Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen für den Einbau eines Austauschmotors in einen voll abgeschriebenen Lastkraftwagen sind Erhaltungsaufwand.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die in der Rechtsform einer OHG ein Ziegel- und Sandwerk betreibt, erwarb im März 1959 einen neuen LKW für 35 044 DM, den sie, ausgehend von einer vierjährigen Nutzungsdauer, bis zum 31. Dezember 1962 auf 1 DM abschrieb. Im Dezember 1964 ließ sie einen Austauschmotor für 6 850 DM in den LKW einbauen, der am 30. September 1969 aus dem Betriebsvermögen der Klägerin ausschied. Die Kosten setzte sie in ihrer Steuererklärung in voller Höhe als Betriebsausgaben (Erhaltungsaufwand) ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) sah die Kosten für den Austauschmotor als aktivierungspflichtigen Herstellungsaufwand an und ließ für das Jahr 1964 lediglich eine AfA von 1 142 DM zu, wobei es eine dreijährige Restnutzungsdauer zugrunde legte. Das FG schloß sich dieser Auffassung an und wies die Klage mit der Begründung ab, die Aufwendungen der Klägerin für den Austauschmotor nach Ablauf der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer dienten der Verlängerung der Gebrauchsfähigkeit des LKW und seien daher im Gegensatz zu dem Urteil des BFH vom 3. Dezember 1958 I 173/58 U (BFHE 68, 240, BStBl III 1959, 95) - das nur für Aufwendungen innerhalb der buchmäßig vorgesehenen Nutzungszeit gelte - als Herstellungsaufwand anzusehen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision trägt die Klägerin vor, die Anschaffungskosten für den Motor seien im Jahre 1964 in voller Höhe als Betriebsausgaben abzusetzen, da es nur auf die tatsächlichen Gegebenheiten, nicht aber auf die betriebsübliche Nutzungsdauer und den Buchwert ankomme.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Ausgehend von den in dem Urteil I 173/58 U dargestellten Grundsätzen kann der Auffassung des FG nicht gefolgt werden, daß die Kosten des Einbaus eines gebrauchten, überholten Motors (Austauschmotors) als Herstellungsaufwand anzusehen seien. Das FG hat die Aufwendungen für einen nach Ablauf der vorgesehenen Nutzungszeit eingebauten Austauschmotor als Herstellungsaufwand angesehen, weil es bei einem bereits abgeschriebenen Gegenstand keinen Erhaltungsaufwand mehr geben könne. Demgegenüber wird in einem Teil der Literatur (so u. a. Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 10. Aufl., 1972, § 6 Rdnr. 95, 94; Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 16. Aufl., 1973, § 5 EStG Anm. 58 c, d [Stichwort Kraftfahrzeug]; Gübbels und van der Velde nach Gübbels, Handbuch der steuerlichen Abschreibung, 4. Aufl., 1966, S. 21 ff.; Söffing, BB 1961, 1234; Hanraths, FR 1968, 308) die Auffassung vertreten, daß der Charakter der Aufwendungen sich nicht danach bestimme, in welchem Umfang ein Wirtschaftsgut bereits buchmäßig aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden sei, sondern es sei darauf abzustellen, in welchem tatsächlichen Zustand sich ein Wirtschaftsgut befinde. Der BFH hat in seiner Entscheidung I 173/58 U zwar ausdrücklich dahinstehen lassen, wie in den Fällen zu verfahren ist, in denen die Aufwendungen erst nach Ablauf der buchmäßigen vorgesehenen Nutzungszeit gemacht werden. Die in diesem Urteil dargestellten Grundsätze lassen sich jedoch auch auf den Streitfall anwenden. Sie führen auch bei Aufwendungen nach der buchmäßig vorgesehenen Nutzungszeit zu dem Ergebnis, daß Erhaltungsaufwand vorliegt. Es ist in Übereinstimmung mit der o. g. Literatur bei voll abgeschriebenen Wirtschaftsgütern ebenso zu verfahren, wie bei teilweise abgeschriebenen, denn der Charakter der Aufwendungen kann sich nicht danach richten, in welchem Umfang das Wirtschaftsgut rein buchmäßig nicht mehr zum Betriebsvermögen zählt (vgl. Littmann, a. a. O.). Die tatsächliche Nutzungsdauer ist entscheidend dafür, ob ein Wirtschaftsgut dem vollen Verschleiß unterlag und deshalb