Leitsatz (amtlich)

Es fehlt an einer materiell-rechtlichen Voraussetzung für die Gewährung einer Zollpräferenz, wenn die zuständigen Behörden des Ausfuhrstaates auf das begründete Ersuchen der zuständigen Behörden der Bundesrepublik um Nachprüfung der vorgelegten Ursprungszeugnisse nicht antworten.

 

Orientierungssatz

1. In den Genuß der Zollpräferenz nach VO (EWG) Nr. 1195/79 kommen nur solche "Ursprungswaren", für die bei Einfuhr ein Ursprungszeugnis nach vorgeschriebenem Muster vorgelegt wird. Diese Vorlage ist materiell-rechtliche Voraussetzung für die Gewährung der Vergünstigung. Sie kann durch andere Nachweise nicht ersetzt werden. Weder das HZA noch das FG brauchen Ermittlungen über den tatsächlichen Ursprung von eingeführten Waren anzustellen oder entsprechenden Beweisangeboten des Klägers nachzugehen (vgl. BFH-Urteil vom 13.10.1970 VII R 40/68 zur vergleichbaren früheren Rechtslage). Die Vorlage des Ursprungszeugnisses genügt allerdings nicht, falls die Zollbehörden des einführenden EWG-Mitgliedstaates das Verfahren nach Art. 13 VO (EWG) Nr. 148/79 auf Nachprüfung der Echtheit oder Richtigkeit des Ursprungszeugnisses durch die zuständigen Behörden des Ausfuhrstaates eingeleitet haben.

2. Die VO (EWG) Nr. 1697/79 (NacherhebungsVO) ist auf vor dem Inkrafttreten vorgenommene Eingangsabgabenfestsetzungen nicht anwendbar (vgl. EuGH-Rechtsprechung). Als solche Festsetzungen sind auch Zollfreistellungen anzusehen.

3. NV: Die Verwirkung eines Steueranspruchs setzt u.a. ein bestimmtes Verhalten der Finanzbehörden voraus, aufgrund dessen der Steuerpflichtige objektiver Beurteilung annehmen darf, die Behörde werde den Anspruch nicht oder nicht mehr geltend machen. Das bloße Untätigbleiben der Finanzbehörde vermag einen Vertrauenstatbestand in der Regel nicht zu schaffen (vgl. BFH-Rechtsprechung).

4. NV: Nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO 1977 ist nicht davon auszugehen, daß der Ablauf der Festsetzungsfrist bei Ermittlungen der Zollfahndungsämter nicht mehr gehemmt ist, wenn der aufgrund der Ermittlungen zu erlassende Steuerbescheid länger auf sich warten läßt, als die normale Festsetzungsfrist (hier: ein Jahr) beträgt (vgl. BFH-Rechtsprechung zu § 171 Abs. 4 AO 1977).

 

Normenkette

AO 1977 § 172 Abs. 1 Nr. 1; EWGV 148/79 Art. 6 Abs. 1, Art. 13; EWGV 1697/79; EWGV 1195/79; AO 1977 § 171 Abs. 5 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin (Entscheidung vom 17.09.1985; Aktenzeichen VII 55/84)

 

Tatbestand

I. Auf Antrag der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) vom 9.Juli 1979 fertigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Hauptzollamt --HZA--) eine Sendung Halstücher (Schals) zum freien Verkehr ab. Zur Abfertigung hatte die Klägerin drei Ursprungszeugnisse nach Formblatt A, ausgestellt von der Republik Korea, vorgelegt. Das HZA beließ mit Bescheid vom 12.Juli 1979 die Waren aufgrund der vorgelegten Ursprungszeugnisse unter Anwendung des entsprechenden Präferenzzollsatzes zollfrei und setzte lediglich die --hier nicht streitige-- Einfuhrumsatzsteuer fest. Wegen des Verdachts der Zollhinterziehung ließ das Zollfahndungsamt (ZFA) X am 11.Juli 1979 155 Koffer mit Halstüchern aus der Einfuhrsendung beschlagnahmen. Der Geschäftsführer der Klägerin erklärte darauf dem ZFA, das Gewebe der Halstücher sei japanischen Ursprungs; in Korea werde das Gewebe aber durch Bedrucken und Schneiden zu Hals- bzw. Kopftüchern verarbeitet; da Tücher gleicher Machart in Japan hergestellt würden, sei der Ursprung nicht feststellbar. Am 13.Juli 1979 wurde die Beschlagnahme aufgehoben und lediglich ein Halstuch für Untersuchungszwecke entnommen.

