Leitsatz (amtlich)

Die Steuerbefreiung gemäß § 8 Nr. 5 des Hamburgischen GrEStG 1966 setzt voraus, daß die Wohnung beim Erwerb in dem grundsteuerbegünstigten Zustand zum Bewohnen durch den Eigentümer oder seine Angehörigen bestimmt ist. Der Wohnungserwerber hat eine erhöhte prozessuale Mitwirkungspflicht bei der Klärung der Frage, welche Nutzung der Wohnung bei deren Erwerb beabsichtigt war.

 

Normenkette

GrEStG Hamburg 1966 § 8 Nr. 5

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) kaufte durch zwei Verträge vom 19. Oktober 1972 zwei Eigentumswohnungen in einem Haus, und zwar die ungefähr 130 qm große Wohnung Nr. 12 und die daneben liegende 91 qm große Wohnung Nr. 13.

Durch Bescheid vom 18. Dezember 1972 erkannte das Bezirksamt die im Bau befindlichen Wohnungen als steuerbegünstigte Wohnungen im Sinne des § 82 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) an.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte auf Antrag des Klägers den Erwerb der beiden Wohnungen gemäß § 8 Nr. 5 des (Hamburger) Grunderwerbsteuergesetzes 1966 (GrEStG 1966) von der Grunderwerbsteuer frei. In den Freistellungsbescheiden ist darauf hingewiesen, daß die Grunderwerbsteuer nacherhoben werde, falls nicht innerhalb von zwei Jahren nach Erhalt des Bescheides bzw. nach Bezugsfertigkeit der Nachweis erbracht werden sollte, daß dem Kläger die Grundsteuervergünstigung zusteht, oder wenn sich ergeben sollte, daß die Eigentumswohnung vom Kläger oder von einem seiner Angehörigen nicht bezogen worden sei.

Die Wohnungen wurden am 21. Dezember 1973 und am 25. Januar 1974 bezugsfertig. Die Wohnung Nr. 13 wurde bis zum August 1974 von der Mutter des Klägers bewohnt. In die Wohnung Nr. 12 zog der Kläger selbst ein. Nach dem Auszug der Mutter ließ der Kläger beide Wohnungen durch einen Durchgang miteinander verbinden und benutzte beide Wohnungen als eine Einheit. Daraufhin widerrief das Bezirksamt Hamburg-Nord die Anerkennung der Wohnungen als steuerbegünstigt im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes mit Wirkung vom 1. Oktober 1974. Der Widerruf wurde damit begründet, daß durch die Verbindung beider Wohnungen eine Wohnungseinheit von insgesamt 229,10 qm entstanden und damit die nach § 82 Abs. 1 und § 39 Abs. 1 II. WoBauG zulässige Wohnfläche von 144 qm um 85,10 qm überschritten sei.

Durch zwei Bescheide vom 18. Februar 1975 setzte das FA für den Erwerb der beiden Wohnungen Grunderwerbsteuer unter Hinweis auf § 13 Abs. 3 GrEStG 1966 fest. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.

Die Klage gegen die beiden Steuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen wies das Finanzgericht (FG) ab. Die Grunderwerbsteuer sei nachzuerheben, weil die Grundsteuervergünstigung nachträglich weggefallen sei.

Gegen das vorgenannte Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Er beantragt, die Vorentscheidungen und die Steuerbescheide aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Gemäß § 13 Abs. 3 GrEStG 1966 unterliegt der Erwerb einer Eigentumswohnung der Steuer, wenn nach Ablauf der Frist von zwei Jahren festgestellt wird, daß die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht gegeben sind. Nach der Überschrift des § 13 GrEStG 1966 handelt es sich hierbei zwar um eine "Nacherhebung der Grunderwerbsteuer". Der Wortlaut des § 13 Abs. 3 GrEStG 1966 ("wenn ... festgestellt wird, daß die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht gegeben sind") läßt jedoch erkennen, daß diese "Nacherhebung" nur auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erwerbes abstellt und daher nicht einen erst später entstehenden Nacherhebungstatbestand schafft. Im einzelnen wird auf das Urteil vom 25. Oktober 1978 II R 161/75 (BFHE 126, 235, BStBl II 1979, 83) verwiesen.

Die angefochtenen Steuerbescheide über die Nacherhebung sind deshalb unter dem Blickwinkel zu überprüfen, ob bei Abschluß der Kaufverträge am 19. Oktober 1972 die Voraussetzungen des § 8 Nr. 5 GrEStG 1966 vorlagen. Der bisher festgestellte Sachverhalt erlaubt hierüber keine Entscheidung.

1. Zunächst ist bei dieser gegenüber dem FG-Urteil geänderten Betrachtungsweise zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, daß Bescheide des FA ergangen waren, durch welche die Kaufverträge über die Eigentumswohnungen von der Grunderwerbsteuer freigestellt wurden. Die angefochtenen Steuerbescheide vom 18. Februar 1975 konnten demnach nur unter der Voraussetzung des § 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) a. F. ergehen. Der Hinweis auf eine mögliche "Nacherhebung" der Steuer war keine Kennzeichnung der Freistellungsbescheide gemäß § 100 Abs. 1 AO a. F. Ebenso lagen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 oder § 4 Abs. 3 Nr. 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) nicht vor. Mit dem Widerruf der Grundsteuervergünstigung ist keine Bedingung eingetreten, unter der die materielle Grunderwerbsteuerbefreiung wegfiel. Ebenso liegt kein Merkmal vor, das im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG für die Vergangenheit weggefallen wäre.

Ob eine Berichtigung der Freistellungsbescheide gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO a. F. möglich war, kann der Senat mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen nicht selbst prüfen.

