Leitsatz (amtlich)

Zahlt der neue Mieter von Geschäftsräumen dem bisherigen Inhaber einen Zuschuß dafür, daß er dessen branchenfremdes Warenlager nicht zu übernehmen und - möglicherweise verlustbringend - zu verwerten braucht, so ist der Zuschuß weder als Wirtschaftsgut noch als Rechnungsabgrenzungsposten zu aktivieren.

 

Normenkette

EStG 1962 ff. § 4 Abs. 4; EStG 1962 ff. § 5; EStG 1962 ff. § 6 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt ein Oberbekleidungskaufhaus. Er schloß im Jahre 1961 mit den beiden Inhabern eines anderen Geschäftshauses einen nicht datierten Mietvertrag über deren Geschäftsräume. Das Mietverhältnis begann am 1. Januar 1962. Es war für 25 Jahre unkündbar vereinbart. Der monatliche Mietpreis betrug 2 800 DM. Der Kläger war zu Umbauten berechtigt. Da er das branchenfremde Warenlager der Vermieter nicht übernehmen wollte, vereinbarten die Vertragsparteien, daß die Vermieter im Herbst 1961 selbst noch den Totalausverkauf durchführen sollten, um dem Kläger die Geschäftsräume ab Jahresbeginn 1962 überlassen zu können. In einem gleichfalls nicht datierten Anhang zum Mietvertrag verpflichteten sich der Kläger und seine Ehefrau gegenüber den Vermietern, "für den zu erwartenden Verlust bei der Veräußerung der Waren einen fixen Betrag von 20 000 DM zu bezahlen, unabhängig davon, ob der Totalausverkauf finanzielle Vor- oder Nachteile bringt". Vor Beginn des Ausverkaufs hatte der Kläger den Betrag von 20 000 DM bei einer Bank zu hinterlegen. Der Kläger übernahm die Geschäftsräume vertragsgemäß zu Anfang des Jahres 1962. Im selben Zeitpunkt wurde der Betrag von 20 000 DM an die Vermieter überwiesen. Die Geschäftstätigkeit nahm der Kläger Anfang März 1962 in den neuen Räumen auf.

Bei den Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre (1962 bis 1964) behandelte der Beklagte und Revisionskläger (FA) zunächst - erklärungsgemäß - die Zahlung des Betrages von 20 000 DM als Aufwand für einen Firmenwert, ließ aber die sofortige Abschreibung dieses Postens zu. Aufgrund einer Betriebsprüfung, die im Jahre 1966 stattfand, aktivierte das FA den Betrag als verlorenen Zuschuß zur Erlangung des Mietrechts und verteilte ihn durch gleichmäßige Abschreibungen auf die Dauer des Mietvertrages. Die jährliche Abschreibung betrug deshalb in den Streitjahren je 800 DM. Dementsprechend erließ das FA berichtigte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1962 bis 1964. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das FG gab der Klage, mit der die Abzugsfähigkeit der Zahlung von 20 000 DM als Betriebsausgabe des Jahres 1962 begehrt wurde, statt. Es führte aus, durch die Zahlung dieses Betrages habe der Kläger zwar insofern einen betrieblichen Vorteil erlangt, als er sichergestellt habe, die gemieteten Geschäftsräume zum 1. Januar 1962 tatsächlich in Besitz nehmen zu können. Dieser Vorteil sei aber bereits im Jahre 1962 verbraucht gewesen. Er stelle kein Wirtschaftsgut dar (Hinweis auf Entscheidungen des BFH vom 2. März 1970 GrS 1/69, BFHE 98, 360, BStBl II 1970, 382; vom 29. Juli 1970 I 130/65, BFHE 100, 32, BStBl II 1970, 810). Die Zahlung habe es den Vermietern ermöglicht, den Räumungsverkauf zu einem für sie annehmbaren Ergebnis durchzuführen. Angesichts der durch die Übernahme der Räume zu erwartenden (und auch tatsächlich eingetretenen) Umsatzsteigerungen im Geschäft des Klägers hätte jeder einsichtige Kaufmann einen solchen einmaligen Betrag zusätzlich gezahlt, um die Gefahr einer verzögerten Freigabe der Mieträume und eines etwa notwendigen Zivilprozesses zu bannen. Die Zahlung der genannten Summe stelle keinen aktivierungspflichtigen Mieterzuschuß dar. Denn ein solcher Zuschuß diene dem Zweck, Aufwendungen des Vermieters für die Mietsache abzudecken. Dafür sei aber im Streitfall kein Raum gewesen, weil solche Aufwendungen nach dem Mietvertrag zu Lasten des Mieters gegangen seien. Auch habe es sich nicht um Mietvorauszahlungen gehandelt. Die Jahresmiete von 33 600 DM sei angemessen gewesen. Schließlich habe die Ausgabe nicht, wie das FA annehme, der Erlangung des besonders lang befristeten Mietrechts des Klägers gedient. Es sei nicht ersichtlich, daß der Kläger das Mietrecht nur deshalb erlangt habe, weil er diesen zusätzlichen Betrag bezahlt habe. Die in dem Anhang zum Mietvertrag für die Zahlung gegebene Begründung sei einleuchtend. Aus den Umständen ergebe sich, daß die Zahlung für einen etwaigen Verlust der Vermieter bei dem beschleunigten Ausverkauf gedacht gewesen sei, da der Kläger das Warenlager der Vermieter nicht habe übernehmen wollen.