Auf Ersuchen des ZFA X richtete der Bundesminister der Finanzen (BMF) mit einem per Luftpost am 1.April 1980 abgeschickten Schreiben eine Anfrage an das Koreanische Handels- und Industrieministerium. Der BMF ersuchte darin die koreanische Behörde, die Echtheit und Richtigkeit der beigefügten Ursprungszeugnisse zu prüfen; er wies auf den bestehenden Verdacht hin, daß die Waren aus Japan stammten und in Korea lediglich bedruckt worden seien, was für die Begründung des koreanischen Ursprungs nicht ausreiche. Mit am 31.Juli 1980 per Luftpost abgesandten Schreiben erinnerte der BMF an die Erledigung des Nachprüfungsersuchens. Mit Schreiben vom 16.September 1980 mit einem Stempel des Handels- und Industrieministeriums teilte das Seoul Metropolitan Gouvernement dem BMF mit, daß es ein Schreiben mit den Ursprungszeugnissen nicht erhalten habe. Daraufhin bat der BMF in einem Schreiben vom 2.Oktober 1980 unter Beifügung von Kopien der Ursprungszeugnisse um eine beschleunigte Überprüfung. Eine Antwort der koreanischen Behörden ging jedoch nicht ein. Der BMF teilte der Oberfinanzdirektion (OFD) mit Schreiben vom 29.Juli 1982 mit, daß mit einer Antwort auf das Nachprüfungsersuchen nicht mehr zu rechnen sei.

Das HZA forderte mit Änderungsbescheid vom 9.September 1983 von der Klägerin 50 987,61 DM Zoll mit der Begründung nach, das eingeleitete Nachprüfungsersuchen sei unbeantwortet geblieben. Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, den Änderungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Die Klage hatte keinen Erfolg (Urteil des Finanzgerichts --FG-- Berlin vom 17.September 1985 VII 55/84, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1986, 463).

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Der angefochtene Änderungsbescheid verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

1. Das HZA hat den Bescheid zu Recht auf § 172 Abs.1 Nr.1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützt. Diese Vorschrift gilt hier, da ihr das Gemeinschaftsrecht nicht entgegensteht. Die NacherhebungsVO findet im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin keine Anwendung.

Die Verordnung (EWG) Nr.1967/79 des Rates vom 24.Juli 1979 ist nach ihrem Art.11 am 1.Juli 1980 in Kraft getreten. Sie ist, wie der EuGH mit Urteilen vom 12.November 1981 Rs.212-217/80 (EuGHE 1981, 2735, 2753) und vom 9.Dezember 1982 Rs.82/82 (EuGHE 1982, 4323, 4329) entschieden hat, auf vor dem Inkrafttreten vorgenommene Eingangsabgabenfestsetzungen nicht anwendbar. Als solche Festsetzungen sind auch Zollfreistellungen anzusehen (vgl. § 155 Abs.1 Satz 3 AO 1977). Der EuGH hat in den Gründen des erstzitierten Urteils (Absatz 13) klargestellt, daß die Regelungen der NacherhebungsVO "zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der VO schon eingeleitete Verfahren nicht betreffen können". Das Verfahren im vorliegenden Fall ist mit dem Antrag der Klägerin auf Abfertigung der eingeführten Waren zum freien Verkehr am 9.Juli 1979 und dem Steuerbescheid vom 12.Juli 1979 (Freistellung vom Zoll; vgl. § 36 Abs.2 des Zollgesetzes --ZG-- und § 155 Abs.1 Satz 3 AO 1977) eingeleitet worden; zu diesem Zeitpunkt erfolgte die buchmäßige Erfassung i.S. des Art.2 Abs.1 Unterabsatz 2 NacherhebungsVO.

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf den allgemeinen Grundsatz berufen, neues Verfahrensrecht sei auf alle noch nicht abgeschlossenen Verfahren anzuwenden. Der EuGH hat sich im erstzitierten Urteil mit dieser Frage auseinandergesetzt (Absatz 9 der Gründe). Er hat entschieden, daß die NacherhebungsVO sowohl verfahrens- als auch materiell-rechtliche Bestimmungen enthalte, als ein Ganzes zu betrachten sei und daher keinerlei Rückwirkung auf früher eingeleitete Verfahren haben könne (Absätze 11 bis 13 der Gründe). Der Senat folgt dieser Auffassung und hält eine erneute Befassung des EuGH mit dieser Rechtsfrage nicht für erforderlich.

2. Nach § 172 Abs.1 Nr.1 AO 1977 darf ein Steuerbescheid geändert werden, wenn er u.a. Zölle betrifft. Die Aufhebung setzt voraus, daß der geänderte Bescheid unrichtig war (vgl. Senatsurteil vom 25.Februar 1986 VII R 14/83, BFHE 146, 18, 23). Der Freistellungsbescheid war unrichtig, weil das HZA die eingeführten Waren zu Unrecht vom Zoll freigestellt hat. Die Freistellung wäre nur Rechtens gewesen, wenn für die Waren die Voraussetzungen für die Präferenzbehandlung vorgelegen hätten. Das ist jedoch nicht der Fall, wie die Vorinstanz zu Recht entschieden hat.

a) Die Zollaussetzung für Textilerzeugnisse aus den Entwicklungsländern ist Waren vorbehalten, die ihren Ursprung in diesen Ländern haben (Art.1 Abs.2 der Verordnung (EWG) Nr.1195/79 --VO Nr.1195/79-- des Rates vom 12.Juni 1979 ABlEG L 154/1). Der Ursprung allein vermittelt jedoch noch nicht ein Anrecht auf Gewährung der Präferenz. Vielmehr kommen nach Art.6 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr.148/79 (VO Nr.148/79) der Kommission vom 26.Januar 1979 (ABlEG L 25/1) --diese Vorschrift ist auf die eingeführten Textilerzeugnisse nach Art.1 der Verordnung (EWG) Nr.1464/79 der Kommission vom 13.Juli 1979 (ABlEG L 177/34) anwendbar-- nur solche "Ursprungswaren" in den Genuß der Präferenz, für die bei der Einfuhr ein Ursprungszeugnis nach vorgeschriebenem Muster vorgelegt wird. Diese Vorlage ist materiell- rechtliche Voraussetzung für die Gewährung der Vergünstigung. Sie kann, wie die Regelung des Art.6 Abs.1 VO Nr.148/79 klar ergibt, durch andere Nachweise nicht ersetzt werden. Weder das HZA noch das FG brauchten daher Ermittlungen über den tatsächlichen Ursprung der eingeführten Waren anzustellen oder entsprechenden Beweisangeboten der Klägerin nachzugehen (vgl. auch Urteil des Senats vom 13.Oktober 1970 VII R 40/68, BFHE 100, 279 zur vergleichbaren früheren Rechtslage).

b) Die Vorlage des Ursprungszeugnisses genügt allerdings nicht, falls die Zollbehörden des einführenden EWG-Mitgliedstaates das Verfahren nach Art.13 VO Nr.148/79 auf Nachprüfung der Echtheit oder Richtigkeit des Ursprungszeugnisses durch die zuständigen Behörden des Ausfuhrstaates eingeleitet haben. Denn nach Art.6 Abs.1 VO Nr.148/79 ist die Gewährung der Präferenz zusätzlich zum Erfordernis eines Ursprungszeugnisses noch davon abhängig, daß die letztgenannten Behörden entsprechende Verwaltungshilfe leisten. Diesem Erfordernis ist nicht schon dann genügt, wenn sich das Ausfuhrland zur Leistung dieser Verwaltungshilfe allgemein bereit erklärt hat. Vielmehr muß dies auch im konkreten Einzelfall geschehen, in dem die Zollbehörden des Einfuhrstaates bei den zuständigen Behörden des Ausfuhrstaates angefragt haben. Diese Verwaltungshilfe ist erst dann gewährt, wenn die Behörden des Ausfuhrstaates selbst auf das Nachprüfungsersuchen positiv geantwortet haben und insbesondere in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Behörden des Einfuhrstaates im einzelnen begründete Zweifel an der Richtigkeit des Ursprungszeugnisses geäußert haben, dabei auch auf diese Zweifel eingegangen sind. Leisten wie hier die Behörden des Ausfuhrstaates diese Verwaltungshilfe nicht, so fehlt es an einer (weiteren) materiell-rechtlichen Voraussetzung für die Gewährung der Präferenz.

Das Fehlen der Verwaltungshilfe durch die zuständigen Behörden des Ausfuhrstaates kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht durch mittelbare Beweise über das Ergebnis der amtlichen Nachprüfung durch die Behörden des Ausfuhrstaates ersetzt werden. Nur diese selbst können wirksam das Nachprüfungsverfahren durch eine entsprechende Beantwortung der Anfrage zum Abschluß bringen. Daher ist auch die von der Klägerin im Revisionsverfahren vorgelegte Bescheinigung des Handels- und Industrieministeriums von Südkorea vom 17.Februar 1986 ohne Bedeutung. Überdies hat die Klägerin damit eine neue Behauptung aufgestellt, mit der sie im Revisionsverfahren nicht gehört werden kann (vgl. § 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

c) Die Klägerin wendet im übrigen ein, die deutschen Behörden hätten im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens erhebliche Fehler begangen; das Nachprüfungsersuchen des BMF sei falsch adressiert gewesen und bei den koreanischen Behörden nicht angekommen. Es kann dahinstehen, ob bei solchen Mängeln des Nachprüfungsverfahrens die vorgelegten Ursprungszeugnisse ohne weitere Nachprüfung als ausreichender Nachweis des Ursprungs angesehen werden können. Denn jedenfalls widersprechen die Feststellungen der Vorinstanz über den Ablauf des Nachprüfungsverfahrens den Behauptungen der Klägerin. Diese Feststellungen sind für den Senat bindend, da zulässige und begründete Verfahrensrügen insoweit nicht erhoben worden sind (§ 118 Abs.2 FGO).

3. Ein Änderungsbescheid nach § 172 Abs.1 Nr.1 AO 1977 ist nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs.1 Satz 1 AO 1977). Der angefochtene Änderungsbescheid ist vor Ablauf der Festsetzungsfrist erlassen worden.

++/ Für Zölle beträgt die Festsetzungsfrist ein Jahr (§ 169 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977). Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Zoll entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO 1977), falls nicht zuvor der Ablauf der Frist gehemmt worden ist. Nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO 1977 läuft, falls die ZFÄ vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen beginnen, die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, wie die Vorinstanz zu Recht entschieden hat. Das ZFA X ermittelte schon im Juli 1979, also vor Beginn des Ablaufs der Festsetzungsfrist, ob u.a. die eingeführten Waren zu Recht in den Genuß der Zollfreiheit gelangt sind. Der aufgrund der Ermittlungen zu erlassende Steuerbescheid ist am 9. September 1983 ergangen; er ist Gegenstand dieses Verfahrens und noch nicht bestandskräftig geworden.

