Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Kfz-Nutzungsanteils im Veräußerungsjahr

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Gewinn aus der Veräußerung eines Kfz mindert nicht die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Kfz-Privatnutzungsanteils im Veräußerungsjahr.

 

Orientierungssatz

Die tatsächlichen Selbstkosten, die Bemessungsgrundlage der Nutzungsentnahme sind, sind um die tatsächlichen Erträge zu kürzen, die durch die Nutzung des Kfz verursacht sind (z.B. Erstattung von Kfz-Versicherung oder Bonuszahlung für bestimmte Benzinabnahmemenge).

 

Normenkette

EStG 1985 § 4 Abs. 1 S. 2; EStG 1986 § 4 Abs. 1 S. 2; EStG 1985 § 5 Abs. 5; EStG 1986 § 5 Abs. 5; EStG 1985 § 6 Abs. 1 Nr. 4; EStG 1986 § 6 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Ehefrau (Klägerin) betrieb in den Streitjahren 1985/86 eine Gast- und Speisewirtschaft (Gewinnermittlung nach § 5 des Einkommensteuergesetzes 1985/86 --EStG--). Zu ihrem Betriebsvermögen gehörte jeweils ein PKW, der auch privat genutzt wurde. Der zu Beginn des Streitjahres 1985 vorhandene PKW wurde im Oktober 1985 veräußert (Veräußerungsgewinn 7 802 DM). Der daraufhin angeschaffte PKW wurde im Dezember 1986 veräußert (Veräußerungsgewinn 1 623 DM). Für die PKW fielen an:

1985 1986

Kfz-Steuer, -Versicherung,

Benzin, Autowäsche, Öl usw.

und Reparaturen 3 644 DM 3 728 DM

Absetzung für Abnutzung (AfA) 3 008 DM 9 386 DM

Aufwendungen insgesamt 6 652 DM 13 114 DM

Die Klägerin hatte in ihren Gewinnermittlungen für 1985 und 1986 einen PKW-Privatnutzungsanteil (Entnahme) von jährlich 2 300 DM angesetzt. Nach einer Betriebsprüfung gingen Kläger sowie Beklagter und Revisionsbeklagter (Finanzamt --FA--) übereinstimmend davon aus, daß der private Nutzungsanteil 50 v.H. beträgt; der Anteil wurde anhand der Kilometer-Fahrtleistung ermittelt. Auch über die Höhe der Kfz-Aufwendungen besteht inzwischen kein Streit mehr. Das FA hat in den Änderungsbescheiden vom 9.Oktober 1989, die im finanzgerichtlichen Verfahren ergingen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden, die Kfz-Aufwendungen auf die o.a. Beträge von 6 652 DM (1985) und 13 114 DM (1986) ermäßigt.

Uneins sind sich die Beteiligten darin, wie der Privatnutzungsanteil rechnerisch zu ermitteln ist. Das FA hat ihn wie folgt errechnet:

1985 1986

Kfz-Aufwendungen 6 652 DM 13 114 DM

Privatnutzungsanteile 50 v.H. 3 326 DM 6 557 DM

Die Kläger möchten hingegen vorweg die Kfz-Veräußerungsgewinne von den Kfz-Aufwendungen absetzen und kommen infolgedessen auf niedrigere Privatnutzungsanteile:

1985 1986

Kfz-Aufwendungen 6 652 DM 13 114 DM

abzüglich Kfz-Veräußerungsgewinne 7 802 DM 1 623 DM

Differenz 0 DM 11 491 DM

Privatnutzungsanteil 50 v.H. 0 DM 5 745 DM

Einspruch und Klage blieben im Streitpunkt erfolglos. Gegenstand des Klageverfahrens waren zuletzt Änderungsbescheide vom 26.März 1991, die die Bescheide vom 9.Oktober 1989 in einigen Punkten für vorläufig erklärten. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Der Privatnutzungsanteil stelle eine Privatentnahme dar, die mit der Wertabgabe des Betriebs, d.h. den tatsächlichen Selbstkosten, zu bewerten sei (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26.Juli 1979 IV R 170/76, BFHE 129, 315, BStBl II 1980, 176; vom 24.Mai 1989 I R 213/85, BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8). Dabei blieben stille Reserven außer Betracht. Das Anliegen der Kläger, "eine gesonderte Abschreibung des PKW ausschließlich für Zwecke der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Nutzungsentnahme" zu erreichen, sei ungerechtfertigt, weil Steuerpflichtige im Rahmen des § 7 EStG nicht gezwungen seien, von einer zu niedrigen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer auszugehen.

