Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Baubeginn bei wesentlichen Planungsänderungen im Begünstigungszeitraum des § 4b InvZulG 1982

 

Leitsatz (NV)

Der Antrag auf Baugenehmigung ist innerhalb des Begünstigungszeitraums des § 4b InvZulG 1982 gestellt worden, wenn innerhalb dieses Zeitraums Bauunterlagen bei der Baubehörde eingereicht werden, die gegenüber dem in dem vor dem Begünstigungszeitraum gestellten Bauantrag ausgewiesenen Objekt Änderungen aufweisen, die das Gebäude in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen erfassen und es damit nachhaltig verändern.

 

Normenkette

InvZulG 1982 § 4b

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen mit dem Hauptwerk in H und einem Zweigwerk in O.

Sie beantragte mit Bauantrag vom 9. November 1981 die Baugenehmigung für eine Erweiterung (2. Bauabschnitt) einer im Jahre 1980 errichteten Fabrikationshalle in O. Nach den diesem Bauantrag beigefügten Bauplänen sollte die Fabrikationshalle um vier Rasterfelder erweitert werden.

Bevor das zuständige Bauamt über die Baugenehmigung entschieden hatte, reichte die Klägerin im Jahre 1982 geänderte Bauzeichnungen ein, die eine Erweiterung der Fabrikationshalle um fünf Rasterfelder vorsahen. Daraufhin wurde mit Datum vom 16. September 1982 eine Baugenehmigung für die Erweiterung um fünf Rasterfelder erteilt.

Die Klägerin beantragte für die Herstellungskosten für das fünfte Rasterfeld eine Investitionszulage gemäß § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982. Das Finanzamt (FA) lehnte diese Investitionszulage ab, weil die Erweiterung der Fabrikationshalle um das Feld 5 aufgrund des Bauantrags vom 9. November 1981 errichtet worden und ein neuer Bauantrag nicht erforderlich gewesen sei. Der Einspruch blieb erfolglos.

Mit der Klage machte die Klägerin geltend, daß die im November 1981 beantragte Hallenerweiterung um vier Rasterfelder bereits im Dezember 1981 fertiggestellt gewesen sei. Im Frühjahr 1982, also im Begünstigungszeitraum des § 4b InvZulG 1982, habe die Geschäftsleitung beschlossen, dieses fertiggestellte Bauvorhaben in unveränderter Ausführung um ein weiteres fünftes Feld zu erweitern. Die Gleichheit der Bauausführung habe es ermöglicht, daß bereits am 15. März 1982 die Bauunterlagen hätten eingereicht werden können. Diese Gleichheit sowie die Vereinfachung und Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens hätten die Bauaufsichtsbehörde veranlaßt, den Antrag vom 15. März 1982 nicht als selbständigen Antrag, sondern als Nachtrag zu dem noch nicht genehmigten Bauantrag vom 9. November 1981 zu werten. Das ändere nichts daran, daß die Investitionsentscheidung für das streitige Bauvorhaben im Begünstigungszeitraum getroffen und der maßgebende Bauantrag in diesem Zeitraum gestellt worden sei.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 418 veröffentlichten Entscheidung statt. Es begründete diese Entscheidung damit, daß die Klägerin das Bauvorhaben, das Gegenstand des am 9. November 1981 gestellten Bauantrags gewesen sei, innerhalb der Begünstigungsfrist des § 4b InvZulG 1982 wesentlich geändert habe. Damit sei ein mit dem ursprünglich geplanten nicht mehr identisches Bauwerk errichtet worden.

Hiergegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision des FA. Mit der Revision macht das FA geltend, daß es für die Identität zwischen beantragtem und errichtetem Bauvorhaben allein auf die formale Handhabung durch die Bauordnungsbehörden ankommen müsse, da andere objektive Maßstäbe als die des formellen Bauordnungsrechts nicht erkennbar seien. Entscheidend sei somit, daß die Baubehörde für das streitige fünfte Rasterfeld des Erweiterungsbaus einen Bauantrag nicht für erforderlich gehalten, sondern die Baugenehmigung auch insoweit aufgrund des Bauantrags vom 9. November 1981 erteilt habe. Der maßgebende Bauantrag sei daher außerhalb des Begünstigungszeitraums des § 4b InvZulG 1982 gestellt worden.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Offen kann bleiben, ob die Klägerin, wie sie im Klageverfahren und in der Revisionserwiderung vorgetragen hat, die mit Bauantrag vom 9. November 1981 beantragte Erweiterung der Fabrikationshalle um vier Rasterfelder bereits im Jahre 1981 fertiggestellt hat. Das FG hat hierüber keine Feststellungen getroffen. Der Anspruch der Klägerin auf die begehrte Investitionszulage besteht sowohl für den Fall, daß die zunächst geplanten vier Rasterfelder bereits vor dem Begünstigungszeitraum des § 4b InvZulG 1982 fertiggestellt worden sind, als auch für den Fall, daß die Fertigstellung erst in diesem Zeitraum erfolgt ist.