Die Klägerin ist offenbar der Auffassung, daß nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO 1977 der Ablauf der Festsetzungsfrist bei Ermittlungen der ZFÄ nicht mehr gehemmt ist, wenn der aufgrund der Ermittlungen zu erlassende Steuerbescheid länger auf sich warten läßt, als die normale Festsetzungsfrist (ein Jahr) beträgt. Diese Auffassung widerspricht aber dem klaren Wortlaut der Vorschrift. Nach diesem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist nicht davon auszugehen, daß sie stillschweigend eine entsprechende Befristung enthält. Dafür spricht auch die ständige Rechtsprechung des BFH zur Vorgängervorschrift des § 171 Abs. 4 AO 1977, dem § 146a Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO). Dieser entsprach fast wörtlich dem § 171 Abs. 4 AO 1977 vor der Ergänzung. Er konnte nach der Rechtsprechung des BFH nicht dahin ausgelegt werden, daß die Hemmung des Ablaufs der Verjährungsfrist auch durch einen anderen als einen der in der Vorschrift genannten Gründe beendet wird (vgl. Urteile vom 29. Januar 1974 VII R 69/71, BFHE 111, 293, BStBl II 1974, 308, und vom 29. Juli 1981 I R 62/77, BFHE 134, 264, BStBl II 1982, 107, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BFH). Das muß entsprechend gelten für die Auslegung des § 171 Abs. 5 AO 1977.

4. Auch der Grundsatz der Verwirkung als Ausfluß des Grundsatzes von Treu und Glauben greift, wie das FG zutreffend entschieden hat, hier nicht ein. Die Verwirkung eines Steueranspruchs setzt u.a. ein bestimmtes Verhalten der Finanzbehörden voraus, aufgrund dessen der Steuerpflichtige bei objektiver Beurteilung annehmen darf, die Behörde werde den Anspruch nicht oder nicht mehr geltend machen (sog. Vertrauenstatbestand; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 8. Oktober 1986 II R 167/84, BFHE 147, 409, BStBl II 1987, 12). Das bloße Untätigbleiben der Finanzbehörde vermag einen Vertrauenstatbestand in der Regel nicht zu schaffen (vgl. BFHE 111, 293, BStBl II 1974, 308; BFHE 134, 264, BStBl II 1982, 107).

Das Vorliegen eines Ausnahmefalles, in dem Verwirkung unter bestimmten Voraussetzungen auch durch bloßen Zeitablauf eintreten kann (vgl. BFH-Urteil vom 14. September 1978 IV R 89/74, BFHE 126, 130, 140, BStBl II 1979, 121), hat das FG zu Recht verneint. Das ZFA X hatte der Klägerin am 18. Januar 1981 mitgeteilt, daß das Nachprüfungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei. Daß es lange dauern könnte, bis die Behörden in Südkorea ihre Prüfungen abschlossen und dem BMF mitteilten, mußte einem Unternehmen wie dem der Klägerin klar sein. Ohne ein zusätzliches Tätigwerden der Finanzbehörden gegenüber der Klägerin --z.B. durch Mitteilung, die Ermittlungen in Südkorea seien mit positivem Erfolg für die Klägerin abgeschlossen worden-- konnte die Klägerin allenfalls dann darauf vertrauen, die Verwaltung werde den Zoll nicht mehr nachfordern, wenn zwischen der genannten Mitteilung des ZFA und dem Erlaß des Änderungsbescheides eine wesentlich längere Zeitspanne als 2 1/2 Jahre lag. Diese Zeitspanne ist zu kurz, um durch Ablauf allein eine genügende Grundlage für einen Vertrauenstatbestand zu schaffen (z.B. im Fall des Urteils in BFHE 134, 264, BStBl II 1982, 107 hatte der BFH sieben Jahre, im Fall des Urteils in BFHE 111, 293, BStBl II 1974, 308 vier Jahre nicht als ausreichend betrachtet; vgl. auch Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 Anm. 17).

In Anwendung der Grundsätze des EuGH-Urteils vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 (EuGHE 1982, 3415) sieht sich der Senat nicht für verpflichtet, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. /++

 

Fundstellen

Haufe-Index 62392

BFH/NV 1988, 4

BFHE 154, 406

BFHE 1989, 406

BB 1988, 2311-2311 (L1)

HFR 1989, 65 (LT)

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