Leitsatz (amtlich)

Handelt es sich bei der Veräußerung der Anteile an einer GmbH um ein unter § 23 Abs. 3 EStG fallendes Spekulationsgeschäft, so kann der sich aus der Veräußerung ergebende Verlust, auch wenn er aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung herrührt, nicht mit anderen Einkünften des Veräußerers ausgeglichen werden.

 

Normenkette

EStG §§ 17, 23

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) einen Verlust aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer GmbH mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ausgleichen kann.

Der Kläger ist kaufmännischer Angestellter. Er erzielte 1965 außerdem Einnahmen aus einer gewerblichen Tätigkeit, der weit höhere Unkosten gegenüberstehen.

Er erwarb am 25. Juni 1965 Geschäftsanteile der Fa. X GmbH von nominal 78 000 DM gegen Zahlung von 34 174,99 DM. Das Stammkapital der GmbH betrug insgesamt 150 000 DM. Am 21. Dezember 1965 veräußerte der Kläger seine Beteiligung an der GmbH für 29 394,57 DM. Die Veräußerungskosten betrugen 1 053 DM.

In seiner Einkommensteuererklärung 1965 machte der Kläger den Verlust aus der Veräußerung seiner Beteiligung an der GmbH einschließlich der Veräußerungskosten als negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb unter Berufung auf § 17 EStG geltend. Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens glich er den Verlust von 5 833,42 DM einschließlich der Veräußerungskosten mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus. Er wurde zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) berücksichtigte bei der Veranlagung den Verlust der Veräußerung der GmbH-Anteile nicht, weil seiner Ansicht nach die Veräußerung der GmbH-Anteile ein Spekulationsgeschäft im Sinne des § 23 EStG sei.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das FG ging bei seiner Entscheidung im wesentlichen von folgenden Erwägungen aus. Der Verlust des Klägers aus dem Verkauf der Anteile an der GmbH könne nicht mit anderen Einkünften ausgeglichen werden, weil gemäß § 23 Abs. 4 letzter Satz EStG Verluste aus Spekulationsgeschäften nur bis zur Höhe des Spekulationsgewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr erzielt habe, ausgeglichen werden könnten. Die Veräußerung der GmbH-Anteile am 21. Dezember 1965 sei ein Spekulationsgeschäft, da der Kläger die Anteile erst am 25. Juni 1965 erworben habe. Nach § 23 Abs. 1 Nr. 1b EStG sei der Veräußerung von anderen Wirtschaftsgütern als den in § 23 Abs. 1 Nr. 1a EStG genannten als Spekulationsgeschäft anzusehen, wenn der Zeitpunkt zwischen Anschaffung und Veräußerung der Wirtschaftsgüter nicht mehr als sechs Monate betrage. Andere Spekulationsgewinne habe der Kläger im Kalenderjahr 1965 nicht erzielt. Der Ansicht des Klägers, daß nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 EStG der Verkauf der GmbH-Anteile nicht als Spekulationsgeschäft behandelt werden könne, sei nicht zu folgen, weil der Wert der Beteiligung beim Erwerb mit dem Wert bei der Veräußerung verglichen werden müsse, wenn Wirtschaftsgüter veräußert würden, deren Wert bei den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG anzusetzen sei. Die veräußerten Anteile des Klägers seien jedoch keine derartigen Wirtschaftsgüter. Dem stehe § 17 EStG nicht entgegen, auch wenn der Kläger als Inhaber von 52 v. H. der Geschäftsanteile an der GmbH wesentlich beteiligt gewesen sei und der Gewinn aus der Veräußerung bei wesentlicher Beteiligung zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehöre, der unter § 2 Abs. 3 Nr. 2 EStG aufgeführt sei. Die Auslegung der Vorschriften der §§ 17, 22 und 23 EStG gemäß § 1 Abs. 2 StAnpG ergebe, daß bei der Veräußerung von Teilen wesentlicher Beteiligungen an Kapitalgesellschaften innerhalb der Spekulationsfrist § 23 EStG dem § 17 EStG vorgehe.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Revision kann keinen Erfolg haben.

Die Vorentscheidung befindet sich mit der Ablehnung der Ausgleichsfähigkeit des Verlustes aus der Veräußerung von Anteilen an einer GmbH im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere mit dem Urteil des BFH vom 6. Februar 1970 VI R 186/67 (BFHE 98, 346, BStBl II 1970, 400). Danach ist die Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die nicht zum Betriebsvermögen gehören, als Spekulationsgeschäft im Sinne des § 23 EStG anzusehen, wenn die veräußerten Anteile eine wesentliche Beteiligung im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG darstellen. Der Senat sieht keine Veranlassung, von diesen Grundsätzen abzuweichen, auch wenn diese im Schrifttum nicht einheitlich beurteilt werden (so dagegen Schick, Steuerrechtsprechung in Karteiform-Anmerkungen, Einkommensteuergesetz, § 23, Rechtsspruch 38, früher auch Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 9. Aufl., § 17, Tz. 41 a). Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß die Vorschrift des § 23 Abs. 3 EStG, soweit die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften in Betracht kommt, sich nur auf solche Einkünfte bezieht, die ihrer Art nach gewerbliche Einkünfte sind. Nur bei Besteuerung einer sich im Bereich des Betriebsvermögens abspielenden Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft sind gewerbliche Einkünfte nach §§ 15, 16 EStG gegeben, weil der Wert bei den (echten) Einkünften als gewerblich anzusehen ist. Die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen hingegen erfolgt bei wesentlichen Beteiligungen nicht auf der Grundlage eines Vermögensvergleichs. Die veräußerten Anteile müssen sich vielmehr im Privatvermögen befinden. Der Wert wird also bei einem Vermögensvergleich nicht angesetzt. Da es sich im Streitfall bei der Veräußerung der Anteile an der GmbH nicht um ein unter § 23 Abs. 3 EStG fallendes Spekulationsgeschäft handelt, kann sich der aus der Veräußerung ergebende Verlust, auch wenn er aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung herrührt, nicht mit anderen Einkünften des Klägers ausgeglichen werden.

Eine andere Auslegung des § 23 Abs. 3 EStG, nämlich im Sinne des Klägers, würde auch dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit der Besteuerung widerstreiten. Denn während dann Veräußerungen wesentlicher Beteiligungen innerhalb der Spekulationsfrist zu einer erheblichen Vergünstigung bei der Einkommensteuer (§ 17 Abs. 3 EStG) führen, unterliegt jede sonstige Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft unter dem Gesichtspunkt des § 23 Abs. 1 Nr. 1b EStG der Tabellensteuer. Auch würden im ersten Fall die Verluste aus einer Veräußerung ausgleichsfähig sein, während im zweiten Fall ein solcher Verlustausgleich im Rahmen des § 23 Abs. 4 EStG ausgeschlossen ist. Eine solche unterschiedliche Besteuerung in beiden Fällen hält der Senat nicht für vertretbar.

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassene Revision muß daher als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71029

BStBl II 1974, 706

BFHE 1974, 574

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