Leitsatz (amtlich)

1. Der Antrag, den ändernden oder ersetzenden Verwaltungsakt zum Gegenstand des Verfahrens zu machen (§ 68 FGO), muß innerhalb der Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs gegen diesen Verwaltungsakt gestellt werden (Abweichung von der Auffassung des II. Senats im Urteil II 113/65 vom 30. Januar 1968, BFH 91, 27, BStBl II 1968, 210).

2. Die Rechtsbehelfsbelehrung in dem ändernden oder ersetzenden Verwaltungsakt braucht keinen Hinweis auf das Recht, den Antrag nach § 68 FGO zu stellen, zu enthalten. Enthält sie diesen Hinweis, muß sie auch über die Frist zur Stellung des Antrags belehren.

2. Die Aufwendungen für die Anschaffung und den Einbau eines Autoradios gehören in der Regel auch dann nicht zu den Betriebsausgaben, wenn der PKW Betriebsvermögen ist.

 

Normenkette

FGO §§ 55, 68; EStG § 4 Abs. 4, § 12

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1962 der Revisionsbeklagten (Steuerpflichtigen), ob der Antrag nach § 68 FGO noch nach Ablauf der Frist zur Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen den den angefochtenen Verwaltungsakt ändernden oder ersetzenden Verwaltungsakt gestellt werden kann. In materiell-rechtlicher Hinsicht ist der Abzug der Aufwendungen für ein Autoradio als Betriebsausgaben im Einspruchsbescheid streitig.

Das FA setzte die Einkommensteuer 1962 im Einspruchsbescheid vom 15. März 1966 auf 14 894 DM fest. Die Kosten für die Anschaffung und den Einbau eines Autoradios in den zu 80 v. H. betrieblich genutzten Personenkraftwagen des Steuerpflichtigen erkannte es nicht als Betriebsausgaben an. Hiergegen erhoben die Steuerpflichtigen Klage.

Durch Bescheid vom 2. Mai 1966 änderte das FA die Einspruchsentscheidung nach § 94 AO und setzte die Einkommensteuer auf 14 754 DM herab, da die Steuerpflichtigen nach Absendung der Einspruchsentscheidung neue Tatsachen vorgetragen hatten. In der Rechtsbehelfsbelehrung des Änderungsbescheids heißt es u. a. : "Sie können gegen diese Entscheidung Klage bei dem FG ... schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erheben oder gemäß § 68 FGO beim FG beantragen, daß die Änderungsentscheidung Gegenstand des unter II 96/66 anhängigen Verfahrens wird. Für die Erhebung der Klage beträgt die Frist einen Monat. Sie beginnt mit dem Ablauf des Tages, an dem Ihnen diese Entscheidung zugestellt worden ist."

Die Steuerpflichtigen fochten den Änderungsbescheid nicht an. Auf Anfrage des Gerichts erklärten sie zunächst am 3. Juni 1966, daß die erste Einspruchsentscheidung vom 15. März 1966 Gegenstand des Verfahrens bleiben solle. Mit Schriftsatz vom 21. Februar 1967 beantragten sie, den Einkommensteuerbescheid 1962 in der Form des Änderungsbescheids vom 2. Mai 1966 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

Das FG gab in seinem in EFG 1967, 349 veröffentlichten Urteil der Klage zum überwiegenden Teil statt. Es hielt den Antrag vom 21. Februar 1967, den Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen (§ 68 FGO), für zulässig, da dieser Antrag nicht fristgebunden sei, und sah die Kosten der Anschaffung und des Einbaus des Autoradios zu 80 v. H. als Betriebsausgaben an. Die Revision ließ das FG nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO "wegen der grundsätzlichen Bedeutung der prozessualen Fragen, die Gegenstand der Entscheidung sind, zu".

Das FA legte gegen das Urteil des FG Revision ein. Der BdF trat dem Revisionsverfahren bei (§ 122 Abs. 2 FGO).

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Entscheidung durch den Senat.

I. Der Senat ist im Ergebnis ebenso wie das FG der Ansicht, daß der Antrag der Steuerpflichtigen nach § 68 FGO als rechtzeitig gestellt anzusehen ist. Er teilt zwar nicht die Auffassung des BdF, dies sei deshalb der Fall, weil die Steuerpflichtigen über ihr Antragsrecht nicht so belehrt worden seien, wie es der sinngemäß anzuwendende, die Rechtsbehelfsbelehrung regelnde § 55 FGO vorschreibe. Er ist auch nicht wie der II. Senat des BFH im Urteil II 113/65 vom 30. Januar 1968 (BFH 91, 27, BStBl II 1968, 210) der Ansicht, der Antrag nach § 68 FGO sei nicht fristgebunden. Die Steuerpflichtigen konnten diesen Antrag aber deshalb noch rechtswirksam stellen, weil die Rechtsbehelfsbelehrung irreführend war.

1. Auf die Möglichkeit, den Antrag nach § 68 FGO zu stellen, braucht in der Rechtsbehelfsbelehrung nicht hingewiesen zu werden. § 55 FGO schreibt nur vor, daß über bestimmte, bei der Erhebung der Klage und der Einlegung eines Rechtsmittels zu beachtende Vorschriften belehrt werden muß. Bei dem Antrag nach § 68 FGO handelt es sich weder um eine Klage noch um ein Rechtsmittel. Er hängt auch nicht, wie z. B. die Revisionsbegründung, unlöslich mit einem Rechtsbehelf zusammen. Er gehört zu den vielen prozessualen Handlungen und Erfordernissen, über die nicht belehrt zu werden braucht, obwohl ihre Unterlassung oder Nichtbeachtung für die Prozeßparteien schwerwiegende Nachteile zur Folge haben kann.

2. Aus dem Fehlen einer Vorschrift in § 55 FGO, die Steuerpflichtigen seien darüber zu belehren, daß der Antrag nach § 68 FGO innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen sei, und aus dem Wortlaut des 68 FGO könnte man den Schluß ziehen, daß dieser Antrag unbefristet gestellt werden könne. Dieser Schluß wäre jedoch mit anderen verfahrensrechtlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren. Denn durch den Erlaß des ändernden oder ersetzenden Bescheids wird eine neue Situation geschaffen, der man nur gerecht werden kann, wenn man das Recht zur Stellung des Antrags ebenso befristet wie das Recht zur Einlegung eines Rechtsbehelfs.

§ 68 FGO überläßt es dem Steuerpflichtigen, ob er den ändernden oder ersetzenden Verwaltungsakt durch einen entsprechenden Antrag zum Gegenstand des Verfahrens macht, ob er den neuen Bescheid selbständig anficht oder ob er beides unterläßt. Er läßt damit der Dispositionsbefugnis des Klägers einen weiteren Raum als es in § 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) der Fall ist, nach dem der ändernde oder ersetzende Verwaltungsakt kraft Gesetzes Gegenstand des Verfahrens wird. Das darf aber nicht dazu führen, daß möglicherweise jahrelang bis kurz vor dem rechtskräftigen Abschluß des gerichtlichen Verfahrens über den geänderten Verwaltungsakt Unklarheit darüber bestehen kann, ob dieser Verwaltungsakt Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bleibt.

Zwar schreibt § 68 FGO, worauf der II. Senat des BFH in seinem Urteil II 113/65 maßgeblich abstellt (außer der hier angefochtenen Entscheidung des FG Hamburg ebenso Urteile des FG Münster vom 9. November 1966, EFG 1967, 144, und des Hessischen FG vom 21. November 1967, EFG 1968, 233), nicht vor, daß der Antrag innerhalb der Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs gegen den ändernden oder ersetzenden Verwaltungsakt gestellt werden muß. Der Senat ist jedoch, ebenso wie das FG Berlin (Urteil vom 15. September 1967, EFG 1968, 23), der Ansicht, daß dieser Antrag trotzdem rechtswirksam nur innerhalb der Rechtsbehelfsfrist gestellt werden kann. Denn anderenfalls würde der spätere, den ersten Bescheid ersetzende oder ändernde Bescheid unanfechtbar. Allein dieser spätere Bescheid wäre dann Grundlage für die Vollziehung durch das FA. Eine spätere Entscheidung des Gerichts über den Rechtsbehelf gegen den mittlerweile aufgehobenen oder geänderten ersten Bescheid hätte auf den zweiten Bescheid keine Auswirkung. Es handelt sich hier deshalb nicht, wie das angefochtene Urteil meint, um Folgerungen, die aus der durch § 68 FGO gesetzlich ausdrücklich zugelassenen Klageänderung zu ziehen sind, sondern um die Folgerungen, die sich aus der Unanfechtbarkeit des ändernden oder ersetzenden Verwaltungsakts für den ersten Bescheid ergeben. Hätte der Gesetzgeber die Auswirkung der Unanfechtbarkeit des zweiten Bescheids in seiner Beziehung zum aufgehobenen oder geänderten Bescheid ausschließen wollen, hätte es dazu einer ausdrücklichen Vorschrift bedurft. Etwas anderes läßt sich auch nicht aus § 123 Satz 2 FGO, der die Zulässigkeit eines Antrags nach § 68 FGO im Revisionsverfahren ausspricht, und aus 021 127 FGO, der in diesem Fall ohne weiteres die Zurückverweisung der Sache an das FG zuläßt, herleiten. Denn der ändernde oder ersetzende Verwaltungsakt kann auch erst im Laufe des Revisionsverfahrens ergehen.

Daß der Antrag nach § 68 FGO rechtswirksam nur innerhalb der Rechtsbehelfsfrist gestellt werden kann, zeigen auch die Folgen, die anderenfalls eintreten würden. Könnte der Steuerpflichtige den Antrag bis zum Abschluß des Verfahrens stellen, könnte er nach Erlaß des zweiten Bescheids, der häufig auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO beruht und, wenn überhaupt, die auf Grund des ersten Bescheids streitigen Punkte nur u. a. enthalten wird, jahrelang untätig warten. Er brauchte erst in der mündlichen Verhandlung vor dem BFH den Antrag nach § 68 FGO mit der Wirkung zu stellen, daß der BFH die Sache in der Regel ohne weitere Prüfung an das FG zurückverweisen müßte (§ 127 FGO), wodurch das Verfahren jahrelang verzögert werden könnte. Es bestünde sogar die Möglichkeit, den Antrag erst im zweiten oder in einem späteren Rechtszug vor dem FG zu stellen.

Kann somit der Antrag nach § 68 FGO, in Übereinstimmung mit der Auffassung des beteiligten BdF nur innerhalb der Rechtsbehelfsfrist gegen den ändernden oder ersetzenden Bescheid gestellt werden, ergeben sich daraus die nachstehenden, den Grundsätzen der Prozeßökonomie und damit dem Zweck des § 68 FGO Rechnung tragenden Folgerungen.

a) Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, wird der ändernde oder ersetzende Bescheid Gegenstand des Verfahrens. Sofern der Antrag nicht erst im Revisionsverfahren gestellt wird, wird dann in der Regel über die sich aus dem zweiten Bescheid ergebenden Streitpunkte entschieden werden können. Auch wenn sich herausstellt, daß die Ersetzung oder Änderung des ersten Bescheids unzulässig war, z. B. im Fall des 021 222 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen Fehlens neuer Tatsachen, steht einer materiellrechtlichen Entscheidung - abgesehen von anderen Verfahrensfehlern - nichts entgegen. Denn dann wird der erste Bescheid wieder Gegenstand des Verfahrens, weil die Klageänderung rückwirkend entfällt.

b) Wird der Antrag nicht oder nicht rechtzeitig gestellt, ist das den ersten Bescheid betreffende Rechtsbehelfsverfahren in der Hauptsache erledigt. Bleibt der Steuerpflichtige trotzdem bei seinem ursprünglichen Antrag, ist die Klage unzulässig.

Etwas anderes gilt nur, wenn der Steuerpflichtige auch den zweiten Bescheid selbständig anficht, was durch § 68 FGO nicht ausgeschlossen wird. Es wird sich dann in der Regel empfehlen, das Verfahren über den ersten Bescheid bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den zweiten Bescheid nach § 74 FGO auszusetzen (vgl. Beschluß des BFH II S 54/66 vom 19. Oktober 1966, BFH 86, 727, BStBl III 1966, 655).

3. Der Senat kann wegen seiner von der Entscheidung des II. Senats des BFH abweichenden Auffassung nicht nach § 11 Abs. 3 FGO den Großen Senat anrufen. Denn der Antrag der Steuerpflichtigen nach § 68 FGO ist deshalb als rechtzeitig gestellt anzusehen, weil die in dem Änderungsbescheid enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung irreführend war. Sie enthielt im zweiten Absatz nur einen Hinweis darauf, daß die Frist für die Erhebung der Klage einen Monat beträgt, während für den im ersten Absatz zusammen mit der Klage erwähnten Antrag nach § 68 FGO ein entsprechender Hinweis fehlte. Da den Steuerpflichtigen aus einer irreführenden Rechtsbelehrung keine Nachteile erwachsen dürfen, ist ihr Antrag als rechtzeitig gestellt anzusehen (ebenso für den Fall der irreführenden Rechtsbehelfsbelehrung in einem zusammengefaßten Bescheid über die Einheitswertfeststellung und die Grundsteuermeßbetragsveranlagung BFH-Urteil III R 5/67 vom 10. November 1967, BFH 91, 135).

Dabei spielt es keine Rolle, daß auf den Antrag nach § 68 FGO in der Rechtsbehelfsbelehrung nicht hingewiesen zu werden brauchte.

II. Die Aufwendungen für die Anschaffung und den Einbau des Autoradios gehören nicht zu den Betriebsausgaben. Das FG ging zu Recht davon aus, daß das Autoradio auch nach seinem Einbau ein selbständiges Wirtschaftsgut blieb, da bei einer Trennung vom Auto seine selbständige Bewertungs- und Nutzungsfähigkeit bestehen bleiben würde. Daraus ist jedoch entgegen der Ansicht des FG die Folgerung zu ziehen, daß das Radio nicht wegen seines Einbaus in das Auto in dem gleichen Umfang wie dieses zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen gehört, sondern daß seine Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen ist. Nach diesen Grundsätzen gehören die Kosten für ein Radio in der Regel zu den nichtabzugsfähigen Aufwendungen der Lebensführung im Sinn des § 12 des Einkommensteuergesetzes (Urteil des Senats IV 438/60 vom 26. Juli 1962, HFR 1963, S. 286). Daran ändert die Tatsache nichts, daß der Steuerpflichtige das Radio in sein zu 80 v. H. zum Betriebsvermögen gehörendes Auto einbauen ließ. Denn die Nutzung des Radios liegt trotzdem grundsätzlich im privaten Bereich. Ob dies auch dann gilt, wenn ein Steuerpflichtiger auf die Nutzung des Radios aus beruflichen Gründen im besonderen Maß angewiesen und wenn die Abgrenzung vom privaten Bereich möglich ist (vgl. Urteil des Senats IV 53/61 U vom 13. August 1964, BFH 80, 146, BStBl III 1964, 528), braucht nicht entschieden zu werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68062

BStBl II 1968, 541

BFHE 1968, 322

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