Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollziehung und Säumniszuschläge; Verjährung, Verwirkung

 

Leitsatz (NV)

1. Die Aussetzung der Vollziehung ist ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, dessen Wirkung sich nur auf die Zukunft erstreckt. Sie ist deshalb nicht das geeignete Mittel, die in der Vergangenheit kraft Gesetzes entstandenen Säumnisfolgen zu beseitigen.

2. Eine Beseitigung von Säumnisfolgen kann nur im Wege der Aufhebung der Vollziehung eines Bescheids erreicht werden.

3. Zur Verjährung und zur Verwirkung von Säumniszuschlägen.

4. Zur Unterbrechung der Verjährung durch schriftliche Zahlungsaufforderung (Konkretisierung des Anspruchs nach Art und Umfang).

 

Normenkette

AO 1977 § § 228 ff., §§ 229, 231 Abs. 1, §§ 240, 361; FGO § 69 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wendet sich im Revisionsverfahren nur noch gegen die Anforderung von Säumniszuschlägen zur Körperschaftsteuer ..., zur Ergänzungsabgabe ... und zur Körperschaftsteuervorauszahlung ..., die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) mit Abrechnungsbescheid ... gegen sie festgesetzt hat.

Die Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer und Ergänzungsabgabe ... betreffen die Abschlußzahlungen aufgrund des geänderten Körperschaftsteuerbescheids ... vom 5. September 1980, die am 8. Oktober 1980 fällig waren. Wegen der Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheids durch Verfügung vom 12. Februar 1981 wurden die Säumniszuschläge vom FA nach den rückständigen Steuerbeträgen für fünf angefangene Monate berechnet.

Die Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuervorauszahlung ... beziehen sich auf die mit Bescheid vom 18. Juli 1983 festgesetzte vierte Vorauszahlung für das Wirtschaftsjahr ..., die nach der dem Bescheid beigefügten Abrechnung am 22. August 1983 fällig war. Die Vorauszahlungsschuld, die mehrmals herabgesetzt und zuletzt auf ... DM festgesetzt worden war, wurde in Höhe von ... DM am 13. Oktober 1983 durch Verrechnung und in Höhe von ... DM durch Zahlung mit Scheck, der nach Darstellung des FA am 23. November 1983 bei ihm eingegangen ist, getilgt. Das FA berechnete die Säumniszuschläge wie folgt: ...

Der Einspruch und die Klage gegen den Abrechnungsbescheid blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führt aus, das FA habe mit dem angefochtenen Abrechnungsbescheid die streitigen Säumniszuschläge zutreffend festgesetzt. Die Fälligkeit der Abschlußzahlungen zur Körperschaftsteuer und Ergänzungsabgabe ..., die unstreitig am 8. Oktober 1980 eingetreten sei, sei erst durch die am 12. Februar 1981 verfügte Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheids mit Wirkung ab diesem Tage aufgehoben worden. Eine rückwirkende Aufhebung der Vollziehung ab Fälligkeitstag lasse sich dem Bescheid entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entnehmen. Die Aussetzungsverfügung stelle einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt dar, dessen Wirkung sich nur auf die Zukunft erstrecke. Daraus folge, daß, soweit der angefochtene Steuerbescheid vor der Gewährung der Aussetzung der Vollziehung bereits vollzogen sei, die schon eingetretenen Rechtsfolgen bestehen blieben. Bestehen blieben somit auch die verwirkten Säumniszuschläge, denn die Verwirkung von Säumniszuschlägen stelle gleichfalls einen Vollzug des Steuerbescheids dar. Die Vollzugsfolgen und damit insbesondere die Säumniszuschläge könnten rückwirkend nur durch die Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids in Wegfall kommen. Das FA habe aber mit Bescheid vom 12. Februar 1981 nur die Aussetzung der Vollziehung der noch offenen Abschlußzahlungen verfügt; die Aufhebung der Vollziehung sei nur hinsichtlich der bereits entrichteten Körperschaftsteuer angeordnet worden. Selbst wenn - wie es verschiedentlich vertreten werde (FG Köln, Beschluß vom 28. Dezember 1988 11 V 117/88, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1989, 240) - eine rückwirkende Aussetzung der Vollziehung durch das FA für möglich erachtet würde, könnte der Bescheid nicht dahingehend ausgelegt werden, daß die Aussetzung der Vollziehung ab Fälligkeitstag angeordnet worden sei. Der Umstand, daß rückwirkend nur die Aufhebung der Vollziehung hinsichtlich der bereits entrichteten Körperschaftsteuer verfügt worden sei, deute im übrigen auf eine Wirkung ex nunc hin. Diese ergebe sich auch daraus, daß nach dem Wortlaut der Verfügung die Verzinsung mit dem Tag der Aussetzung der Vollziehung beginne, sofern - wie hier - die Vollziehung erst nach Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs ausgesetzt werde.

