Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwand beim Bedienungspersonal eines Kanalreinigungsfahrzeugs

 

Leitsatz (NV)

Der Beifahrer eines in einem Stadtgebiet eingesetzten Kanalreinigungsfahrzeugs ist als Berufskraftfahrer im Sinne des Abschn. 22 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 LStR anzusehen, wenn seine Tätigkeit von der ständigen Ortsveränderung geprägt ist.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1; LStR 1981 Abschn. 22 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, S. 6, Abs. 3 S. 4 Nr. 3

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Beifahrer eines im Stadtgebiet von R eingesetzten Kanalreinigungsfahrzeuges tätig. In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1981 machte er Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von insgesamt 1 136 DM (142 Tage à 8 DM) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hielt demgegenüber die Voraussetzungen für Dienstgänge für gegeben und ließ demgemäß Verpflegungsmehraufwendungen nur in Höhe von 426 DM (142 Tage à 3 DM) zum Werbungskostenabzug zu.

Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus: Im Streitfall könnten die Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen bei Dienstreisen und Dienstgängen (Abschn. 25 Abs. 2, Abs. 4 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1981) sowie bei einer Beschäftigung auf ständig wechselnden Einsatzstellen (Abschn. 24 Abs. 4 Nr. 3 LStR 1981) nicht gewährt werden, weil der Kläger nicht von seiner regelmäßigen Arbeitsstätte abwesend gewesen sei. Seine regelmäßige Arbeitsstätte sei das Kanalreinigungsfahrzeug gewesen. Im übrigen lägen die weiteren Voraussetzungen für Dienstreisen selbst dann nicht vor, wenn der Bauhof in R die regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers gewesen wäre; denn der Kläger sei innerhalb des Stadtgebietes von R und damit in einem Umkreis von weniger als 15 km vom Bauhof entfernt tätig geworden. Soweit das FA dem Kläger die Pauschbeträge für Dienstgänge gewährt habe, sei das FG wegen des Verbotes der Verböserung daran gebunden. - Dem Kläger stünden auch nicht die Pauschbeträge des Abschn. 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 i. V. m. Abs. 3 Satz 4 Nr. 3 LStR 1981 zu. Diese Richtlinienregelung sei auf solche Berufskraftfahrer zugeschnitten, die zwar am Betriebsitz keine regelmäßige Arbeitsstätte hätten, wohl aber weiter als 15 km vom Betriebssitz eingesetzt seien. Diese Voraussetzung erfülle der Kläger nicht, da er in einem Umkreis von weniger als 15 km vom Bauhof entfernt tätig gewesen sei.

Mit der Revision begehrt der Kläger weiterhin den Ansatz der Pauschbeträge des Abschn. 22 Abs. 3 Satz 4 Nr. 3 LStR 1981. Er ist der Auffassung, die Richtlinienregelung müsse auf die gesamte Gruppe der Berufskraftfahrer einheitlich angewendet werden, ohne daß es auf die Entfernung der Fahrtstrecken vom Betriebsitz ankommen könne. Entscheidend sei, daß er, der Kläger, eine Reisetätigkeit ausübe und sich in der gleichen Situation wie andere Berufskraftfahrer befinde, da er ähnlich wie diese nicht selbst steuern könne, an welchem Ort er sich zu welcher Zeit befinde. Damit habe er nicht die Möglichkeit, die günstigste Essensmöglichkeit auszunutzen.

Das FA tritt der Revision entgegen. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus: Der Kläger sei nicht als Berufskraftfahrer i. S. der Richtlinienregelung anzusehen. Seine Arbeitsstätte sei nicht das Kanalreinigungsfahrzeug selbst. Die Arbeitsstätte sei lediglich bei dem Kanalreinigungsfahrzeug. Der Kläger sei nicht mit der Beförderung von Gütern oder Personen von einem Ort zum anderen beschäftigt; das Schwergewicht seiner Tätigkeit liege vielmehr in der Kanalreinigung. Die Fahrt des Kanalreinigungsfahrzeugs diene lediglich dem Verbringen eines notwendigen Arbeitsmittels (Spezialfahrzeug) zum und vom jeweiligen Einsatzort. Entscheidend seien also nicht die fahrerischen Tätigkeiten des Klägers, sondern die Kanalreinigungsarbeiten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Der Senat folgt dem FG darin, daß der Kläger weder Dienstreisen noch Dienstgänge i. S. des Abschn. 25 Abs. 2, Abs. 4 LStR 1981 durchgeführt hat. Die Beteiligten und das FG gehen übereinstimmend davon aus, daß der Kläger keine regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne der vorgenannten Richtlinienregelung am Bauhof in R gehabt hat. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.

Entgegen der Auffassung des FA und der Vorinstanz ist der Senat allerdings der Meinung, daß dem Kläger die Pauschbeträge des Abschn. 22 Abs. 3 Satz 4 Nr. 3 LStR 1981 zustehen können, da der Kläger als Berufskraftfahrer im Sinne des Abschn. 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LStR 1981 anzusehen sein kann. Der Senat hat durch Urteile vom 8. August 1986 VI R 195/82 (BFHE 147, 247, BStBl II 1986, 824), VI R 2/84 (BFHE 147, 255, BStBl II 1986, 828) und VI R 117/83 (BFHE 148, 237, BStBl II 1987, 184) entschieden, daß Busfahrer, Straßenbahnführer und Taxifahrer auch dann als Berufskraftfahrer im Sinne der vorgenannten Richtlinienregelungen anzusehen sind, wenn sie im städtischen Linienverkehr und damit in geringerem Umfang als 15 km von ihrem Betriebssitz entfernt tätig werden. Diese Entscheidungen entsprechen der vom Bundesminister der Finanzen (BMF) im Verfahren in BFHE 147, 247, BStBl II 1986, 824 vorgetragenen Rechtsauffassung. Inzwischen hat die Finanzverwaltung im Hinblick auf diese Rechtsprechung des Senats z. B. auch Müllfahrzeugführer mit Begleitpersonal als zu den Berufskraftfahrern gehörend eingestuft (vgl. Verfügung der Oberfinanzdirektion - OFD - Düsseldorf vom 13. Januar 1987 S 2338 A - St 121, Der Betrieb - DB - 1987, 459). Diese Auffassung hält der Senat für zutreffend, da - was den Anfall von Verpflegungsmehraufwendungen anbetrifft - kein wesentlicher Unterschied zwischen der Tätigkeit z. B. eines Busfahrers und der eines Müllfahrzeugführers besteht. Das gleiche gilt für den Verpflegungsmehraufwand einer Begleitperson des Fahrzeugführers.

Wesentlich für den Anfall und die Höhe des Verpflegungsmehraufwandes ist, daß die vorbezeichneten Steuerpflichtigen außerhalb der Betriebstätte des Arbeitgebers eingesetzt sind und bei ihrer Tätigkeit an ein Fahrzeug gebunden sind. Dies kann gleichermaßen auch für den Kläger als Begleitperson eines Kanalreinigungsfahrzeuges zutreffen. Dabei kann auf die Höhe des Verpflegungsmehraufwandes der Umstand keinen Einfluß haben, daß das Kanalreinigungsfahrzeug notwendiges Arbeitsmittel für die Kanalreinigung ist. Für den Anfall von Verpflegungsmehraufwand macht es keinen Unterschied, ob ein Steuerpflichtiger ,,auf" einem Fahrzeug tätig ist oder ob er ,,mit" dem Fahrzeug außerhalb des Betriebssitzes tätig wird. Entscheidend ist allerdings, daß der Kläger mit dem Kanalreinigungsfahrzeug einer überwiegend mobilen Tätigkeit nachgeht und damit die ständige Ortsveränderung der Tätigkeit das Gepräge gibt. Hierzu wird das FG weitere Feststellungen zu treffen haben.

Sollte der Kläger als Berufskraftfahrer anzusehen sein, so wird das FG weiter feststellen müssen, ob die Tätigkeit des Klägers steuerschädlich unterbrochen worden ist. Hierzu verweist der Senat auf seine Urteile in BFHE 148, 237, BStBl II 1987, 184 sowie vom 18. September 1986 VI R 102/85 (BFHE 148, 25, BStBl II 1987, 128).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415061

BFH/NV 1987, 510

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