienenden Ehefrau für ihren arbeitslosen, studierenden Ehemann getragenen Studienaufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

2. Eine steuerliche Schlechterstellung von Ehegatten ist insbesondere hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt, teilweise benachteiligt werden, die gesetzliche Regelung im ganzen sich aber vorteilhaft oder eben „ehe-neutral” auswirkt.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; EStG 1981 § 33a Abs. 1, § 33 Abs. 1-2, § 26b

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 26.04.1988; Aktenzeichen III B 17/87)

FG Düsseldorf (Urteil vom 18.11.1986; Aktenzeichen XI 307/83 L)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 93 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BVerfGG).

Den Beschwerdeführern wird als Gesamtschuldnern eine Unterliegensgebühr in Höhe von 300 DM (in Worten: dreihundert Deutsche Mark) auferlegt.

 

Gründe

1. Das Finanzgericht hat in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise die steuermindernde Berücksichtigung der im Jahr 1982 von der allein verdienenden Beschwerdeführerin für ihren arbeitslos gewordenen und studierenden Ehemann getragenen Studienaufwendungen gemäß § 33 a Abs. 1, § 33 Abs. 1, Abs. 2 EStG 1981 verneint.

a) Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts sind Sache der zuständigen Fachgerichte und der verfassungsgerichtlichen Überprüfung grundsätzlich entzogen (BVerfGE 18, 85 ≪92≫; 21, 209 ≪216≫), sofern nicht im konkreten Fall Bedeutung und Tragweite von Grundrechten verkannt oder völlig außer acht gelassen worden sind.

b) Die in Übereinstimmung mit der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ergangene Entscheidung im Ausgangsverfahren begegnet im Hinblick auf die als verletzt gerügten Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG keinen Bedenken.

Es verstößt nicht gegen den Art. 3 Abs. 1 GG zu entnehmenden Grundsatz der Besteuerung nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, wenn Unterhaltsleistungen des einen Ehepartners an den studierenden anderen Ehepartner (vgl. zum zivilrechtlichen Anspruch auf Ausbildungsfinanzierung gemäß den §§ 1360, 1360 a BGB in der Ehe: BGH, NJW 1985, S. 803 f.) nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

Der Begriff der „Aufwendung” in § 33 a Abs. 1 EStG setzt nach dem Auslegungsverständnis des Bundesfinanzhofs (BFH, BStBl. II 1979, S. 660 ≪662≫ u.ö.; a. A. jetzt der III. Senat im Vorlagebeschluß vom 3. Juni 1987, III R 49/86, BStBl. II 1987, S. 629 ≪632≫) voraus, daß der Unterhaltgewährende durch den Unterhalt „belastet” ist. Bei den gegenseitigen Unterhaltsleistungen von Ehegatten in einer intakten Ehe fehlt es jedoch an einer solchen Belastung. Unter Unterhaltsleistung sind nicht nur Geld- und Sachleistungen zu verstehen, sondern auch Leistungen durch das Führen des Haushaltes und die Pflege und Erziehung der Kinder. In einer intakten Ehe als Wirtschafts- und Verbrauchsgemeinschaft stehen sich diese Unterhaltsleistungen bei typisierender und generalisierender Betrachtungsweise gleichwertig gegenüber (BVerfGE 26, 265 ≪273≫ m.w.N.; 47, 1 ≪24≫; 61, 319 ≪346≫). Das Gleichheitsgebot verbietet im Steuerrecht nicht, anstelle eines individuellen Wirklichkeitsmaßstabes aus Gründen der Praktikabilität pauschale Maßstäbe zu wählen und sich mit einer „Typengerechtigkeit” zu begnügen (BVerfGE 31, 119 ≪130≫; 63, 312 ≪326≫), d. h. für den Fall der ehelichen Lebensgemeinschaft von einer gleichwerten Beteiligung der Ehepartner an den Unterhaltslasten auszugehen. Entsprechend seiner Aufgabenstellung in der Ehe, die die Eheleute jeweils in der verschiedensten Weise frei regeln können, trägt jeder Ehegatte zum Unterhalt des anderen bei.