Nicht zu beurteilen sei, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung schon bei Fälligkeit der Körperschaftsteuer und Ergänzungsabgabe ... vorgelegen hätten. Eine solche Prüfung müsse einem gesonderten Erlaßverfahren vorbehalten bleiben. Nur in diesem Zusammenhang könnte die von der Klägerin behauptete Zusage einer Aussetzung der Vollziehung während der Betriebsprüfung, die dem geänderten Körperschaftsteuerbescheid ... vorausgegangen war, von Bedeutung sein. Die Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer und Ergänzungsabgabe ... seien demnach für den Zeitraum ab 9. Oktober 1980 bis 12. Februar 1981 verwirkt worden. Die vom FA vorgenommene Berechnung sei zutreffend.

Hinsichtlich der vierten Vorauszahlung für die Körperschaftsteuer ... habe das FA von der Regelung des § 49 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 37 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Gebrauch gemacht, wonach bei einer nachträglichen Erhöhung der Vorauszahlungen die letzte Vorauszahlung für den Veranlagungszeitraum anzupassen sei. Der Erhöhungsbetrag sei dann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Vorauszahlungsbescheids zu entrichten. Der am 18. Juli 1983 zur Post gegebene Vorauszahlungsbescheid gelte am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Die Vorauszahlung ... sei somit kraft Gesetzes, wie aus der Anlage zum Vorauszahlungsbescheid ersichtlich sei, nach Ablauf eines Monats nach der Bekanntgabe zum 22. August 1983 fällig gewesen. Das FA habe von diesem Zeitpunkt an bis zu den Zeitpunkten der Tilgung der Vorauszahlungen durch Verrechnung und Scheckzahlung die gemäß § 240 Abs. 1 AO 1977 verwirkten Säumniszuschläge zutreffend berechnet.

Die Ansprüche des FA auf die verwirkten Säumniszuschläge seien auch nicht nachträglich durch Zahlungsverjährung oder Verwirkung erloschen. Die Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 228 AO 1977), die mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden sei, beginne (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), sei hinsichtlich der Säumniszuschläge mehrfach unterbrochen worden. Zunächst sei Unterbrechung der Verjährung für die Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer und Ergänzungsabgabe ... durch die Vollstreckungsankündigung vom 19. Februar 1981 bewirkt worden. Danach seien Unterbrechungsmaßnahmen für die streitigen Säumniszuschläge durch das im Schreiben des FA vom 4. Dezember 1984 enthaltene Leistungsgebot zum Abrechnungsbescheid und sodann durch die Zahlungsaufforderung des FA mit Schreiben vom 13. Juni 1989 erfolgt. Hinsichtlich der Verwirkung der Ansprüche könne dahinstehen, ob bereits ihre Nichtgeltendmachung im Zeitraum zwischen der Zahlungsaufforderung vom 4. Dezember 1984 und jener im Schreiben vom 13. Juni 1989 einen hinreichend langen Zeitraum bedeute. Jedenfalls fehle es an einem Vertrauenstatbetand, d.h. an einem bestimmten Verhalten des FA, aufgrund dessen die Klägerin bei objektiver Beurteilung hätte annehmen dürfen, das FA werde die Säumniszuschläge nicht mehr geltend machen. Wenn der Steuerpflichtige gegen einen Steuerbescheid oder - wie hier die Klägerin - gegen einen Abrechnungsbescheid mit Rechtsbehelfen vorgehe, so dürfe er aus dem Umstand, daß der Rechtsbehelf mehrere Jahre unbearbeitet bleibe, nicht schließen, das FA habe die geltend gemachten Ansprüche aufgegeben. Vielmehr könne wegen des Vorhandenseins des Abrechnungsbescheids und der Anhängigkeit des Rechtsbehelfsverfahrens ausgeschlossen werden, daß ein Nachgeben des FA durch bloße Untätigkeit zum Ausdruck komme.