Das FA beantragt in seiner Revision die Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage. Es rügt mangelnde Sachaufklärung und Verletzung sachlichen Rechts. Das FG habe in tatsächlicher Hinsicht nicht beachtet, daß die Vermieter eine Anzeige in der Zeitschrift "Textil-Wirtschaft" aufgegeben hätten, wonach ein Mieter ihrer Geschäftsräume den Warenbestand käuflich übernehmen müsse. Die einmalige Zahlung des fixen Betrages sei die Voraussetzung für das Zustandekommen des Mietvertrages gewesen. Der Kläger habe von Anfang an gewußt, daß die Regelung der Übernahme eines branchenfremden Warenlagers noch etwas kosten werde und daß er als Kaufmann mit der Zahlung einen Vorteil habe einhandeln wollen. Es werde bestritten, daß die Zahlung des Betrages zu dem Zweck vorgenommen worden sei, die Mieträume pünktlich oder beschleunigt nutzen zu können. Eine Fehlmaßnahme liege nicht vor.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung kann keinen Erfolg haben. Das FG ist wie das FA davon ausgegangen, daß der Kläger das ihm branchenfremde Warenlager hätte übernehmen und selbst im Wege eines Ausverkaufs versilbern müssen, wenn er nicht mit den Vermietern die zusätzliche Abrede getroffen hätte, daß das Warenlager noch von den Vermietern selbst zu verwerten sei und daß deshalb die Vermieter den Betrag von 20 000 DM erhalten sollten. Das FG hat diesen Sachverhalt nur anders gewürdigt als das FA. Wenn das FA hieraus den Schluß gezogen hat, daß die Zahlung der genannten Summe Voraussetzung für das Zustandekommen des Mietvertrages gewesen sei, so handelt es sich insoweit um eine Wertung des Sachverhalts. Die von der Vorinstanz getroffenen tatsächlichen Feststellungen binden den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO).

2. Die Vorentscheidung ist auch in sachlich-rechtlicher Hinsicht im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Kläger braucht den an die Vermieter geleisteten Zuschuß nicht zu aktivieren, da dieser bei ihm weder zur Entstehung eines Wirtschaftsguts noch eines Rechnungsabgrenzungspostens geführt hat.

a) Wenn ein Kaufmann zur Erlangung eines konkreten betrieblichen Vorteils einen einmaligen Betrag aufwendet, der im Rahmen der sonstigen Aufwendungen des Betriebs nicht unbedeutend ist und sich klar und einwandfrei von den übrigen Aufwendungen abgrenzen läßt, so stellt dieser Vorteil dann ein Wirtschaftsgut dar, wenn die Aufwendungen dem Kaufmann einen sich über mehrere Wirtschaftsjahre erstreckenden greifbaren Nutzen bringen (vgl. BFH-Urteil vom 29. April 1965 IV 403/62 U, BFHE 82, 461, BStBl III 1965, 414; BFH-Beschluß GrS 1/69; BFH-Urteil vom 24. August 1971 VIII R 17/66, BFHE 103, 416). Diese Voraussetzungen können zwar bei einem verlorenen Mieterzuschuß ebenso wie bei einer Mietvorauszahlung oder einem Abstandsgeld vorliegen. Im Streitfall sind sie jedoch nicht gegeben.

Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, stellte die Ausgabe keine Mietvorauszahlung dar. Die vereinbarte Jahresmiete war angemessen. Sie entsprach der von vornherein geforderten Miete. Eine Anrechnung auf die laufenden Mietzahlungen fand nicht statt. Vielmehr lag eine zusätzliche Zahlung vor. Diese kann nicht als verlorener Zuschuß zur Erlangung des Mietrechts aufgefaßt werden (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 1957 IV 195/56 U, BFHE 65, 294, BStBl III 1957, 346). Denn ohne die Zahlung hätte der Kläger den Abschluß des Mietvertrages gleichfalls erwirkt. In diesem Falle hätte er den Warenbestand der Vermieter zu übernehmen und selbst zu verwerten gehabt. Wäre der Kläger so verfahren und hätte er bei der Verwertung des branchenfremden Warenlagers einen Verlust erlitten, so bestünde kein Grund, einen solchen Verlust als Aufwand zur Erlangung des Mietrechts anzusehen und dementsprechend zu aktivieren und den Betrag auf die Laufzeit des Mietverhältnisses zu verteilen. Nichts anderes aber kann in Ansehung des Betrages von 20 000 DM gelten, den der Kläger gezahlt hat, um das Warenlager nicht übernehmen zu müssen, und eine solche etwaige außerordentliche Gewinneinbuße zu vermeiden, die den Betrieb im ersten Jahre nach Beginn des Mietverhältnisses belastet haben würde.

