Leitsatz (amtlich)

Wird eine den Eheleuten je zur Hälfte gehörende Eigentumswohnung vom Ehemann ohne Entgelt für berufliche Zwecke genutzt, so können die auf den Miteigentumsanteil der Ehefrau entfallenden AfA weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten abgezogen werden. AfA kommen nur in Betracht, soweit der Ehemann ein abschreibbares Nutzungsrecht erworben hat.

 

Normenkette

EStG §§ 4, 6 Abs. 1 Nrn. 1, 5, §§ 7, 9; BGB §§ 743, 745

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger ist Zahnarzt und ermittelt seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Einnahmeüberschußrechnung. Die Klägerin ist gleichsfalls ausgebildete Zahnärztin, war jedoch in den Streitjahren nicht mehr berufstätig.

Der Kläger betreibt seine Zahnarztpraxis in einer ihm und der Klägerin zu je 1/2 gehörenden Eigentumswohnung. Bei den Veranlagungen 1970 und 1971 erkannte der Beklagte und Revisionkläger (das Finanzamt - FA -) nur die auf den Miteigentumsanteil des Klägers entfallenden Absetzung für Abnutzung (AfA) als Betriebsausgaben an. Die auf den Anteil der Klägerin entfallenden AfA ließ das FA nicht zum Abzug zu, weil der Kläger insoweit weder als rechtlicher noch als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen sei.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Es führte in seiner in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 216 (EFG 1978, 216) veröffentlichten Entscheidung aus: Die geltend gemachten AfA-Beträge seien zwar keine Betriebsausgaben des Klägers, da sie nicht eigenes Betriebsvermögen, sondern Privatvermögen der Klägerin beträfen. Sie stellten auch keinen laufenden betrieblichen Aufwand der Klägerin dar, da diese nicht selbständig tätig gewesen sei. Trotzdem seien die anteiligen AfA der Klägerin bei der Zusammenveranlagung zu berücksichtigen. Denn auch die unentgeltliche Überlassung der Eigentumshälfte an den Ehemann diene der Einkunftserzielung, weil sich das gemeinsame Vermögen der Eheleute um die ersparte Miete erhöhe. Im übrigen sei anzunehmen, daß die Klägerin als ausgebildete Zahnärztin die Praxis wieder aufnehmen werde, sobald die familiären Verhältnisse es gestatten würden.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es macht geltend: Die Aufwendungen der Klägerin dienten nicht der Erzielung eigener Einkünfte. Sie seien deshalb nicht als Werbungskosten anzuerkennen. Dem entspreche auch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. Mai 1972 IV R 31/69 (BFHE 106, 79, BStBl II 1972, 699), in welchem der BFH in einem Fall einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung eines PKW für den Betrieb des anderen Ehegatten die auf den PKW entfallenden AfA nicht einkunftsmindernd berücksichtigt habe.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Aufwendungen sind nur dann als Werbungskosten oder als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn sie durch die Erzielung von Einkünften veranlaßt sind. Das gilt auch für AfA (§ 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 1 und 3 Nr. 7, § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG). Im Streitfall ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, weil die Klägerin ihren Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung nicht zur Erzielung eigener Einkünfte genutzt hat.

a) Mit dem FG ist davon auszugehen, daß der Ansatz der AfA als Werbungskosten nicht auf ein Mietverhältnis zwischen den Klägern gestützt werden kann. Voraussetzung hierfür wäre das Vorliegen eines steuerrechtlich anzuerkennenden Mietvertrags (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 31. Januar 1961 I 223/60 U, BFHE 72, 571, BStBl III 1961, 209). Entsprechende Vereinbarungen haben die Kläger aber nach den für den Senat bindenden Feststellungen der Vorinstanz (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) nicht getroffen. Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung i. S. des § 21 Abs. 1 EStG liegen deshalb nicht vor.

Die AfA stellen auch keine Betriebsausgaben der Klägerin in Zusammenhang mit einer freiberuflichen Tätigkeit dar. Denn die Klägerin war im Streitzeitraum nicht als Zahnärztin tätig.

b) Entgegen der Ansicht des FG können die AfA auch nicht als vorweggenommene Werbungskosten oder Betriebsausgaben anerkannt werden. Solche liegen nur dann vor, wenn zwischen den Aufwendungen und einer bestimmten Einkunftsart ein klar erkennbarer Zusammenhang besteht (BFH-Urteil vom 18. Juli 1972 VIII R 12/68, BFHE 106, 513, BStBl II 1972, 930). Eine derartige Beziehung ist im Streitfall zu verneinen.

Auch Anhaltspunkte dafür, daß die Schaffung einer gemeinsamen Zahnarztpraxis beabsichtigt war, sind von den Klägern nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Die bloße Möglichkeit, daß die Klägerin später wieder ihren Beruf aufnimmt, wobei offen bleibt, ob, wann und in welcher Form dies geschieht, reicht für die Annahme vorweggenommener Betriebsausgaben nicht aus.