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das FA habe ihr bereits während der Betriebsprüfung, die zu den Steuernachforderungen durch den geänderten Körperschaftsteuerbescheid ... vom 5. September 1980 geführt habe, die Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheids zugesagt. Sie habe im Vertrauen auf eine Aussetzung von Amts wegen sich erst mit Schreiben vom 2. Februar 1981 auf die Zusage der Vollziehungsaussetzung berufen, die dann auch mit Bescheid vom 12. Februar 1981 umgehend erfolgt sei. Der Bescheid enthalte zwar keine ausdrückliche Festlegung, ab welchem Zeitpunkt die Aussetzung der Vollziehung gelte. Aus der darin enthaltenen Regelung, soweit der ausgesetzte Betrag bereits entrichtet ist, wird die Vollziehung hiermit aufgehoben, sei jedoch zu schließen, daß die Aussetzung rückwirkend ab Fälligkeit erfolgt sei. Das folge auch aus der vorausgegangenen Zusage des FA. Wegen der rückwirkenden Beseitigung der Fälligkeit seien keine Säumniszuschläge verwirkt.

Gehe man mit dem FG von einer Aussetzung der Vollziehung ex nunc aus, dann sei der Anspruch auf die Säumniszuschläge verjährt. In der Rückstandsaufstellung vom 7. Juni 1989, die der Zahlungsaufforderung des FA vom 13. Juni 1989 beigefügt worden sei, fehle bei den Säumniszuschlägen zur Körperschaftsteuer jegliche Bezeichnung des Kalenderjahres bzw. das Bescheiddatum. Das Datum in der Spalte Zeitraum entspreche nicht dem jeweiligen Steuerbescheid (hier: Körperschaftsteuer ... vom 5. September 1980). Die angegebenen Daten könnten den genannten Beträgen nicht eindeutig zugeordnet werden. Da sich der geltend gemachte Anspruch nicht zweifelsfrei nach Art und Umfang aus der Rückstandsaufstellung ergebe, habe die Zahlungsaufforderung des FA vom 13. Juni 1989 die Verjährung nicht unterbrechen können. Das FG sei hinsichtlich der Frage der Verjährung seiner Aufklärungspflicht nicht nachgekommen.

Es habe auch die Verwirkung dieses Anspruchs nicht erschöpfend geprüft. Da sie (die Klägerin) bereits mit Schreiben vom 24. Februar 1981 beantragt habe, die Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer in Höhe von ... DM aufzuheben und dieser Betrag in späteren Rückstandsanzeigen nicht erwähnt sei, habe sie davon ausgehen können, daß ihrem Antrag stattgegeben worden sei. Bei steuerlichen Nebenabgaben, die wie Säumniszuschläge nicht durch förmlichen Bescheid festgesetzt würden, entspreche es allgemeinem Rechtsempfinden, daß solche nur beansprucht würden, wenn sie innerhalb angemessener Zeit nicht nur geltend gemacht, sondern auch nachhaltig eingefordert würden. Das sei hier aber zwischen Februar 1981 und Ende 1984 (Abrechnungsbescheid vom 29. November 1984) mehr als drei Jahre lang nicht geschehen. Danach sei seitens des FA hinsichtlich dieser Säumniszuschläge bis zur Zahlungsaufforderung vom 13. Juni 1989 keine Äußerung mehr erfolgt, wodurch sich ihre Annahme verfestigt habe, daß die Säumniszuschläge nicht mehr beansprucht würden. Die zivilrechtliche Verjährungsfrist von vier Jahren für Zinsen (§ 197 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) biete einen weiteren Anhaltspunkt dafür, wann ein Steuerpflichtiger davon ausgehen könne, daß Säumniszuschläge nicht mehr geltend gemacht würden. Das FG habe somit zu Unrecht eine Verwirkung verneint.

Die Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuervorauszahlung ... seien ausgehend von dem ursprünglichen Vorauszahlungsbescheid vom 18. Juli 1983 für insgesamt vier Monate festgesetzt worden, obwohl die Vorauszahlungsbescheide selbst keinen Fälligkeitstermin ausgewiesen hätten. Sie könnten auch deshalb nicht beansprucht werden, weil das FA pflichtwidrig dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung formell nicht entsprochen habe, obwohl es die Vorauszahlungsschuld dann aber mehrfach herabgesetzt habe. Vom Steuerpflichtigen könne aber nicht erwartet werden, daß er Zahlungen leiste, bevor das FA die richtige Höhe der Vorauszahlungen geklärt habe.

Jedenfalls sei auch dieser Anspruch durch Verjährung oder Verwirkung untergegangen. Die Verjährung sei Ende 1989 eingetreten, da das FA zuletzt die Säumniszuschläge mit Schreiben vom 4. Dezember 1984 angefordert habe und es in der als Unterbrechungshandlung angesehenen Zahlungsaufforderung vom 13. Juni 1989 an einer exakten Konkretisierung der Säumniszuschläge fehle. Der Verwirkungstatbestand ergebe sich aus denselben Gründen wie bei den Säumniszuschlägen zur Körperschaftsteuer 1972.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht entschieden, daß die in dem streitbefangenen Abrechnungsbescheid festgesetzten Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer und Ergänzungsabgabe ... sowie zur Körperschaftsteuervorauszahlung ... gemäß § 240 Abs. 1 AO 1977 entstanden sind. Eine Zahlungsverjährung der Ansprüche des FA ist wegen wirksamer Unterbrechungshandlungen (Zahlungsaufforderungen) nicht eingetreten. Die Ansprüche auf die Säumniszuschläge sind mangels Eintritts eines dahingehenden Vertrauenstatbestands bei der Klägerin auch nicht verwirkt.

1. a) Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ist, wenn eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet wird, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen auf 100 DM nach unten abgerundeten Steuerbetrags zu entrichten. Die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids hat zur Folge, daß ab dem Zeitpunkt der Aussetzung keine Säumniszuschläge mehr entstehen, denn die Verwirkung der Säumniszuschläge hat die Vollziehbarkeit des Bescheids zur Voraussetzung (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Juni 1977 V B 41/73, BFHE 122, 258, BStBl II 1977, 645; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 361 Anm. 4). Das FA hat somit im angefochtenen Abrechnungsbescheid die Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer und Ergänzungsabgabe ..., die hinsichtlich der Abschlußzahlungen aufgrund des Bescheids vom 5. September 1980 (unstreitig) am 8. Oktober 1980 fällig waren, wegen der durch Verfügung vom 12. Februar 1981 ausgesprochenen Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheids zutreffend für fünf angefangene Monate festgesetzt.

b) Der von der Klägerin begehrten Freistellung von Säumniszuschlägen wegen rückwirkender Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung kann nicht entsprochen werden.

Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, entspricht es ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, die Aussetzung der Vollziehung (§ 361 Abs. 2 AO 1977, § 69 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) als rechtsgestaltenden Verwaltungsakt zu verstehen, dessen Wirkung sich nur auf die Zukunft erstreckt. Soweit der angefochtene Verwaltungsakt vor der Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung bereits vollzogen ist, bleiben die schon eingetretenen Rechtsfolgen bestehen. Als Vollzug eines Steuerbescheids in diesem Sinne wird jeder Gebrauch seiner Wirkungen, also auch der Anfall von Säumniszuschlägen nach Maßgabe des § 240 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 angesehen (BFH-Beschluß vom 10. Dezember 1986 I B 121/86, BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389, 390 m.w.N.). Die Aussetzung der Vollziehung ist also - entgegen der Auffassung des FG Köln in EFG 1989, 240 - wegen ihrer in die Zukunft gerichteten Wirkungen nicht das geeignete Mittel, die in der Vergangenheit kraft Gesetzes entstandenen Säumnisfolgen zu beseitigen (BFH-Beschluß vom 6. September 1989 II B 33/89, BFH/NV 1990, 670).

Eine Beseitigung der Säumnisfolgen kann aber nach der Rechtsprechung des BFH im Wege der Aufhebung der Vollziehung des Bescheids erreicht werden. Nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen ist. Diese Vorschrift gestattet es auch, die Vollziehung eines Steuerbescheids mit der Folge aufzuheben, daß in der Vergangenheit entstandene Säumniszuschläge entfallen (BFH in BFHE 122, 258, BStBl II 1977, 645; in BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 397, und in BFH/NV 1990, 670, 671). Denn die Ausübung von Druck i.S. von § 240 AO 1977 (zum Charakter der Säumniszuschläge als eines Druckmittels eigener Art vgl. den Beschluß des Großen Senats des BFH vom 8. Dezember 1975 GrS 1/75, BFHE 117, 352, BStBl II 1976, 262) ist nur berechtigt, wenn die Vollziehung eines Steuerbescheids ansteht, der entweder nicht angefochten ist oder bezüglich dessen Anfechtung keine ernstlichen Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen, nicht aber dann, wenn der Steuerbescheid angefochten wird und - wenn auch ggf. nachträglich - ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit von Anfang an festgestellt werden. Auf diesem Wege kann die Verwirkung von Säumniszuschlägen, die kraft Gesetzes erfolgt, rückwirkend - ggf. ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschuld - aufgehoben werden (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 69 FGO Tz. 35, 36; Klein/Orlopp, a.a.O., § 361 Anm. 4). Die Aufhebung der Vollziehung mit der Folge rückwirkender Beseitigung von Säumniszuschlägen kann, obwohl sie in § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO nur für das gerichtliche Aussetzungsverfahren vorgesehen ist, auch im Rahmen eines Aussetzungsverfahrens nach § 361 AO 1977 durch das FA erfolgen (Urteil des erkennenden Senats vom 10. Juli 1979 VII R 72/78, BFHE 128, 429, BStBl II 1979, 698).

Im Streitfall ist aber eine rückwirkende Aufhebung der verwirkten Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer und Ergänzungsabgabe ... nicht erfolgt, weil nach den Feststellungen des FG durch den Bescheid des FA vom 12. Februar 1981 hinsichtlich der rückständigen Abschlußzahlungen keine Aufhebung, sondern nur eine Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids verfügt worden ist. Der Senat ist insoweit an die Feststellungen des FG, die jedenfalls hinsichtlich des Wortlauts der Aussetzungsverfügung von der Revision nicht angegriffen werden, gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Aussetzungsverfügung nicht gegen ihren Wortlaut ausgelegt werden kann. Wenn in dieser hinsichtlich der bereits entrichteten Steuerbeträge, auf die sich die streitigen Säumniszuschläge nicht beziehen, (vordruckmäßig) die Aufhebung der Vollziehung ausgesprochen ist, so folgt daraus - entgegen der Auffassung der Revision - nicht, daß - entgegen dem Wortlaut der Verfügung - auch hinsichtlich der rückständigen Steuerbeträge die Vollziehung des Bescheids nicht nur ausgesetzt, sondern ebenfalls aufgehoben worden sei. Aus der Verwendung der unterschiedlichen Begriffe Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung durch das FA in derselben Verfügung für die verschiedenen Steuerteilbeträge muß vielmehr gefolgert werden, daß die damit verbundenen unterschiedlichen Rechtsfolgen hinsichtlich der Wirksamkeit der Maßnahmen ex nunc bzw. ex tunc von der Behörde auch beabsichtigt waren. Der Hinweis in der Verfügung, wonach in dem hier vorliegenden Fall der Aussetzung der Vollziehung nach Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs die Verzinsung mit dem Tag der Aussetzung der Vollziehung beginnt (vgl. § 237 Abs. 2 Satz 2 AO 1977), spricht wegen des sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen Säumniszuschlägen und Aussetzungszinsen ebenfalls dafür, daß die verwirkten Säumniszuschläge bis zum Zeitpunkt der Aussetzung der Vollziehung bestehen bleiben sollten.

c) Die Klägerin kann sich für die Aufhebung der verwirkten Säumniszuschläge nicht mit Erfolg darauf berufen, daß das FA ihr die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheids bereits vor seinem Erlaß zugesagt und sie sich im Vertrauen darauf erst mit Schreiben vom 2. Februar 1981 mit dem Aussetzungsbegehren an das FA gewandt habe. Im vorliegenden Verfahren über den Abrechnungsbescheid über die nach § 240 Abs. 1 AO 1977 verwirkten Säumniszuschläge (§ 218 Abs. 2 AO 1977) kommt es allein darauf an, ob und ab welchem Zeitpunkt die Vollziehung des Steuerbescheids über die rückständigen Steuerbeträge tatsächlich ausgesetzt worden ist. Eine nicht realisierte frühere Aussetzungszusage ist für die kraft Gesetzes entstehenden Säumniszuschläge ebenso unerheblich wie die Frage, ab welchem Zeitpunkt die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung vorgelegen haben und ob auch eine Aufhebung der Vollziehung in Betracht gekommen wäre.

2. Für die Körperschaftsteuervorauszahlung ... ergibt sich die Fälligkeit und damit der Beginn des Zeitraums der Säumnis aus dem Gesetz. Da es sich - wie das FG festgestellt hat - um den Fall einer Anpassung der letzten Voraussetzung für den Veranlagungszeitraum handelte, war der Erhöhungsbetrag innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Vorauszahlungsbescheids zu entrichten (§ 49 KStG i.V.m. § 37 Abs. 4 EStG). Die Fälligkeit ist danach nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des FG, auf die verwiesen wird, am 22. August 1983 eingetreten. Der gesetzliche Fälligkeitszeitpunkt ergab sich überdies nach den den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) auch aus der Anlage zum Vorauszahlungsbescheid. Das FA hat die gemäß § 240 Abs. 1 AO 1977 verwirkten Säumniszuschläge zutreffend ab diesem Zeitpunkt bis zu den Zeitpunkten der Tilgung der Vorauszahlung durch Verrechnung in Höhe von ... DM am 13. Oktober 1983 und durch Scheckzahlung in Höhe von ... DM am 23. November 1983 berechnet. Der hierfür festgestellte Zeitpunkt des Eingangs des Schecks beim FA wird von der Revision nicht mehr bestritten. Für die Berechnung der Säumniszuschläge ist das FA von der Vorauszahlungsschuld von ... DM ausgegangen, die nach mehreren Steuerherabsetzungen zuletzt festgesetzt worden ist. Die Klägerin kann sich somit - abgesehen davon, daß eine Aussetzung der Vollziehung nicht erfolgt ist - nicht darauf berufen, das FA hätte wegen der zunächst höher festgesetzten Vorauszahlungsschuld die Vollziehung des Bescheids antragsgemäß aussetzen müssen. Gegen die Richtigkeit des zuletzt festgesetzten Vorauszahlungsbetrages von ... DM, nach dem die Säumniszuschläge festgesetzt worden sind, sind von der Revision keine Einwendungen erhoben worden. Der Verwirkung von Säumniszuschlägen steht wegen ihrer Entstehung kraft Gesetzes auch nicht entgegen, daß die Höhe der festgesetzten Schuld zwischen den Beteiligten streitig war.

3. Die zutreffend festgesetzten Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer und Ergänzungsabgabe ... und zur Körperschaftsteuervorauszahlung ... sind nicht durch Verjährung erloschen.

Die fünfjährige Zahlungsverjährung (§ 228 AO 1977), die mit Ablauf der Kalenderjahre, in denen die Ansprüche auf die Säumniszuschläge erstmals fällig geworden sind - hier 1980 und 1983 (vgl. oben 1. a) und 2.) - zu laufen begonnen hat (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), ist nach den Feststellungen des FG mehrfach unterbrochen worden (§ 231 Abs. 1 AO 1977), und zwar durch Vollstreckungsankündigung vom 19. Februar 1981 (bedeutsam nur für die Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer und Ergänzungsabgabe ...), durch das im Schreiben des FA vom 4. Dezember 1984 enthaltene Leistungsgebot zum Abrechnungsbescheid und durch die Zahlungsaufforderung des FA vom 13. Juni 1989. Da mit jeder Unterbrechungshandlung nach Ablauf des entsprechenden Kalenderjahres eine neue Verjährungsfrist beginnt (§ 231 Abs. 3 AO 1977), ist die Verjährung der Ansprüche noch nicht eingetreten.

