Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer/Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Veräußert eine beherrschende Kapitalgesellschaft (Organträger) eine von ihr gehaltene Beteiligung an eine andere von ihr abhängige Kapitalgesellschaft (Organunternehmen) zu einem unter dem tatsächlichen Wert liegenden Preis, so tritt eine Auflösung der stillen Reserven ein. Der Unterschiedsbetrag ist als Einlage auf dem Beteiligungskonto zu aktivieren.

 

Normenkette

KStG § 6/1/1; EStG §§ 4-5; StAnpG § 1 Abs. 2, § 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Verkauf einer vom Organträger gehaltenen Beteiligung an die Organgesellschaft zu einer Aufdeckung der stillen Reserven auch dann führt, wenn die Veräußerung zum Nenn- und Buchwert, statt zum höheren Verkehrswert erfolgt.

Die Revisionsbeklagte (Stpfl.), eine Aktiengesellschaft (AG), hat im Streitjahr 1955 der ihr durch Organvertrag verbundenen G-AG eine Beteiligung an der Firma M-GmbH zum Nominal- und Buchwert von 10 000 DM überlassen. Der Verkehrswert betrug, wie Veräußerungsgeschäfte untereinander fremden Dritten ergeben haben, 100 000 DM. Der Revisionskläger (das FA) hat deshalb eine unzulässige Gewinnverlagerung seitens der Stpfl. auf die Organgesellschaft angenommen und den Gewinn der Stpfl. um 90 000 DM erhöht.

Der Einspruch der Stpfl. blieb ohne Erfolg. Das FG, dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 1965 S. 603 (EFG 1965, 603) veröffentlicht ist, gab ihrer Berufung statt. Seine Entscheidung begründet es wie folgt:

Angesichts des Bestehens eines Organverhältnisses mit Ergebnisabführungsvereinbarung sei die Beteiligung durch ihre Veräußerung an die Organgesellschaft - als vom Gesellschafter an die Gesellschaft - nicht aus dem wirtschaftlichen Machtbereich der Stpfl. ausgeschieden. Diese könne vielmehr einmal kraft ihres Weisungsrechts jederzeit die Rückübertragung der Beteiligung auf sich zu einem ihr angemessen erscheinenden Preis verlangen. Die Veräußerung habe deshalb - anders als im umgekehrten Fall der Veräußerung der Beteiligung seitens der Gesellschaft an den Gesellschafter - keine Gewinnverwirklichung ausgelöst. Zum anderen aber werde bei einer etwaigen Veräußerung der Beteiligung durch die Organgesellschaft der den Buchwert übersteigende Erlös auf Grund der Gewinnabführung von der Stpfl. als mittelbarer Gewinn versteuert.

Aber auch wenn man den Vorgang rechtlich nach seiner äußeren Erscheinungsform, d. h. als reinen Veräußerungsvorgang, beurteile, sei in der hier gegebenen Preisgestaltung ein Mißbrauch im Sinne des § 6 StAnpG nicht zu erkennen. Es seien vielmehr die gleichen Grundsätze anzuwenden, die für Rechtsgeschäfte zwischen Eltern und Kindern gelten (Urteile des BFH I 73/55 U vom 14. Februar 1956, BFH 62, 407, BStBl III 1956, 151; I 4-5/55 U vom 31. Juli 1956, BFH 63, 237, BStBl III 1956, 288); nach diesen könne bei preisgünstiger überlassung oder Schenkung nicht schlechthin von Steuerumgehung gesprochen werden (BFH-Urteil III 126/55 S vom 11. November 1955, BFH 61, 509, BStBl III 1955, 395). Es sei auch kein Anhalt dafür gegeben, daß die Vertragsparteien tatsächlich mit einem anderen als dem Buchwert gerechnet hätten (BFH-Urteil VI 178/62 U vom 22. November 1963, BFH 78, 184, BStBl III 1964, 74). Sei aber die gesellschaftsrechtlich bedingte Vereinbarung besonders niedriger Pachtzinsen im Falle einer Betriebsaufspaltung nicht zu beanstanden (BFH-Urteil I 131/59 S vom 8. November 1960, BFH 71, 706, BStBl III 1960, 513), so könne auch die übertragung stiller Reserven im Rahmen eines Konzerns keinen rechtlichen Bedenken begegnen (so auch Thiel, Der Betrieb 1961 S. 212; Kohlenbach, Der Betrieb 1961 S. 218).