Der Senat folgt damit im Ergebnis der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung und im Schrifttum nach der die unentgeltliche Überlassung eines Wirtschaftsguts an einen Dritten den Überlassenden nicht zur Vornahme der AfA berechtigt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 24. Februar 1944 IV 125/43, RStBl 1944, 434; BFH-Urteile vom 8. November 1960 I 131/59 S, BFHE 71, 706, BStBl III 1960, 513; vom 26. September 1969 VI R 64/67, BFHE 97, 347, BStBl II 1970, 177; vom 20. November 1973 VIII R 256/72, BFHE 110, 561, 564, BStBl II 1974, 163, 165, unter Hinweis auf das Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministers der Finanzen, Heft 17 Abschn. II Ziff. 223; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 40 j [3] E 102 zu § 2 EStG mit weiteren Nachweisen; ferner Littmann, das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., § 12 Tz. 106-123, § 21 Anm. 19 b; Grieger, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A 1961 S. 81, 84). Ob für den Fall der unentgeltlichen Nießbrauchsbestellung durch den Eigentümer zugunsten eines Dritten etwas anderes gelten kann, obwohl auch hier der Eigentümer von der Nutzung der Einkunftsquelle ausgeschlossen ist (so BFH-Urteil vom 6. Juli 1966 VI 124/65, BFHE 86, 578, BStBl III 1966, 584), kann dahinstehen, weil ein solcher Sachverhalt im Streitfall nicht gegeben ist.

c) Auch der Umstand, daß die Kläger zusammenveranlagte Eheleute sind, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Denn die Zusammenveranlagung führt nur zu einer Zusammenrechnung, nicht aber zu einer einheitlichen Ermittlung der Einkünfte. Eine Einheit bilden die Eheleute lediglich bei der Einkommensermittlung und der Ermittlung des zu versteuernden Einkommensbetrags. Die Einkünfte sind dagegen auch bei zusammenveranlagten Eheleuten grundsätzlich getrennt zu ermitteln, sofern nicht ein Gemeinschafts- oder ein Gesellschaftsverhältnis vorliegt (BFH-Urteile vom 17. Februar 1976 VIII R 4/74, BFHE 118, 322, BStBl II 1976, 378 und vom 23. August 1977 VIII R 120/74, BFHE 123, 333, BStBl II 1978, 8), was hier nicht zutrifft.

Die Vorentscheidung, der andere rechtliche Überlegungen zugrunde liegen, muß deshalb aufgehoben werden.

2. Die Sache ist jedoch nicht entscheidungsreif, weil noch zu prüfen ist, ob der Kläger ein abschreibbares Nutzungsrecht erworben hat.

a) Ein Nutzungsrecht könnte in Betracht kommen, wenn der Kläger die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat und die Klägerin mit der Nutzung der Wohnung als Zahnarztpraxis einverstanden war (vgl. dazu näher BFH-Urteile vom 31. Oktober 1978 VIII R 182/75, BStBl II 1979, 399 und vom 13. Juli 1977 I R 217/75, BFHE 123, 32, BStBl II 1978, 6). Das sich auf den Anteil der Klägerin erstreckende Nutzungsrecht wäre dann wie ein materielles Wirtschaftsgut mit den anteiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen und nach den Grundsätzen des BFH-Urteils VIII R 182/75 abzuschreiben, soweit nicht in der Übernahme der Baukosten für den Miteigentumsanteil der Ehefrau eine Schenkung liegt.

b) Ein in den Betrieb eingelegtes und nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG zu bewertendes Nutzungsrecht könnte gegeben sein, wenn die Klägerin ihren Miteigentumsanteil selbst finanziert und die Nutzung in der Weise gestattet hat, daß der Kläger eine rechtlich gesicherte Position erlangt hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden konnte (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 16. November 1977 I R 83/75, BFHE 124, 501, BStBl II 1978, 386).

Der Einlagefähigkeit eines derartigen Nutzungsrechts stünde nicht entgegen, daß der Kläger seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Denn auch bei dieser Gewinnermittlungsart sind zur richtigen Ermittlung des Gewinns Entnahmen und Einlagen, soweit sie nicht in Geld bestehen und sich dadurch gewinnmäßig ohnehin nicht auswirken, grundsätzlich in gleicher Weise zu berücksichtigen wie bei der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich (vgl. BFH-Urteil vom 16. Januar 1975 IV R 180/71, BFHE 115, 202, BStBl II 1975, 526, 528, mit weiteren Nachweisen).

 

Fundstellen

Haufe-Index 73102

BStBl II 1979, 401

BFHE 1979, 168

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