Die Revision wendet sich zu Unrecht gegen die Annahme einer Verjährungsunterbrechung durch die Zahlungsaufforderung vom 13. Juni 1989 mit der Begründung, in diesem Schreiben des FA und der ihm beigefügten Anlage (Rückstandsanzeige) vom 7. Juni 1989 seien die rückständigen Ansprüche auf die Säumniszuschläge nicht hinreichend konkretisiert. Gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 wird die Verjährung durch schriftliche Geltendmachung des Anspruchs unterbrochen. Schriftlich geltend gemacht wird der Anspruch von der Finanzbehörde insbesondere durch das schriftliche Leistungsgebot, die schriftliche Mahnung und durch jedes andere Schreiben, das den Steuerpflichtigen zur Zahlung auffordert. Aus diesen Schreiben müssen sich Art und Umfang des geltend gemachten Anspruchs ergeben. Mögliche Zweifel an Art und Umfang des geltend gemachten Anspruchs schließen die Unterbrechungswirkung nicht generell aus; es genügt, wenn sich Zweifel im Wege der Auslegung beheben lassen (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 231 AO 1977 Tz. 5 m.w.N.). Der Senat hat aufgrund der von der Klägerin selbst gegebenen Darstellung der hier maßgeblichen Rückstandsanzeige vom 7. Juni 1989, die der Zahlungsaufforderung vom 13. Juni 1989 beigefügt war, keine Zweifel, daß die Klägerin aus dieser Anzeige Art und Umfang der Ansprüche des FA auf die streitigen Säumniszuschläge ohne Schwierigkeiten entnehmen konnte. Es bedarf deshalb insoweit nicht der Zurückverweisung an das FG zur weiteren Sachaufklärung.

Wie die Revision selbst vorträgt, wurden in der Rückstandsanzeige vom 7. Juni 1989 u.a. Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer geltend gemacht. Die dort aufgeführten Beträge waren der Klägerin bereits bekannt und ließen sich ohne weiteres den Körperschaftsteuerschulden bestimmter Kalenderjahre bzw. Vorauszahlungszeiträume zuordnen, da sie unter genauer Angabe des jeweiligen Betrags, der Zeitdauer der Säumnis und der rückständig gebliebenen Hauptschuld aus der (Berechnungs-) Anlage zu dem hier streitigen Abrechnungsbescheid vom 29. November 1984 hervorgingen. Dasselbe gilt auch für die streitigen Säumniszuschläge zur Ergänzungsabgabe zur Körperschaftsteuer .... Da diese Säumniszuschläge zwischen den Beteiligten streitig waren und der Abrechnungsbscheid mit dem Einspruch angefochten war, konnte die Klägerin bei Zugang der späteren Zahlungsaufforderung vom 13. Juni 1989 über die Zuordnung der Säumniszuschläge zur jeweiligen Körperschaftsteuerschuld auch dann nicht im Zweifel sein, wenn die beigefügte Rückstandsaufstellung keine Angaben zum Veranlagungszeitraum bzw. Vorauszahlungszeitraum der zugehörigen Hauptschuld enthielt. Sie hätte etwaige Unklarheiten jedenfalls leicht unter Heranziehung des ihr vorliegenden Abrechnungsbescheids beseiti- gen können. Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, daß die in der Rückstandsaufstellung vom 7. Juni 1989 angegebenen Zeitdaten nicht mit den Daten der jeweiligen Steuerbescheide übereinstimmten. Nach dem von der Klägerin nicht bestrittenen Vorbringen in der Revisionserwiderung des FA wiesen die in der Rückstandsaufstellung genannten Daten die Fälligkeit der jeweils rückständig gebliebenen Hauptschuld aus, so daß sich auch daraus ein Bezug der bekanntgegebenen Säumniszuschläge zu der zugehörigen Hauptschuld ergab. Da sich somit hinsichtlich der hier noch streitigen Säumniszuschläge aus dem Schreiben des FA vom 13. Juni 1989 bezüglich Art und Umfang der geltend gemachten Ansprüche aus der Sicht der Klägerin keine vernünftigen Zweifel ergeben konnten, ist die Verjährung der Ansprüche auch durch die letzte Zahlungsaufforderung des FA wirksam unterbrochen worden.

4. Die Ansprüche des FA auf die Säumniszuschläge sind auch nicht durch Verwirkung erloschen.

Das Rechtsinstitut der Verwirkung als Ausfluß der auch im öffentlichen Recht (Steuerrecht) geltenden Grundsätze von Treu und Glauben setzt voraus, daß ein Berechtigter durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand dergestalt geschaffen hat, daß nach Ablauf einer gewissen Zeit die Geltendmachung seines Rechts als illoyale Rechtsausübung empfunden werden muß (Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO 1977 Tz. 67 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Das FG hat zu Recht entschieden, daß es im Streitfall an einem Vertrauenstatbestand, d.h. an einem bestimmten Verhalten des FA, aufgrund dessen die Klägerin bei objektiver Beurteilung hätte annehmen dürfen, das FA würde die Säumniszuschläge nicht mehr geltend machen, fehlt. Allein auf das Zeitmoment, d.h. hier auf die Zeiträume zwischen den einzelnen Zahlungsaufforderungen, kann also entgegen der Auffassung der Revision für die Frage der Verwirkung nicht abgestellt werden.

Der Schaffung eines Vertrauenstatbestands durch das FA und dementsprechend einer Vertrauensfolge bei der Klägerin, die Säumniszuschläge würden nicht mehr geltend gemacht, steht insbesondere entgegen, daß diese Ansprüche zwischen den Beteiligten streitig waren, was zum Ergehen des Abrechnungsbescheids vom 29. November 1984 geführt hat, und daß gegen diesen Abrechnungsbescheid ein Rechtsbehelfsverfahren anhängig war. Solange das FA über ihren Einspruch nicht entschieden hatte, konnte die Klägerin nicht davon ausgehen, daß es auf die Geltendmachung der Säumniszuschläge verzichten werde. Das gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall - die Bearbeitung des Rechtsbehelfs mehrere Jahre ruht. Jedenfalls sind keinerlei Handlungen des FA festgestellt oder behauptet worden, aus denen ein Verzicht der Behörde hergeleitet werden könnte. Auch wenn die Klägerin - wie sie vorträgt - mit Schreiben vom 24. Februar 1981 beantragt hat, die Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer ... in Höhe von ... DM aufzuheben, konnte sie ohne eine darauf hindeutende Verhaltensweise des FA nicht davon ausgehen, daß ihrem Antrag (stillschweigend) stattgegeben worden sei. Daß in nachfolgenden Rückstandsanzeigen über andere Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis diese Säumniszuschläge nicht aufgeführt worden sind, stellt eine derartige Verhaltensweise nicht dar. In dem Abrechnungsbescheid vom 29. November 1984 sind die Säumniszuschläge jedenfalls wieder aufgenommen worden.

5. Soweit die Revision davon ausgeht, nach dem allgemeinen Rechtsempfinden könnten steuerliche Nebenleistungen, über die - wie bei Säumniszuschlägen - kein förmlicher Bescheid ergeht, nur beansprucht werden, wenn sie innerhalb angemessener Zeit nicht nur geltend gemacht, sondern auch nachhaltig angefordert würden, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die AO 1977 enthält keine Sonderregelungen über die Geltendmachung und Durchsetzung steuerlicher Nebenleistungen. Die bürgerlich-rechtliche Regelung über die vierjährige Verjährungsfrist für rückständige Ansprüche auf Zinsen (§ 197 BGB) kann im Streitfall nicht herangezogen werden, weil die Verjährung der Säumniszuschläge in der AO 1977 geregelt ist (vgl. oben 3.) und für die Frage der Verwirkung - wie ausgeführt - der Zeitablauf allein nicht maßgebend ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419132

BFH/NV 1994, 4

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