Die Kläger machen mit der Revision geltend: Die Begriffe "Kosten (Selbstkosten)" und "Aufwendungen" seien nicht deckungsgleich. Die AfA (Aufwendung) solle die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach einem vorweg festgelegten Plan auf die Nutzungsdauer verteilen. Eine steuerlich motivierte Abschreibung --z.B. eine degressive AfA von 30 v.H. für 1/2 Jahr für ein Wirtschaftsgut, das noch am letzten Tag des Wirtschaftsjahres angeschafft werde-- führe nicht zu entsprechenden Kosten (Wertverzehr). Ein "zu erwartender Restwert" werde nicht verzehrt und gehe nicht in die Kosten als Kalkulationsgröße ein. Der Restwert werde nicht am Absatzmarkt, sondern "originär" beim Verkauf des Wirtschaftsguts erwirtschaftet. Wenn alle Kosten, die durch das Wirtschaftsgut verursacht würden, zu erfassen seien (BFH-Urteil vom 18.Februar 1992 VIII R 9/87, BFH/NV 1992, 590), müßten die Erträge, die das Wirtschaftsgut verursache, mit den Aufwendungen saldiert werden. Danach verblieben die tatsächlichen Selbstkosten.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die in den Änderungsbescheiden vom 9.Oktober 1989 angesetzten Bemessungsgrundlagen für die privaten PKW-Nutzungsanteile um 6 652 DM (1985) und um 1 623 DM (1986) zu mindern.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Die nacheinander zu 50 v.H. für betriebliche Zwecke genutzten PKW gehörten in vollem Umfang zu dem Betriebsvermögen der Klägerin. Sie waren zwar nicht notwendiges Betriebsvermögen; hierzu wäre eine betriebliche Nutzung von mehr als 50 v.H. erforderlich gewesen (BFH-Urteile vom 12.Mai 1955 IV 19/55 U, BFHE 61, 18, 22, BStBl III 1955, 205; vom 13.März 1964 IV 158/61 S, BFHE 79, 605, BStBl III 1964, 455; Abschn.14a Abs.1 Satz 5 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1990). Sie konnten indessen als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden (BFHE 61, 18, 22, BStBl III 1955, 205; Abschn.14a Abs.1 Satz 7 EStR 1990). Die Klägerin hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, indem sie die Fahrzeuge in ihrer Buchführung und in ihren Abschlüssen dem Betriebs- vermögen zugeordnet hat.

2. Die private Nutzung der insgesamt als Betriebsvermögen anzusehenden Kfz ist eine Entnahme in Form einer Nutzung für betriebsfremde Zwecke (§ 4 Abs.1 Satz 2 EStG). Ihre Bewertung richtet sich nicht nach § 6 Abs.1 Nr.4 EStG. Diese Vorschrift stellt lediglich auf die Entnahme von Wirtschaftsgütern (zum Teilwert) ab. Die für die Bewertung von Nutzungsentnahmen bestehende Gesetzeslücke ist in der Weise zu schließen, daß die tatsächlichen Selbstkosten angesetzt werden (BFH-Urteil in BFHE 157, 521, 524, BStBl II 1990, 8, im Anschluß an BFH-Beschluß vom 26.Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, 534 f., BStBl II 1988, 348; s. auch BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 590).

Die tatsächlichen Selbstkosten bestehen aus den Gesamtaufwendungen für das Fahrzeug einschließlich der sog. festen Kosten und der AfA (BFH-Urteile vom 9.Oktober 1953 IV 536/52 U, BFHE 58, 120, BStBl III 1953, 337; in BFH/NV 1992, 590; Abschn.14a Abs.2 Satz 1 EStR 1990).

3. Wird das Wirtschaftsgut veräußert, so ist der Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Veräußerungserlös (=Veräußerungsgewinn) Gewinn aus Gewerbebetrieb; der Veräußerungsgewinn ist nicht etwa um die bisherige Privatnutzungsquote zu ermäßigen (BFH-Urteil vom 24.September 1959 IV 38/58 U, BFHE 69, 550, BStBl III 1959, 466; Beschluß vom 10.Januar 1991 IV B 105/89, BFH/NV 1991, 386; FG Köln, Urteil vom 21.Dezember 1983 I K 239/83, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1984, 337).

Diese Beurteilung ziehen auch die Kläger nicht in Zweifel. Sie meinen indessen, im Veräußerungsjahr müßten die Gesamtaufwendungen für das Kfz um den Veräußerungsgewinn gekürzt werden; erst auf diesen Restbetrag sei die Privatnutzungsquote anzuwenden. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen (ebenso BFH-Beschluß vom 16.Mai 1991 IV B 76/90, BFH/NV 1992, 20; Hessisches FG, Urteil vom 26.Februar 1988 7 K 480/87, EFG 1988, 465; FG Hamburg, Urteil vom 10.August 1988 I 1,2/85, EFG 1989, 354).

Die "tatsächlichen Selbstkosten", die nach der Rechtsprechung Bemessungsgrundlage der Nutzungsentnahme sind, unterscheiden sich nicht von den (Gesamt-)Aufwendungen. Die Rechtsprechung verwendet die Begriffe synonym (BFH-Urteile in BFHE 129, 315, 324, BStBl II 1980, 176; in BFH/NV 1992, 590). Der Begriff der "tatsächlichen Selbstkosten" ist nicht betriebswirtschaftlich zu verstehen. Wie der Große Senat des BFH ausgeführt hat, wird der durch die betriebsfremde Nutzung "verursachte Aufwand als entnommen angesehen" (BFHE 151, 523, 534, BStBl II 1988, 348). Die tatsächlich als Betriebsausgaben abgesetzten Aufwendungen (§ 4 Abs.4 EStG) sind Bemessungsgrundlage für die PKW-Nutzungsentnahme. Auch die AfA ist in ihrer tatsächlich in Anspruch genommenen Höhe zu berücksichtigen. Nichts anderes gilt für den von den Klägern gebildeten Fall, daß ein Steuerpflichtiger für ein am Ende des Wirtschaftsjahres angeschafftes bewegliches Wirtschaftsgut die AfA nach fallenden Jahresbeträgen bemißt (§ 7 Abs.2 EStG) und außerdem von der Vereinfachungsregelung des Abschn.44 Abs.2 EStR 1990 Gebrauch macht, die Hälfte der Jahres-AfA anzusetzen. Unbeschadet dessen, daß infolge dieser Maßnahme offensichtlich eine stille Reserve entsteht, sind die Aufwendungen (Betriebsausgaben) in ihrer tatsächlichen Höhe anteilig rückgängig zu machen.

4. Die Wechselwirkung zwischen AfA und späterem Veräußerungsgewinn begründet keinen rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Bemessung des Privatnutzungsanteils und dem Veräußerungsgewinn. Die Entnahme durch Privatnutzung eines Wirtschaftsguts und dessen späterer Veräußerung (ggf. Entnahme) sind unterschiedliche Vorgänge. Die Nutzungsentnahme des teilweise privat genutzten Kfz setzt dessen Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen voraus. Sie vollzieht sich nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger steuerrechtlicher Buchführung (§ 5 Abs.5, § 4 Abs.1 Satz 2 EStG; § 146 Abs.1 Satz 1 der Abgabenordnung --AO 1977--) fortlaufend mit der Nutzung. Dem steht nicht entgegen, daß der Wert der Nutzungsentnahme pauschal erst zum Ende des Wirtschaftsjahres ermittelt wird. Der AfA-Ansatz ist in diesem Zusammenhang "nichts anderes als der Ansatz eines Rechnungspostens für die Bemessung der an die Privatsphäre erfolgenden Wertabgabe" (BFHE 69, 550, 553, BStBl III 1959, 466). Die Veräußerung bzw. Entnahme des Wirtschaftsguts setzt hingegen voraus, daß die Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen aufgehoben wird und die Nutzungsentnahme abgeschlossen ist.

Den Klägern ist darin zu folgen, daß die tatsächlichen Selbstkosten um die tatsächlichen Erträge zu kürzen sind, die durch die Nutzung des Kfz verursacht sind. Dies trifft z.B. zu für die Erstattung von Kfz-Versicherung oder eine Bonuszahlung für eine bestimmte Benzinabnahmemenge. Der Veräußerungserlös des Kfz ist hingegen nicht durch die Nutzung des Kfz verursacht. Er beruht vielmehr darauf, daß das Kfz nicht mehr betrieblich genutzt werden soll und aus dem Betriebsvermögen ausgesondert wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64975

BFH/NV 1994, 43

BStBl II 1994, 353

BFHE 173, 356

BFHE 1994, 356

BB 1994, 754

BB 1994, 754-755 (LT)

DB 1994, 962-963 (LT)

DStR 1994, 648-649 (KT)

DStZ 1994, 404 (KT)

HFR 1994, 310 (LT)

StE 1994, 226 (K)

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