Der gemäß § 122 Abs. 2 FGO auf Aufforderung des Senats dem Verfahren beigetretene Bundesminister der Finanzen - BdF - hat ausgeführt, daß in Fällen wie dem vorliegenden - Leistung einer Sacheinlage ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten - ein tauschähnlicher Vorgang mit Gewinnverwirklichung gegeben sei. Dem stehe weder die Vorschrift des § 15 Abs. 2 KStG (bzw. der in ihr zum Ausdruck kommende allgemeine Rechtsgedanke) noch die organschaftliche Verflechtung von Käuferin und Verkäuferin entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die als Revision zu behandelnde Rb. des FA mußte Erfolg haben.

Es kann handelsrechtlich nicht zweifelhaft sein, daß die Erwerberin der Beteiligung als ein einem anderen (der Stpfl.) verbundenes Unternehmen ihre rechtliche Selbständigkeit nicht dadurch verloren hat, daß sie als abhängiges (Organ-) Unternehmen in den Betrieb des anderen - herrschenden - Unternehmens (des Organträgers) derart finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch - nach Art einer bloßen Geschäftsabteilung - eingegliedert ist, daß sie keinen eigenen geschäftlichen Willen mehr entfalten kann, d. h. wirtschaftlich ein Handeln auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeschlossen ist. Dieser für das Streitjahr in § 15 Abs. 2 AktG 1937 zum Ausdruck kommende Grundsatz der rechtlichen Selbständigkeit auch des abhängigen Unternehmens ist heute für ein in Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen in den Vorschriften der §§ 15 ff. AktG 1965 normiert. Die vielfach erhobene Forderung, den Zusammenschluss rechtlich selbständiger Unternehmen zu wirtschaftlichen Zwecken unter einheitlicher Leitung (Konzern) angesichts der wirtschaftlichen Unselbständigkeit der in ihm verbundenen Unternehmen als ein einziges selbständiges Rechtssubjekt anzuerkennen, in dem die rechtliche Selbständigkeit der in ihm verbundenen Unternehmen verlorengehe, ist auch vom Gesetzgeber des AktG 1965 nicht erfüllt worden. Auch die Einführung einer Konzernbilanz (§§ 329 ff. AktG 1965) hat nicht zur Aufgabe der Verpflichtung der verbundenen Unternehmen geführt, zum Zwecke der Gewinnermittlung eigene Bilanzen aufzustellen.

Das Steuerrecht folgt angesichts der Einheit der Rechtsordnung dem Handelsrecht, soweit nicht besondere Steuerrechtsvorschriften oder die wirtschaftliche Betrachtungsweise eine Abweichung gebieten. Die Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, wie sie in § 1 Abs. 2 und 3 StAnpG normiert ist, ist mit dem Grundgesetz vereinbar (siehe dazu die Entscheidung des BVerfG 1 BvR 232/60 vom 24. Januar 1962, BStBl I 1962, 506 (510)); sie ist eine gesetzliche Auslegungsregel (BFH-Urteil VI 178/62 U, a. a. O.).

Wenn auch die Rechtsprechung zur Organschaft (vgl. zuletzt Urteile des BFH I 249/61 S vom 4. März 1965, BFH 82, 233, BStBl III 1965, 329, und I 280/63 vom 17. November 1966, BFH 87, 253, BStBl III 1967, 118) dazu führt, daß bei organschaftlich verbundenen Unternehmen mit Gewinnabführungsvereinbarung von einer zweimaligen Erfassung des wirtschaftlich gleichen Ertrags durch die Körperschaftsteuer abzusehen ist, rechtfertigt sie dennoch nicht, Gewinne von der Heranziehung zur Körperschaftsteuer auszunehmen, die durch die Auflösung stiller Reserven bei einem von zwei organschaftlich verbundenen Unternehmen entstanden sind, nur weil diese Gewinne aus einem innerkonzernlichen Güteraustausch resultieren. Wollte man hier der Stpfl. folgen, so hieße das, die von Gesetz- und Rechtsprechung abgelehnte Einheitstheorie zur Anwendung bringen, die die wirtschaftlich verbundenen Unternehmen trotz ihrer rechtlichen Selbständigkeit auch rechtlich als eine Einheit verstanden wissen will. Die Veräußerung der Beteiligung durch die Stpfl. zum Buchwert führt in Höhe des Unterschiedsbetrags zum tatsächlichen Wert der Beteiligung zur Auflösung der in ihr enthaltenen stillen Reserven und stellt sich bei der Stpfl. als nicht abzugsfähige Einlage dar. Indem die Stpfl. ihrer Tochtergesellschaft die Beteiligung zu dem unter dem gemeinen Wert liegenden Buchwert verkaufte, hat sie ihr in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert und dem geforderten, zu niedrigen Kaufpreis einen Vermögensvorteil verschafft. Diese Einlage ist grundsätzlich auf dem Beteiligungskonto zu aktivieren, dagegen bei der empfangenden Gesellschaft körperschaftsteuerfrei. Die mit der Aktivierung der Einlage in solchen Fällen verbundene Auflösung stiller Reserven muß steuerlich berücksichtigt werden; andernfalls würden wesentliche Grundsätze des Steuerrechts verletzt (§§ 4,5 EStG). Mit Recht hat der BdF in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, daß dieser Auffassung auch die BFH-Urteile I 155/59 U vom 25. Mai 1962 (BFH 75, 231, BStBl III 1962, 351) und I 182/60 U vom 25. Mai 1962 (BFH 75, 238, BStBl III 1962, 354) nicht entgegenstehen. Zwar hat der BFH in diesen Urteilen ausgeführt, daß in § 15 Abs. 2 KStG der Ausdruck eines allgemeinen, die Gewinnrealisierung betreffenden Rechtsgedankens zu sehen sei, der einen Zwang zur Auflösung der stillen Reserven verneinen lasse, wenn die spätere Erfassung der stillen Reserven durch die Körperschaftsteuer sichergestellt sei. Damit sollte indes keinesfalls der Boden dieser Vorschrift in dem Sinne verlassen werden, daß unabhängig von den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge bei jeder übertragung von Wirtschaftsgütern von einer Gewinnrealisierung abgesehen werden könne, sofern nur durch die übernahme des Bilanzansatzes des übertragenden Unternehmens durch den Rechtsnachfolger die spätere Versteuerung der stillen Reserven bei diesem sichergestellt sei. Eine derartige Erweiterung der Vorschrift des § 15 Abs. 2 KStG beinhalten die genannten Urteile nicht.

