Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht, Abgabenordnung Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Jubiläumsgeschenke an Arbeitnehmer sind nur steuerfrei, wenn sie in zeitlichem Zusammenhang mit dem Jubiläum gewährt werden. Die in Abschn. 10 a Abs. 1 LStR 1963 genannten Zeiträume von drei bzw. zwölf Monaten enthalten im allgemeinen eine vertretbare Auslegung des Gesetzes.

Erhält ein Arbeitnehmer nachträglich ein Geldgeschenk zu seinem 25jährigen Dienstjubiläum, weil sich die Beteiligten über die Anrechnung von Vordienstzeit bei einem mitteldeutschen Schwesterunternehmen erst später einig geworden sind, so kann diese Zuwendung steuerfrei sein. Voraussetzung ist aber, daß die Beteiligten aus der neuen Dienstzeitberechnung für alle Bereiche des Arbeitsvertrags und für alle Betriebsangehörigen gleichmäßig verfahren.

AO § 152 Abs. 2 Ziff. 1; EStG 1961 § 3 Ziff. 52, § 19; LStDV 1962 § 5 Abs. 1 Ziff. 2; LStR 1963

 

Normenkette

AO § 152 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 3 Ziff. 52, § 19; LStDV § 5; LStR Abschn. 10a/1; LStDV Ziff. 2

 

Tatbestand

Der Bg. ist Angestellter einer GmbH, die früher zum Geschäftsbereich der N-Gesellschaft in Thüringen gehörte. Er hatte zum 25jährigen Dienstjubiläum einen Anspruch auf ein zusätzliches Monatsgehalt. Bei Berechnung der Dienstjahre setzte die GmbH zunächst die Zeit nicht an, in der der Bg. bei dem mitteldeutschen Schwesterunternehmen angestellt war; sie berief sich dafür auf Besatzungsvorschriften. Im Jahre 1963 vereinbarten jedoch alle Werke, die früher der N-Gesellschaft angehört hatten, daß ihren Arbeitnehmern nunmehr allgemein auch die Dienstzeiten in den enteigneten mitteldeutschen Unternehmen angerechnet werden sollten. Bei dieser Berechnung hatte der Bg. am 1. April 1957 sein 25. Dienstjahr vollendet. Die GmbH zahlte ihm im September 1963 als Jubiläumszuwendung ein Monatsgehalt, behielt darauf die Lohnsteuer mit 204 DM ein und führte sie an das Finanzamt ab.

Der Bg. beantragte die Erstattung dieses Betrages. Das Finanzamt lehnte das ab, weil der in Abschn. 10 a LStR 1963 festgestellte Zeitraum von drei Monaten zwischen dem Zeitpunkt des Arbeitnehmerjubiläums und der Gewährung des Jubiläumsgeschenks überschritten sei. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht, dessen Urteil in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1964 S. 557 veröffentlicht ist, gab der Berufung statt und führte aus, es sei zwar an sich richtig, daß der Zeitpunkt des Jubiläums und der der Gewährung der Jubiläumsgabe zeitlich in Verbindung stehen müßten. Wenn die Verwaltungsanweisung in Abschn. 10 a LStR 1963 einen Zwischenraum von drei bzw. zwölf Monaten als vertretbar bezeichne, so entspreche das zwar für den Regelfall einer vernünftigen Gesetzesauslegung. Es sei aber auch den Verhältnissen des Einzelfalles Rechnung zu tragen. Im Streitfall habe am 1. April 1957 zwar festgestanden, daß der Bg. nach Ablauf des 25. Dienstjahres eine Geldzuwendung habe beanspruchen können. Ungewiß sei indessen gewesen, wann die Frist von 25 Jahren abgelaufen sei. Das sei erst im Jahre 1963 geklärt worden. Das Jubiläumsgeschenk sei unverzüglich nach dieser Klärung gewährt worden. Der Betrag sei darum steuerfrei zu belassen und die Lohnsteuer von 204 DM sei gemäß § 152 Abs. 2 Ziff. 1 AO zu erstatten.

Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des § 152 Abs. 1 Ziff. 2 AO in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Ziff. 2 LStDV 1962. Er hält den zeitlichen Zusammenhang zwischen Jubiläum und Jubiläumsgeschenk nicht für gewahrt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führte zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Zum steuerpflichtigen Arbeitslohn im Sinne des § 19 EStG - § 2 LStDV- gehören grundsätzlich alle Zuwendungen in Geld oder Geldeswert, die ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern gewährt. Auch als "Geschenke" bezeichnete Zuwendungen sind gewöhnlich Arbeitslohn. Anders ist es nur bei Gelegenheitsgeschenken, d. h. bei üblichen Geschenken, die bei besonderen persönlichen, nicht oft wiederkehrenden Anlässen Arbeitnehmern gewährt werden, die nach Art und Höhe nicht ungewöhnlich und übermäßig sind und bei denen der Gedanke einer Aufmerksamkeit und einer Ehrung, nicht aber der Gedanke einer Entlohnung für geleistete Dienste im Vordergrund steht (Urteil des Senats VI 154/60 U vom 4. Mai 1962, BStBl 1962 III S. 281, Slg. Bd. 75 S. 34; Hartz-Over, Lohnsteuer, Stichwort "Gelegenheitsgeschenk" unter Ziff. 1). Für manche Gelegenheitsgeschenke, z. B. für Geburts- und Heiratsbeihilfen, sind Sonderregelungen getroffen (siehe § 6 Ziff. 10 LStDV 1962). Auch § 5 LStDV 1962, der seine Rechtsgrundlage in § 3 Ziff. 52 EStG 1962 hat, enthält für Zuwendungen aus Anlaß von Arbeitnehmerjubiläen oder Geschäftsjubiläen eine solche Sonderregelung. Hat das Gesetz für bestimmte Gelegenheitsgeschenke Sonderregelungen getroffen, so sind sie grundsätzlich abschließend, so daß für andere ähnliche Fälle der allgemeine Rechtsgedanke des Gelegenheitsgeschenkes in der Regel nicht zur Steuerfreiheit führen kann.

Jubiläumsgaben können gemäß § 5 LStDV 1962 nur steuerfrei bleiben, wenn das Jubiläum und die Gewährung der Jubiläumsgabe zeitlich eng zusammenhängen; denn nur wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, trägt das Jubiläumsgeschenk dem Zweck des Gelegenheitsgeschenks Rechnung, aus besonderem Anlaß dem Arbeitnehmer eine Freude zu machen und Anerkennung zu zollen. Für den Zusammenhang kommt es nicht ausschließlich auf die Zeit der tatsächlichen Zuwendung an, sondern auch auf die Zeit der Zusicherung des Geschenks. Verspricht z. B. der Arbeitgeber in zeitlichem Zusammenhang mit einem Jubiläum seinen Arbeitnehmern ein Geschenk, so bleibt das Geschenk steuerfrei, auch wenn es erst einige Zeit später tatsächlich gewährt wird. Für die Zeit der tatsächlichen Zuwendung spielen oft besondere Umstände mit, z. B. der Wunsch, mehrere Jubilare gleichzeitig in einer Betriebsfeier zu ehren. Allerdings darf zwischen der Zusage und der Zuwendung auch keine unangemessen lange Zeit liegen. Wenn in Abschn. 10 a Abs. 1 LStR 1963 eine Zeit von drei bzw. zwölf Monaten als vertretbar bezeichnet wird, so entspricht das im allgemeinen dem Gesetz.

Mit Recht hat aber das Finanzgericht eine Schematisierung abgelehnt und hier einen Sonderfall für gegeben erachtet. Der Senat hat es schon früher z. B. als wesentlich erachtet, daß eine geplante Jubiläumsfeier unvorhergesehen kurzfristig verschoben werden mußte (Urteil VI 36/60 vom 16. September 1960, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1961 S. 15, Der Betrieb 1961 S. 87). Auf der anderen Seite können Zuwendungen, die aus freiem Entschluß erst wesentlich später nachträglich unter der Bezeichnung Jubiläumsgeschenke gewährt werden, nichtsteuerfrei bleiben, wie im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 283/53 U vom 20. Mai 1954 (BStBl 1954 III S. 201, Slg. Bd. 58 S. 757) entschieden ist. Damals wurde die Steuerfreiheit versagt für Zuwendungen, die im Oktober 1949 aus Anlaß eines Geschäftsjubiläums, das am 20. Juni 1948 stattfand, als Jubiläumsgaben gewährt wurden, weil angeblich vorher keine Mittel dafür bereitgestanden hatten.

Mit Recht hat das Finanzgericht den Streitfall anders beurteilt und hat seine Besonderheit darin gesehen, daß sich die Beteiligten erst im Jahre 1963 über die Anrechnung der Vordienstzeiten einig geworden sind. Man kann hier auch noch einen Gesichtspunkt heranziehen, den der Senat schon in der Entscheidung VI 116/62 U vom 3. Mai 1963 (BStBl 1963 III S. 330, Slg. Bd. 77 . 37) in einem anderen Zusammenhang hervorgehoben hat: Hier hatte der Bg. auf jeden Fall Anspruch auf ein Geschenk zum 25jährigen Dienstjubiläum. Bei der ursprünglichen Berechnung der Dienstzeit hätte der Jubiläumszeitpunkt etwas später gelegen. Wenn er nach der neuen Berechnungsmethode vorverlegt ist, so erhält der Bg. das Geschenk zwar etwas früher, aber auf keinen Fall erhält er es zweimal.

Wenn so auch dem Finanzgericht grundsätzlich beizutreten ist, so muß die Vorentscheidung doch aufgehoben werden, weil der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt nicht geklärt ist. Es war lange Zeit unklar, ob die Dienstzeit in Mitteldeutschland in die Berechnung der Dienstzeit bei der jetzigen Arbeitgeberin einzubeziehen war. Das Finanzgericht hat nicht festgestellt, ob die Beteiligten aus ihrer späteren Vereinbarung alle Folgen gezogen haben oder ob etwa die Anrechnung der Vordienstzeit nur für die Anwendung des § 5 LStDV 1962 gelten soll. Rechnet ein Unternehmen seinen Betriebsangehörigen Dienstzeiten an, die bei Schwesterfirmen abgeleistet worden sind, oder betrachtet sich ein Unternehmen als Nachfolger eines früheren Unternehmens, so setzt die Steuerfreiheit gemäß § 5 LStDV 1962 voraus, daß auch arbeitsrechtlich und sozialversicherungsrechtlich, z. B. für den nach der Dienstzeit berechneten Kündigungsschutz, für eine von der Dienstzeit abhängige zusätzliche Altersversorgung der Arbeitnehmer, für den nach den Dienstjahren bemessenen Urlaub usw., die Folgerungen gezogen werden. Wesentlich ist auch, daß der Arbeitgeber bei der Berechnung der Dienstzeit für alle Arbeitnehmer und alle Arbeitnehmerjubiläen nach denselben Grundsätzen verfährt und nicht die Berechnung jeweils so wählt, wie es für einen Arbeitnehmer steuerlich am günstigsten ist. Dieser Grundsatz ist in § 5 LStDV in der Fassung der Verordnung zur änderung und Ergänzung der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung vom 30. Dezember 1959 (BGBl 1960 I S. 1; BStBl 1960 I S. 26) ausdrücklich festgelegt. Der Senat hat aber bereits im Urteil VI 195/59 U vom 19. Februar 1960 (BStBl 1960 III S. 121, Slg. Bd. 70 S. 323) darauf hingewiesen, daß damit kein neues Recht gesetzt ist, sondern daß sich dieser Rechtsgedanke bei verständiger Auslegung des Gesetzes schon bisher aus dem Zweck des § 5 LStDV alter Fassung ergab.

Das Finanzgericht ist auf diese Frage bisher nicht eingegangen. Die angefochtene Entscheidung war darum aufzuheben. Die Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das noch zu prüfen hat, ob die GmbH für alle Bereiche des Arbeitsvertrags und für alle bei ihr beschäftigten ehemaligen Angestellten mitteldeutscher Schwesterfirmen dieselben Folgerungen gezogen hat. Bejaht das Finanzgericht diese Frage, so ist die Erstattung der 204 DM gerechtfertigt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411562

BStBl III 1965, 366

BFHE 1965, 332

BFHE 82, 332

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