Die Zahlung bezweckte schließlich auch nicht, früher als vereinbart in den Besitz der Mieträume zu gelangen. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, bestand der durch die Zahlung der genannten Summe erlangte Vorteil darin, daß der Kläger die gemieteten Geschäftsräume pünktlich wie vereinbart in Besitz nehmen konnte. Die Sache liegt daher anders als in den Fällen, in denen sonst die Rechtsprechung die Pflicht zur Aktivierung verlorener Zuschüsse und Abstandszahlungen betont hat, da sich der erlangte Vorteil nicht im Jahre der Zahlung erschöpfte, sondern über den Bilanzstichtag hinauswirkte (vgl. BFH-Beschluß GrS 1/69; BFH-Urteile I 130/65; VIII R 17/66).

Im Streitfall erschöpfte sich der erlangte Vorteil im Jahre der Zahlung. Die Zahlung bezweckte, die Übernahme und Verwertung des fremden Warenlagers zu vermeiden. Da sich diese Übernahme erfahrungsgemäß nur auf das Ergebnis des ersten Geschäftsjahres in den neuen Mieträumen ausgewirkt hätte, muß das gleiche für die Abgeltungszahlung angenommen werden.

b) Nach den vorstehenden Ausführungen ist auch kein Raum für die Aktivierung eines Rechnungsabgrenzungspostens. Denn begrifflich handelt es sich auch nach der früheren Rechtsprechung bei Rechnungsabgrenzungsposten um Ausgaben, die wirtschaftlich als Aufwand späterer Wirtschaftsjahre anzusehen sind (vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1967 I 234/64, BFHE 90, 132, BStBl II 1968, 7).

c) Fraglich könnte nur sein, ob die Ausgabe bereits dem Jahre 1961, also dem Zeitraum vor den Streitjahren, zuzurechnen ist. Denn der Kläger hat den Geldbetrag im Herbst 1961, noch vor Beginn des Ausverkaufs zugunsten der Vermieter hinterlegt. Der Senat ist indessen der Auffassung, daß die Zahlung dem Jahre 1962 zuzurechnen ist. Dies ergibt sich aus ihrem Zweck. Der Zuschuß war, wie bemerkt, dazu bestimmt, zu vermeiden, daß der Warenbestand der Vermieter vom Kläger im Jahre 1962 verwertet werden mußte. Die Zahlung, die im übrigen erst zu Beginn des Jahres 1962 tatsächlich ausgeführt wurde, ist auch wirtschaftlich diesem Jahr zuzurechnen, weil sie die Abgeltung einer Last zum Gegenstand hatte, die sich (nur) auf das Betriebsergebnis des Jahres 1962 ausgewirkt haben würde.

d) Die Vorentscheidung ist auch für die Veranlagungszeiträume 1963 und 1964 zu bestätigen. Die Beschwer des Klägers ist auch insoweit zu bejahen. Zwar führte die Vorentscheidung zu Gewinnerhöhungen für diese Streitjahre, die der Kläger mit der Revision bestätigt haben will. Die Gewinnerhöhungen beruhen aber nur darauf, daß die vom FA berücksichtigten Abschreibungen auf den von ihm aktivierten Betrag von 20 000 DM weggefallen sind. Sie standen in engstem Zusammenhang mit der vom Kläger erstrebten ungleich bedeutsameren Gewinnminderung für das Jahr 1962. Die Grundsätze der Rechtsprechung, nach der eine Beschwer wegen zu niedriger Steuerfestsetzung vorliegt, wenn die Steuerfestsetzung sich in späteren Veranlagungszeiträumen zuungunsten des Steuerpflichtigen auswirken würde (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 12. Dezember 1972 VIII R 39/67, BFHE 108, 278, BStBl II 1973, 323), müssen entsprechend für den Fall gelten, daß während eines zusammenhängenden Zeitraumes der begehrte Steuervorteil zeitlich früher liegt und deshalb für die Folgejahre gewisse steuerliche Nachteile in Kauf genommen werden müssen. Der streitige Zeitraum ist in diesem Falle als Einheit anzusehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71155

BStBl II 1975, 56

BFHE 1975, 448

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Basic. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge