Leitsatz (amtlich)

Kann die Herkunft eines bestimmten Vermögens (Sparguthaben) eines Steuerpflichtigen nicht aufgeklärt werden, so ist, wenn die Buchführung des Steuerpflichtigen ordnungsmäßig ist, nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast (Feststellungslast) darüber zu befinden, wer den Nachteil der Unaufgeklärtheit des Sachverhaltes zu tragen hat. Dem Steuerpflichtigen kann das Vermögen in der Regel nur dann als steuerpflichtige Einkünfte zugerechnet werden, wenn mit einer dem Einzelfall angepaßten Vermögenszuwachs- und Geldverkehrsrechnung ein ungeklärter Vermögenszuwachs oder Ausgabenüberschuß aufgedeckt wird.

 

Orientierungssatz

1. Das FG hat eine eigene Schätzungsbefugnis. Kommen mehrere Schätzungsmethoden in Betracht, so muß das FG sich für eine entscheiden und diese dann folgerichtig durchhalten (vgl. BFH-Urteil vom 2.3.1982 VIII R 225/80).

2. Ein ungeklärter Vermögenszuwachs aus einer Vermögenszuwachsrechnung ergibt bei einer formell und sachlich nicht ordnungsmäßigen Buchführung eine ausreichend sichere Grundlage für die Höhe der Schätzung. Er rechtfertigt auch bei einer formell ordnungsmäßigen Buchführung die Annahme, daß höhere Betriebseinnahmen erzielt und höhere Privatentnahmen getätigt als gebucht wurden. Damit sind ein eigenständiger Schätzungsgrund und ein ausreichend sicherer Anhalt für die Höhe der Zuschätzung gegeben (vgl. BFH-Rechtsprechung). Dasselbe gilt für einen ungeklärten Ausgabenüberschuß aus einer Geldverkehrsrechnung (Gesamtgeldverkehrsrechnung bzw. Privatgeldverkehrsrechnung; vgl. BFH-Rechtsprechung).

3. Es besteht keine Rechtsgrundlage für den Satz, daß alle auf ein privates Sparkonto vorgenommenen Einzahlungen, für die kein Buchnachweis oder Nämlichkeitsnachweis erbracht wird, als aus einkommensteuerpflichtigen Einkünften stammend gelten. Der Steuerpflichtige ist zwar zur Auskunftserteilung und Mitwirkung verpflichtet; er ist aber nicht verpflichtet, einen in sich geschlossenen Nachweis über die Herkunft seines Privatvermögens zu führen.

4. Hat ein Steuerpflichtiger bezüglich der Herkunft seines Vermögens auf einen Auslandssachverhalt verwiesen, der Steuerpflichtige den behaupteten Sachverhalt aber nicht aufgeklärt und die erforderlichen Beweismittel beschafft, so führt, solange das FG nicht davon überzeugt ist, daß die Angaben des Steuerpflichtigen zur Verschleierung von steuerpflichtigen Einkünften dienen, die bloße Nichtaufklärung des Sachverhalts durch den Steuerpflichtigen lediglich dazu, daß dieser so zu behandeln ist, als habe er den Auslandssachverhalt nicht behauptet. Die Verletzung der Verpflichtung nach § 90 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 durch den Steuerpflichtigen führt nicht zwangsläufig zu einer Umkehr der objektiven Beweislast (Feststellungslast).

5. NV: Auch ein beziffert gestellter Klageantrag ist auslegungsfähig. Begehrte der Kläger in seinem Klageantrag eine Heraufsetzung der Steuerfestsetzung, ergibt sich aber aus der Klagebegründung, daß die beantragte Steuerfestsetzung auf einem Rechenfehler beruhen muß und der Kläger nach dem gesamten Inhalt seiner Klagebegründung in Wirklichkeit eine Herabsetzung begehrt, so ist sein sinngemäßes Begehren als Klageantrag zu behandeln.

6. NV: Die Beschwer des Klägers ist Sachurteilsvoraussetzung. Sachurteilsvoraussetzungen hat das Revisionsgericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und insoweit eigene Tatsachenfeststellungen zu treffen (Literatur).

 

Normenkette

AO 1977 § 90 Abs. 2 S. 1, §§ 93, 158, 162 Abs. 2 S. 2, § 200; FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 40 Abs. 2, §§ 65, 118 Abs. 2

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb in den Streitjahren 1969 bis 1976 und vorher in B eine Einzelfirma. Eine Außen- und Steuerfahndungsprüfung stellte im Jahre 1977 fest, daß der Kläger und seine in 1974 verstorbene Ehefrau bei Geldinstituten private Sparkonten unterhielten, auf die sie in den Jahren 1969 bis 1976 mehr als 250 000 DM eingezahlt hatten. Da der Kläger die Herkunft der Mittel nicht ausreichend erklären konnte, nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nicht verbuchte Betriebseinnahmen des Klägers an, die die Einzelfirma betrafen und vom Kläger "privat" vereinnahmt worden waren. Entsprechend behandelte das FA die eingezahlten Beträge nach Abzug von 9,91 v.H. Umsatzsteuer als mit 11 v.H. umsatzsteuerpflichtige Entgelte. Bei der Gewinnermittlung für die Einzelfirma setzte es die ungeklärten Einzahlungen als zusätzliche Privatentnahmen an und bildete gleichzeitig höhere Umsatz- und Gewerbesteuerrückstellungen.

Die Einsprüche gegen die entsprechend geänderten Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 1969 bis 1976 hatten nur teilweise Erfolg. Bei Einzahlungen von insgesamt 89 640 DM sah es das FA als erwiesen an, daß die Beträge aus einkommen- und umsatzsteuerrechtlich nicht zu erfassenden Vermögensmehrungen herrührten. Außerdem sah es als erwiesen an, daß dem Kläger in den Jahren 1970 bis 1974 je 15 000 DM, insgesamt also 75 000 DM, aus der Versilberung von Gegenständen zugeflossen waren, die seine Ehefrau in Österreich geerbt hatte. Die restlichen Einzahlungen von mehr als 80 000 DM behandelte es jedoch als bisher nicht erfaßte Betriebseinnahmen. Gegen die Einspruchsentscheidungen erhob der Kläger zwei getrennte Klagen, die das Finanzgericht (FG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verband und als unbegründet abwies.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 2 und 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG), der §§ 88, 90 und 162 der Abgabenordnung (AO 1977), der §§ 76 und 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und des § 363 der Zivilprozeßordnung (ZPO).

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung die Einkommensteuer 1969 bis 1976 und die Umsatzsteuer 1969 bis 1976 mit der Maßgabe neu festzusetzen, daß der von dem FA berücksichtigte "Vermögenszuwachs" außer Ansatz bleibt.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).

++/ Das FG hat die Klage bezüglich der Einkommensteuer 1971 und 1973 zu Recht als zulässig angesehen, obwohl der Kläger nach dem in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag eine Heraufsetzung der Einkommensteuer 1971 von ... DM auf ... DM und der Einkommensteuer 1973 von ... DM auf ... DM begehrte. Auch ein beziffert gestellter Klageantrag ist auslegungsfähig. Ergibt sich aus der Klagebegründung, daß die beantragte Steuerfestsetzung auf einem Rechenfehler beruhen muß und der Kläger nach dem gesamten Inhalt seiner Klagebegründung in Wirklichkeit eine Herabsetzung der Steuerfestsetzung begehrt, so ist sein sinngemäßes Begehren als Klageantrag zu behandeln. Entsprechend ist im Streitfall für die Auslegung des Klageantrags entscheidend, daß der Kläger sich schon mit der Klagebegründung gegen jegliche Zuschätzung sog. ungeklärter Vermögenszuflüsse wandte. Damit war Ziel der Klage, die Steuern 1969 bis 1976 in einer Höhe festsetzen zu lassen, wie sie ohne Zuschätzung sog. ungeklärter Vermögenszuflüsse hätten festgesetzt werden müssen. Dies rechtfertigt es, nicht nur bezüglich der Einkommensteuer 1971 und 1973, sondern ebenso bezüglich der Einkommensteuer 1969, 1970, 1972, 1975 und 1976 von einem von den bezifferten Klageanträgen abweichenden Klagebegehren auszugehen.

Zwar enthält die Vorentscheidung keine tatsächlichen Feststellungen darüber, was das Ziel der vom Kläger erhobenen Klage war. Dennoch kann der Senat den Klageantrag selbst auslegen. Der Antrag auf Heraufsetzung der Einkommensteuer 1971 und 1973 berührt die Beschwer des Klägers i.S. des § 40 Abs.2 FGO. Die Beschwer des Klägers ist Sachurteilsvoraussetzung. Sachurteilsvoraussetzungen hat das Revisionsgericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und insoweit eigene Tatsachenfeststellungen zu treffen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Anm.58). /++

Die vom FA vorgenommene und vom FG übernommene Schätzung der Besteuerungsgrundlagen hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. a) Das FG hat nach § 96 Abs.1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO eine eigene Schätzungsbefugnis. Kommen mehrere Schätzungsmethoden in Betracht, so muß das FG sich für eine entscheiden und diese dann folgerichtig durchhalten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2.März 1982 VIII R 225/80, BFHE 136, 28, BStBl II 1984, 504).

b) In der Vorentscheidung hat das FG die gesetzliche Grundlage nicht ausdrücklich genannt, auf die es die eigene Schätzungsbefugnis gestützt hat. Nach den Entscheidungsgründen muß davon ausgegangen werden, daß das FG die Berechtigung zur Schätzung dem § 162 Abs.2 Satz 2 Alternative 2 i.V.m. § 158 AO 1977 entnommen hat. Bei der Prüfung der Frage, ob die Buchführung des Klägers nicht nach § 158 AO 1977 der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann, sind dem FG jedoch Beurteilungs- und Denkfehler unterlaufen, die zur Unterlassung von tatsächlichen Feststellungen geführt haben, weshalb revisionsrechtlich die Rechtmäßigkeit der Zuschätzungen weder dem Grunde noch der Höhe nach überprüft werden kann.

2. a) Ein ungeklärter Vermögenszuwachs aus einer Vermögenszuwachsrechnung ergibt bei einer formell und sachlich nicht ordnungsmäßigen Buchführung eine ausreichend sichere Grundlage für die Höhe der Schätzung (vgl. BFH-Urteil vom 20.Oktober 1966 IV 142, 311/63, BFHE 87, 504, BStBl III 1967, 201). Er rechtfertigt auch bei einer formell ordnungsmäßigen Buchführung die Annahme, daß höhere Betriebseinnahmen erzielt und höhere Privatentnahmen getätigt als gebucht wurden. Damit sind ein eigenständiger Schätzungsgrund und ein ausreichend sicherer Anhalt für die Höhe der Zuschätzung gegeben (vgl. BFH- Urteile vom 3.August 1966 IV R 75, 152/66, BFHE 86, 736, BStBl III 1966, 650, und vom 13.November 1969 IV R 22/67, BFHE 97, 409, BStBl II 1970, 189). Dasselbe gilt für einen ungeklärten Ausgabenüberschuß aus einer Geldverkehrsrechnung (auch Einnahme- Ausgabe-Deckungsrechnung genannt; vgl. Littmann, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1967, 450), und zwar sowohl aus einer Gesamtgeldverkehrsrechnung (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1974 I R 65/72, BFHE 112, 213, BStBl II 1974, 591) als auch aus einer Geldverkehrsrechnung nur für den privaten Bereich --Privatgeldverkehrsrechnung-- (vgl. BFH-Urteil vom 8.Juli 1981 VIII R 79/80, BFHE 134, 544, BStBl II 1982, 369).

b) Weder das FA noch das FG haben einen Vermögenszuwachs des Klägers in ausreichender Weise festgestellt. Den tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs.2 FGO) ist weder eine Vermögenszuwachs- noch eine Geldverkehrsrechnung zu entnehmen. FA und FG sind bei der Ermittlung ihrer vermeintlichen Schätzungsbefugnis nur von den vom Kläger nicht bestrittenen Einzahlungen auf die verheimlichten Sparkonten ausgegangen und haben vom Kläger für die Herkunft der eingezahlten Mittel einen Nachweis verlangt. Ein Steuerpflichtiger muß jedoch für seine privaten Sparkonten weder eine Buchführung einrichten noch einen Nämlichkeitsnachweis erbringen. Ebensowenig besteht eine Rechtsgrundlage für den Satz, daß alle Einzahlungen, für die kein Buch- oder Nämlichkeitsnachweis erbracht wird, als aus einkommensteuerpflichtigen Einkünften stammend gelten. Der Steuerpflichtige ist zwar zur Auskunftserteilung und zur Mitwirkung verpflichtet (§§ 90, 93, 200 AO 1977). Ihn trifft jedoch nicht die Verpflichtung, einen in sich geschlossenen Nachweis über die Herkunft seines Privatvermögens zu führen. Bleibt die Herkunft eines bestimmten Vermögens trotz Ausschöpfung aller Erkenntnismittel ungeklärt, so ist nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast (Feststellungslast) darüber zu befinden, wer den Nachteil der Unaufgeklärtheit des Sachverhaltes zu tragen hat. In den Fällen der hier interessierenden Art trägt der Steuerpflichtige die objektive Beweislast (Feststellungslast) in der Regel nur dann, wenn mit einer dem Einzelfall angepaßten Vermögenszuwachs- und Geldverkehrsrechnung ein ungeklärter Vermögenszuwachs oder Ausgabenüberschuß aufgedeckt wird. Sowohl der Vermögenszuwachs- als auch der Geldverkehrsrechnung liegt die Überlegung zugrunde, daß niemand mehr Geld ausgeben bzw. anlegen kann, als er aus seinen steuerpflichtigen und sonstigen Quellen zur Verfügung hat. Erst wenn auf diese Weise ein ungeklärter Vermögenszuwachs oder Ausgabenüberschuß dargelegt ist, kann angenommen werden, daß dem Steuerpflichtigen mehr Einnahmen aus steuerpflichtigen Quellen zur Verfügung standen, als er erklärt hat. Diese Annahme ist aber nicht schon dann gerechtfertigt, wenn sich --wie im Streitfall-- die Untersuchung nur auf die Einzahlungen auf private Sparkonten erstreckt und z.B. ungeklärt bleibt, ob die Einzahlungen nicht (ggf. auch nur teilweise) aus den ungebundenen Entnahmen oder aus Barmitteln finanziert sein können, die zu Beginn des geprüften Zeitraums vorhanden waren.

c) Auf die Aufstellung einer dem Einzelfall angepaßten Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung kann nur dann verzichtet werden, wenn die Verhältnisse einfach gelagert und leicht überschaubar sind. Das kann der Fall sein, wenn der Steuerpflichtige Einkünfte nur aus einer Quelle erzielt und diese durch Einnahmeüberschußrechnung nach § 4 Abs.3 EStG ermittelt. Dann ist --vorausgesetzt, daß im übrigen keine nennenswerten liquiden Bestände vorhanden sind-- der Gewinn leicht durch Eliminierung der Nichtgeldverkehrsposten (z.B. Absetzung für Abnutzung --AfA--) in die verfügbaren Mittel einer Privatgeldverkehrsrechnung umzusetzen. In solchen Fällen läßt sich mit Hilfe der Einnahmeüberschußrechnung erkennen, ob die in der Regel zu schätzenden Lebenshaltungskosten, die sonstigen privaten Ausgaben und etwa festgestellte Geldanlagen aus den erklärten Einkünften geleistet werden konnten, wenn sonst keine nennenswerten Verwendungen von Mitteln erkennbar sind.

3. a) Im Streitfall sind die Verhältnisse weder einfach gelagert noch leicht überschaubar. Ausweislich der angefochtenen Einkommensteuerbescheide bezog der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht nur aus seiner Einzelfirma, sondern auch noch aus zwei Beteiligungen an Personengesellschaften. Auf der Grundlage der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen (§ 118 Abs.2 FGO) ist nicht auszuschließen, daß die aus den genannten Beteiligungen geflossenen Gewinnanteile bei der Feststellung der ungeklärten Vermögenszugänge unberücksichtigt geblieben sind. Die verstorbene Ehefrau des Klägers erzielte ausweislich der angefochtenen Bescheide bis zu ihrem Tode Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus einem mit dem Kläger abgeschlossenen Arbeitsverhältnis sowie Einkünfte aus der Vermietung eines Grundstücks an den Kläger. Auch insoweit ist auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs.2 FGO) nicht ersichtlich, ob und wie die Einkünfte bei der Ermittlung des ungeklärten Vermögenszuwachses berücksichtigt wurden. Schließlich müssen Wiederabhebungen von privaten Sparkonten in einer Vermögenszuwachs- und in einer Geldverkehrsrechnung berücksichtigt werden. Vielfach geschieht dies durch Ansatz der Anfangs- und Endbestände des Vergleichszeitraums in diesen Rechnungen (vgl. BFHE 136, 28, BStBl II 1984, 504). Das FG hat festgestellt (§ 118 Abs.2 FGO), daß von den verheimlichten Sparkonten Beträge wiederabgehoben wurden. Für den Senat ist jedoch nicht nachvollziehbar, ob die Wiederabhebungen bei der Ermittlung des ungeklärten Vermögenszuwachses berücksichtigt wurden.

b) Im Streitfall kann auf die Nachholung einer Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung auch nicht deshalb verzichtet werden, weil die Einzahlungen auf die verheimlichten Sparkonten jeweils aus relativ hohen Beträgen bestanden. Es besteht kein Erfahrungssatz dahingehend, daß hohe und im einzelnen nicht aufgeklärte Einzahlungen auf private Sparkonten nur aus nicht gebuchten betrieblichen Einnahmen stammen könnten, weil nach der Lebenserfahrung niemand so große Geldbeträge aus früheren Entnahmen im "Sparstrumpf" ansammelt, um sie auf einmal auf einem Sparkonto einzuzahlen. Zwar kann die entsprechende Überlegung von Bedeutung sein, wenn zusätzliche Feststellungen, die für sich allein die Verwerfung der Buchführung rechtfertigen und damit einen Grund für die Schätzung geben, auf die Verkürzung von Einnahmen hinweisen. Nach den Feststellungen des FG (§ 118 Abs.2 FGO) fehlt es jedoch an dieser Voraussetzung, weil die Buchführung des Klägers formell ordnungsmäßig ist (vgl. BFH-Urteil vom 25.Juni 1970 IV 17/65, BFHE 100, 159, BStBl II 1970, 838). Kann die Beweiskraft der Buchführung nicht entkräftet werden, muß die Feststellung eines ungeklärten Vermögenszuwachses oder Ausgabenüberschusses hinzukommen, um die Besteuerungsgrundlagen schätzen zu können (vgl. BFHE 86, 736, BStBl III 1966, 650).

c) Aus § 90 Abs.2 AO 1977 folgt für den Streitfall nichts anderes. Zwar hat der Kläger bezüglich der Herkunft seines Vermögens auf einen Sachverhalt verwiesen, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der AO 1977 bezieht. Auch ergibt sich daraus in Verbindung mit § 90 Abs.2 Satz 1 AO 1977 die Verpflichtung des Klägers, den behaupteten Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Die vom FG angenommene Nichterfüllung dieser Verpflichtung führt jedoch nur dazu, daß das FA und das FG den behaupteten Sachverhalt nicht zu Gunsten des Klägers als nachgewiesen ansehen dürfen. Zwar kann die Behauptung eines unzutreffenden Sachverhalts durch den Steuerpflichtigen der Verschleierung der wahren Herkunft des Vermögens und damit auch der Verschleierung steuerpflichtiger Einkünfte dienen. Im Rahmen der Beweiswürdigung ist ein entsprechender Rückschluß jedoch nur möglich, wenn das FG zu der Überzeugung gelangt, die Angaben des Steuerpflichtigen dienten einem entsprechenden Verschleierungszweck. Solange das FG nicht zu einer solchen Überzeugung gelangt, führt die bloße Nichtaufklärung von Auslandssachverhalten durch den Steuerpflichtigen lediglich dazu, daß dieser so zu behandeln ist, als habe er den Auslandssachverhalt nicht behauptet. Die Verletzung der Verpflichtung nach § 90 Abs.2 Satz 1 AO 1977 durch den Steuerpflichtigen führt nicht zwangsläufig zu einer Umkehr der objektiven Beweislast (Feststellungslast).

4. Das FG hat für den Streitfall keine Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung erstellt. Die Vorentscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Da die Aufstellung einer Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung auf dem Gebiet der Tatsachenfeststellung liegt, ist es Sache des FG, die Rechnung nachzuholen. Durch die Aufhebung der Vorentscheidung und die Zurückverweisung der Sache erhält das FG dazu Gelegenheit. Sollte die Aufstellung einer Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung objektiv unmöglich sein, wird das FG nach den Grundsätzen über die objektive Beweislast (Feststellungslast) darüber zu entscheiden haben, wer den Nachteil dafür zu tragen hat, daß ein ungeklärter Vermögenszuwachs beim Kläger nicht festgestellt werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414573

BStBl II 1986, 732

BFHE 147, 105

DB 1986, 2648-2648

HFR 1986, 614-616 (ST)

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