nur noch wiederhergestellt werden kann, oder ob es durch Einsatz von Reparaturaufwand weiterhin als nutzungsfähiges Wirtschaftsgut erhalten werden kann. Systematisch ist Aufwand seiner Natur nach nur entweder Erhaltungs- oder Herstellungsaufwand. Auch wenn die Grenzen im Einzelfalle fließend sein können (vgl. Urteil des BFH vom 8. März 1966 I 282/63, BFHE 85, 318, BStBl III 1966, 324), so kann jedenfalls eine zufällig richtige oder falsche Schätzung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer das Wesen des Aufwands nicht beeinflussen oder verändern (vgl. Herrmann/Heuer, a. a. O., § 5 EStG Anm. 58 c). Von Bedeutung ist weiter, daß das alte Wirtschaftsgut nur bilanzmäßig auf 1 DM abgeschrieben ist, so daß die Folgerung, durch weitere Aufwendungen entstehe ein neues Wirtschaftsgut, lediglich bilanztechnisch, aber nicht rechtlich begründet ist (vgl. Söffing, a. a. O.). Eine bilanzmäßige Begrenzung des Begriffs des Erhaltungsaufwandes auf die buchmäßige Nutzungszeit ist aber deswegen nicht gerechtfertigt, weil dieser Begriff - von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehend - alle Aufwendungen umschließt, die die Wesensart des Wirtschaftsguts nicht verändern, es in ordnungsmäßigem Zustand erhalten wollen und die wiederkehren. Ein Bereithalten zur Verwendung ist bei einem voll abgeschriebenen ebenso wie bei einem teilweise abgeschriebenen Wirtschaftsgut möglich, wie sich im vorliegenden Fall aus der Tatsache ergibt, daß der LKW noch fast fünf Jahre dem Betrieb diente, obwohl er wegen starken Gebrauchs erhöhtem Verschleiß unterlag. Die Verlängerung der Gebrauchsfähigkeit ist jedoch - entgegen der Auffassung des FG - kein ausschließliches Merkmal für die Annahme von Herstellungsaufwand, sondern kann auch für laufenden, über einen Steuerabschnitt hinausgehenden Erhaltungsaufwand sprechen (vgl. Herrmann/Heuer, a. a. O., § 5 EStG Anm. 58 a, b). Das ist dann der Fall, wenn - wie hier - mit der buchmäßigen Abschreibung kein tatsächlicher Vollverschleiß eingetreten ist, der die dann erforderliche Generalüberholung als Neuherstellung erscheinen ließe, sondern wenn das Ersetzen lediglich die Nutzungsfähigkeit des gesamten Wirtschaftsgutes im Rahmen der Lebensdauer der nicht ergänzten Teile ermöglicht (Urteil des BFH I 173/58 U). Bei größeren Aufwendungen nach Ablauf der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer im Wege des bei Automotoren üblichen Austauschverfahrens ist ebenfalls davon auszugehen, daß der Einbau des Motors weder als Anschaffung eines selbständigen, aktivierungspflichtigen Wirtschaftsguts noch als substanzvermehrende Aufwendung zu werten ist. Der LKW und der jeweils dazugehörige Motor sind ein einheitlich zu bewertendes Ganzes, für das ein einheitlicher Abschreibungssatz gilt. Wenn der Motor, der als ein unselbständiger LKW-Bestandteil mit dem LKW zusammen aktiviert war, für sich allein aber eine geringere Lebensdauer als der LKW im ganzen hat, erneuert wird, liegt Erhaltungsaufwand vor, denn es handelt sich um Instandhaltungsausgaben für das einheitliche Wirtschaftsgut "LKW" (vgl. den allerdings das Wirtschaftsgut "Gebäude" betreffenden Beschluß des BFH vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132). Eine Verlängerung der Nutzungsdauer reicht für eine Aktivierung nicht aus. Durch die für den Austauschmotor aufgewendeten Kosten wird lediglich der normale Materialverschleiß ausgeglichen; neue Nutzungsmöglichkeiten werden nicht geschaffen. Diese substanzerhaltende Bestandteilserneuerung als Erhaltungsaufwand anzusehen, entspricht zudem der Entwicklung, in Zweifelsfällen nicht Herstellungs-, sondern Erhaltungsaufwand anzunehmen.

Die Vorentscheidung war demnach aufzuheben und der Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb 1964 auf 125 054 DM festzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70935

BStBl II 1974, 520

BFHE 1974, 277

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