2. Wenn das mit dem Bauantrag vom 9. November 1981 beabsichtigte Bauvorhaben von vier Rasterfeldern bereits im Jahre 1981 durchgeführt worden ist, liegt es auf der Hand, daß mit dem im Begünstigungszeitraum des Jahres 1982 geplanten zusätzlichen fünften Rasterfeld eine neue begünstigungsfähige Investitionsentscheidung (in Form von nachträglichen Herstellungsarbeiten, vgl. § 4b Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1982) getroffen worden ist. Es kann dann keine entscheidende Rolle spielen, daß die Baubehörde die für das fünfte Rasterfeld im Jahre 1982 eingereichten geänderten Pläne nicht als neuen Bauantrag, sondern als Fortführung des alten Bauantrags angesehen hat. Jedenfalls hat sich die Klägerin um eine Baugenehmigung für diese neue Investitionsentscheidung erstmals im Begünstigungszeitraum bemüht, und die Baugenehmigung ist aufgrund dieser Bemühungen auch für das fünfte Rasterfeld erteilt worden. Das muß für die Anwendung des § 4b InvZulG 1982 genügen, da es gerade der Zweck dieser Regelung war, solche neuen Investitionsentscheidungen anzuregen.

3. War hingegen die zunächst geplante Erweiterung der Halle um vier Rasterfelder im Jahre 1981 noch nicht abgeschlossen, so ist die Investitionszulage zu gewähren, weil aufgrund der im Begünstigungszeitraum geplanten Erweiterung um ein fünftes Rasterfeld insgesamt ein Gebäude errichtet worden ist, das mit dem ursprünglich geplanten Erweiterungsbau um vier Rasterfelder nicht identisch ist.

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 14. März 1980 III R 78/78 (BFHE 130, 359, BStBl II 1980, 476) entschieden, daß eine neue Bestellung und Anschaffung eines beweglichen Wirtschaftsgutes vorliegt, wenn das angeschaffte Wirtschaftsgut nicht mit dem ursprünglich bestellten identisch ist. Diese Rechtsprechung zur Anschaffung von beweglichen Wirtschaftsgütern hat der Senat mit Urteil vom 18. Dezember 1986 III R 54/82 (BFHE 148, 570, BStBl II 1987, 454) auf die Herstellung von unbeweglichen Wirtschaftsgütern ausgedehnt. Danach liegen zwei voneinander unterschiedliche Bauvorhaben vor, wenn das tatsächlich errichtete Gebäude gegenüber dem in dem ursprünglichen Bauantrag ausgewiesenen Objekt Änderungen aufweist, die es in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen erfassen und es damit nachhaltig verändern. Unerheblich ist es, wie die Baubehörde die Planungsänderungen formal behandelt hat. Beide Entscheidungen sind zwar zu § 4b InvZulG 1975 ergangen. Sie müssen aber in gleichem Maße für § 4b InvZulG 1982 gelten.

Aus dem zur Selbstverbrauchsteuer ergangenen Urteil des V. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Dezember 1982 V R 120/81 (BFHE 137, 104, BStBl II 1983, 158) kann nichts anderes hergeleitet werden. Dieses Urteil ist auf die Investitionszulage nicht übertragbar und insoweit durch die Rechtsprechung des erkennenden Senats überholt.

Der Senat sieht keinen Anlaß, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen, da der Streitfall keine neuen Gesichtspunkte bietet, die eine andere Auffassung rechtfertigen würden. Er hat bereits in dem Urteil in BFHE 130, 359, BStBl II 1980, 476 darauf hingewiesen, daß sich diese Rechtsprechung sowohl investitionszulageschädlich als auch investitionszulagebegünstigend auswirken kann. Letzteres ist im Streitfall der Fall.

Durch die im Begünstigungszeitraum hinzugekommene Planung eines fünften Rasterfeldes hat sich das ursprünglich auf vier Rasterfelder beschränkte Erweiterungsvorhaben so erheblich geändert, daß es in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen erfaßt und damit wesentlich verändert worden ist. Das zeigt sich schon darin, daß die bebaute Fläche und der Baukörper gegenüber den ursprünglichen Plänen um 25 v.H. vergrößert worden sind. Eine solche Veränderung ist nur denkbar unter wesentlicher Veränderung der Außenmaße, des Aussehens und anderer wesentlicher baurechtlich bedeutsamer Merkmale. Die Klägerin hat daher im Streitjahr zumindest, soweit es um die Kosten für das fünfte Rasterfeld geht, eine neue Investitionsentscheidung getroffen, die nach § 4b InvZulG 1982 begünstigt ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416031

BFH/NV 1989, 457

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