c) Nach Art. 6 Abs. 1 GG dürfen Verheiratete im Vergleich zu Ledigen nicht allein deshalb schlechter gestellt werden, weil sie verheiratet sind (BVerfGE 47, 1 ≪19≫ m.w.N.; 69, 188 ≪205≫; 75, 361 ≪366≫; 76, 126 ≪128≫). Damit ist es jedoch vereinbar, daß der Gesetzgeber sie anders als Ledige behandelt, soweit diese Regelung ihren Grund in der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Situation von Ehegatten hat (BVerfGE 6, 55 ≪77≫; 9, 237 ≪247≫; 17, 210 ≪219≫). Eine steuerliche Schlechterstellung von Ehegatten ist insbesondere hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt, teilweise benachteiligt werden, die gesetzliche Regelung im ganzen sich aber vorteilhaft oder eben „ehe-neutral” auswirkt (BVerfGE 32, 260 ≪269≫; 75, 361 ≪366 f.≫).

Der in § 26 b EStG verankerte Grundsatz der Einheit des Einkommens zusammenveranlagter Ehegatten läßt den den Bereich der Einkünfteerzielung und -ermittlung betreffenden Grundsatz der Individualbesteuerung (vgl. BVerfGE 6, 55 ≪69≫) unberührt (vgl. BFH, BStBl. II 1987, S. 297 ≪300≫; Schmidt, EStG, 7. Aufl., § 26 b Anm. 2 a). Die Einheit des Einkommens hat zur Folge, daß Pausch-, Frei- und Höchstbeträge, die nicht mehr im Bereich der Ermittlung der Einkünfte liegen, von den Ehegatten in Anspruch genommen werden können, auch wenn nur einer von ihnen die Voraussetzung dafür erfüllt und nur einer – nicht notwendig derselbe – Einkünfte erzielt (BFH, BStBl. III 1967, S. 596 ≪597≫). Der Grundsatz hat somit zur Folge, daß Vergünstigungen auch dem anderen Ehegatten zugute kommen. Er berücksichtigt unter Anwendung allgemeiner einkommensteuerrechtlicher Grundsätze in sachgerechter Weise die besonderen Verhältnisse zusammenlebender Eheleute und begünstigt sie gegenüber Ledigen (BFH, BStBl. III 1958, S. 77 ≪79≫; III 1967, S. 596 ≪597≫). Bei den zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Aufgabenverteilung innerhalb einer intakten Ehe als Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft hielt es der Gesetzgeber nicht für vertretbar, die zu den Lebenshaltungskosten zählenden Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen nur dem Ehegatten zuzurechnen, der sie aus seinen Mitteln geleistet hat.

Wenn das Finanzgericht, auch insofern der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgend, Aufwendungen der Beschwerdeführerin für das Studium des Beschwerdeführers deshalb nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG zugelassen hat, weil die Kosten für ein Studium grundsätzlich keine zwangsläufigen außergewöhnlichen Belastungen darstellen (vgl. BFH, BStBl. III 1967, S. 596 ≪597≫; II 1985, S. 135; BFH/NV 1987, S. 501 f.), so ist nicht ersichtlich, inwiefern die Beschwerdeführer dadurch gerade wegen ihrer Ehe benachteiligt sein sollen. Auch bei Ledigen werden derartige Aufwendungen im Regelfall nicht als außergewöhnliche Belastungen zugelassen. Daß ihre Anerkennung umgekehrt allein wegen der Ehegemeinschaft geboten sei, behaupten die Beschwerdeführer selbst nicht.

Die Abgrenzung der Aufwendungen für Berufsausbildung in § 33 a Abs. 1 EStG und die Möglichkeit, sie ausnahmsweise als außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 Abs. 1 EStG anzuerkennen, betrifft im übrigen die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts.

2. Soweit der Bundesfinanzhof die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision durch das Finanzgericht in Auslegung und Anwendung der revisionsrechtlichen Bestimmung in § 115 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 FGO als unbegründet zurückgewiesen hat, sind Verfassungsverstöße nicht erkennbar (BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 34 Abs. 2 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1556448

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