Aus diesem Grunde kann der Senat auch die von der Stpfl. aufgeworfenen Bedenken aus § 5 Abs. 3 DMBG nicht teilen. Der den Vorschriften des DMBG mit 10 000 DM entsprechende Wertansatz der Beteiligung muß unverändert bleiben, solange die Beteiligung im Betriebsvermögen der Stpfl. verbleibt. Die Veräußerung an ein rechtlich selbständiges, wenn auch wirtschaftlich der Stpfl. verbundenes Unternehmen wird indes durch diese Vorschrift weder verhindert noch berührt. Auch das Urteil des BFH I 131/59 S (a. a. O.), das einen Fall der Betriebsaufspaltung betrifft, ist auf den Streitfall (mit seinem Organverhältnis) nicht anwendbar. Denn in dem dort entschiedenen Falle sind nicht die Wirtschaftsgüter selbst, sondern ist lediglich das Recht, sie zu nutzen, übertragen worden. Dem Sinn diese Urteils entsprechend können aber Kaufverträge nicht Nutzungsverträgen gleichgestellt werden. Soweit die Stpfl. mit Rücksicht auf das Organverhältnis das Betriebsvermögen ihrer Organgesellschaft ihrem eigenen Betriebsvermögen gleichgeachtet wissen will, kann ihr der Senat aus den dargelegten Gründen nicht folgen.

Schließlich ist auch eine übertragung der stillen Reserven durch Fortführung des Bilanzansatzes der Beteiligung durch die Organgesellschaft (§ 7 Abs. 2 EStDV 1955) nicht möglich. Zu Unrecht beruft sich die Stpfl. auf das BFH-Urteil IV 216/64 S vom 25. November 1965 (BFH 84, 303, BStBl III 1966, 110). Dort handelt es sich um die steuerrechtlich zutreffende Einordnung einer gemischten Einlage in der Form der wesentlichen Beteiligung am Beteiligungsunternehmen seitens des wesentlich beteiligten Gesellschafters - einer natürlichen Person - auf das Beteiligungsunternehmen. Im Streitfall hat die Stpfl. dagegen nicht eine Beteiligung an ihrer Organgesellschaft auf diese, sondern eine Beteiligung an einem dritten Unternehmen, der M-GmbH, auf die Organgesellschaft übertragen. Der Gedanke, daß die stillen Reserven auch im Falle ihrer übertragung auf die Organgesellschaft im Ergebnis der Körperschaftsteuer nicht entzogen würden, erlaubt es nicht, die Tatsache ihrer Aufdeckung durch die entgeltliche übertragung der Beteiligung hintanzusetzen.

Der Steuerbescheid vom 5. November 1963 war daher wiederherzustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412697

BStBl III 1967, 733

BFHE 1967, 524

BFHE 89, 524

BB 1967, 410

DB 1967, 2100

StRK, KStG:6/1/1 Allg R 122

NWB, F. 4 S.1034 Nr. 72

BFH-N, Nr. 9 zu

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