2. § 8 Nr. 5 GrEStG 1966 setzt voraus, daß die erworbenen Wohnungen Nrn. 12 und 13 grundsteuerbegünstigt sind, d. h. daß dem Kläger hierfür Grundsteuervergünstigung zusteht (§ 9 Abs. 2 GrEStG 1966). Die Wohnungen sind durch Bescheid vom 18. Dezember 1972 als grundsteuerbegünstigt anerkannt worden. Allerdings ist später - aber erst mit Wirkung vom 1. Oktober 1974 - diese Anerkennung widerrufen worden. Bei Abschluß der Kaufverträge waren daher die Wohnungen grundsteuerbegünstigt. Außerdem verlangt § 8 Nr. 5 GrEStG 1966 jedoch, daß die erworbene Eigentumswohnung zum Bewohnen durch den Wohnungseigentümer oder seine Angehörigen bestimmt ist. Entsprechend dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die Bildung von Eigentum an eigengenutztem grundsteuerbegünstigtem Wohnraum zu fördern, muß die Wohnung demnach beim Erwerb in dem grundsteuerbegünstigten Zustand zum Bewohnen bestimmt sein. Das Wort "bestimmt" bezeichnet einen auf Dauer beabsichtigten Zustand. So kann eine Wohnung auch dann zur eigenen Nutzung bestimmt sein, wenn sie vorübergehend an Fremde vermietet wird (Urteil vom 23. Juli 1975 II R 117/74, BFHE 117, 92, BStBl II 1976, 28). Ebenso kann umgekehrt eine von dem Erwerber bezogene und als grundsteuerbegünstigt anerkannte Wohnung nicht im Sinne des § 8 Nr. 5 GrEStG 1966 zum Bewohnen durch den Eigentümer bestimmt sein, wenn die Räume nur vorübergehend zum Wohnen und später gewerblich genutzt werden und diese letztgenannte Nutzung von Anfang an beabsichtigt war.

Auf den vorliegenden Fall angewandt bedeutet dieser vorgenannte Grundsatz, daß die Voraussetzungen des § 8 Nr. 5 GrEStG 1966 nur dann erfüllt sind, wenn beim Erwerb die Wohnung Nr. 12 zum Bewohnen durch den Kläger und die Wohnung Nr. 13 zum Bewohnen durch die Mutter des Klägers bestimmt war. Hatte der Kläger dagegen diese Art der Nutzung nur als vorübergehend beabsichtigt und als endgültige Lösung die Zusammenlegung der beiden Wohnungen angestrebt, dann waren die Wohnungen in einem nicht grundsteuerbegünstigten Zustand zum Bewohnen durch den Kläger bestimmt; denn durch die Zusammenlegung überschritt ihre Wohnfläche die Grenze des § 82 Abs. 1 und des § 39 Abs. 1 II. Wo-BauG.

Welche auf Dauer angelegte Absicht der Kläger bei dem Erwerb der Wohnungen hinsichtlich deren Verwendung hatte, läßt der bisher vom FG festgestellte Sachverhalt nicht erkennen. Nach der Rechtsauffassung dieses Gerichtes kam es hierauf auch gar nicht an, wie in dem vorletzten Absatz der Gründe des angefochtenen Urteils ausdrücklich hervorgehoben wird. Dem FG genügte der Umstand, daß die Grundsteuervergünstigung nachträglich weggefallen war.

Da die beiden Wohnungen bereits etwa acht Monate nach Bezugsfertigkeit zusammengelegt wurden, ist ihre anfänglich getrennte Benutzung kein Anhalt dafür, daß sie vom Kläger auf Dauer beabsichtigt war. Bisher sind keine nachträglich eingetretenen Gründe ersichtlich, welche den Kläger hätten veranlassen können, nach so kurzer Zeit seine ursprünglichen Pläne zu ändern und die von ihm bezogene 130 qm große Wohnung um 91 qm - also nahezu dreiviertel - zu vergrößern. Daß nach seinem Vortrag eine Vermietung der leerstehenden Eigentumswohnung Nr. 13 nicht "in Frage" kam, reicht nicht aus. Denn ohne triftigen Grund wird niemand nach kurzer Zeit seine Wohnung so erheblich vergrößern, es sei denn, daß dies von Anfang an seinen Wohnbedürfnissen entsprechend eingeplant war. Den Kläger trifft hier eine erhöhte prozessuale Mitwirkungspflicht; denn nur er kann über seine Absichten bei Erwerb der Wohnung Auskunft geben. Er wird daher insbesondere überzeugend darlegen müssen, inwiefern eine Vermietung der Wohnung Nr. 13 nicht in Frage kam und er gezwungen war, diesen zusätzlichen Wohnraum selbst zu übernehmen, obwohl er ihn beim Erwerb für seine eigenen Wohnbedürfnisse nicht für erforderlich gehalten hatte.

Mit dieser Entscheidung werden weder der vom FA besteuerte Sachverhalt noch der Gegenstand des anhängigen Verfahrens ausgetauscht. Die Steuer gemäß § 8 Nr. 5 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 GrEStG 1966 wird nur aufgrund des Erwerbes (Kaufvertrages) und nicht aufgrund eines zusätzlichen später eintretenden tatsächlichen Ereignisses erhoben. Damit unterscheidet sie sich von der Steuer, die z. B. gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 des Schleswig-Holsteinischen Grunderwerbsteuerbefreiungsgesetzes 1974 wegen Aufgabe des begünstigten Zweckes erhoben wird. Dort kann - anders als im vorliegenden Fall - dieselbe Steuer Gegenstand verschiedener Verfahren sein (Urteil vom 14. März 1979 II R 97/78, BFHE 127, 554, BStBl II 1979, 526).

Die nicht spruchreife Sache geht zurück an das FG zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73481

BStBl II 1980, 339

BFHE 1980, 77

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