Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung eines Kommanditanteils als grunderwerbsteuerpflichtiger Erwerbsvorgang - Anzeigepflicht nach § 19 GrEStG 1983

 

Orientierungssatz

Den §§ 6 und 7 GrEStG NW/1983 ist nicht der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen, daß eine über fünf Jahre (unverändert) andauernde Beteiligung an einer Gesamthand die (ggf. anteilige) Besteuerung von Grundstücksübertragungen von der Gesellschaft auf den Gesellschafter (Gesamthänder) schlecht in --d.h. auch außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs der Steuervergünstigungen selbst-- ausschließen soll.

 

Normenkette

GrEStG NW § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG NW § 6; GrEStG NW § 7; GrEStG NW § 16a S. 2; GrEStG NW § 18; GrEStG NW § 18 Abs. 1; GrEStWG NW § 1 Nr. 1; AO 1977 §§ 38, 42, 169 Abs. 1 S. 1, § 170 Abs. 1; EGAO 1977 Art. 97 § 3 Abs. 1 S. 1; EGAO 1977 § 4 Nr. 1

 

Tatbestand

I. Die A-Kommanditgesellschaft (KG) beabsichtigte, auf einem umfangreichen Grundbesitz in K für interessierte Kapitalanleger insgesamt 164 Einfamilienhäuser nebst Garagen und Einstellplätzen zu errichten. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 13.Juni 1979 war der Kaufmann B Komplementär sowie --bis zum Eintritt der von ihr vertretenen Personen-- die C-GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft (GmbH) Kommanditistin. Der Komplementär war ermächtigt, weitere Kommanditisten gegen Leistung einer Einlage in die Gesellschaft aufzunehmen, und zwar bis die Summe aller Kommanditeinlagen einen Betrag von 16 505 000 DM erreichte. Die eintretenden Kommanditisten sollten für die im Rahmen der Bebauung aufzunehmenden Darlehen entsprechend ihrem Anteil am Kommanditkapital haften. § 16 Abs.2 des Gesellschaftsvertrages bestimmte hinsichtlich der Kündigung und der Auseinandersetzung der KG u.a. folgendes:

"Kommanditisten, die nach Maßgabe ihrer Beitrittserklärung berechtigt und auf schriftliches Verlangen des persönlich haftenden Gesellschafters verpflichtet sind, zum 30.9.1984 aus der Gesellschaft auszuscheiden, können die Gesellschaft mit dreimonatiger Frist zum 30.9.1984 kündigen.

Diese Kommanditisten können anstelle der Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens nur die Übertragung desjenigen Grundbesitzes der Gesellschaft verlangen, der in ihrer Beitrittserklärung bestimmt ist. Der Ausscheidende ist verpflichtet, die auf diesem Grundbesitz dinglich gesicherten Verbindlichkeiten mit Wirkung zum 30.9.1984 zur vollständigen Entlastung der Gesellschaft und etwaiger Mitschuldner zu übernehmen .....".

Nach § 14 des Gesellschaftsvertrages sollte die Übertragung von ganz eingezahlten Gesellschaftsanteilen uneingeschränkt möglich sein und nur der Anzeige an den persönlich haftenden Gesellschafter bedürfen.

Die KG warb u.a. durch einen umfangreichen Prospekt interessierte "Hauszeichner". In der hierin enthaltenen "steuerlichen Betrachtung" heißt es zur Grunderwerbsteuer u.a.: "Weder beim Erwerb noch bei der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen fällt eine Grunderwerbsteuer an, da die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen keinen grunderwerbsteuerlichen Tatbestand darstellt. Im Gesellschaftsvertrag ... ist für den Fall einer Auseinandersetzung vorgesehen, daß das Ausscheiden aus der Gesellschaft unter Mitnahme eines oder mehrerer Einfamilienhäuser erfolgen kann. Eine derartige Auseinandersetzung ist gemäß § 7 GrEStG insoweit von der Grunderwerbsteuer befreit als der Wert des entsprechenden Einfamilienhauses, das der einzelne Gesellschafter erhält, dem Bruchteil entspricht, zu dem er am Vermögen der Gesellschaft beteiligt ist. Voraussetzung dafür ist, daß er seine Gesellschaftsanteile mehr als fünf Jahre vor dem Ausscheiden erworben hat. Da ein Ausscheiden aus der Gesellschaft erstmals zum 30.September 1984 möglich ist, ist diese Voraussetzung erfüllt, so daß für einen derartigen Fall in aller Regel keine oder eine nur unwesentliche Grunderwerbsteuer anfallen kann."

Der Kläger erklärte am 28.September 1979 durch sog. "Zeichnungserklärung" die Übernahme einer Kommanditbeteiligung an der KG. Hierin heißt es u.a.:

"Ich werde meinen Beitritt in die ... KG mit der Maßgabe erklären, daß ich gemäß § 16 Abs.2 des Gesellschaftsvertrages berechtigt und auf schriftliches Verlangen des persönlich haftenden Gesellschafters verpflichtet bin, zum 30.9.1984 aus der Gesellschaft auszuscheiden und mir als Abfindung das in den Anlagen zum Gesellschaftsvertrag (Prospekt S.14 u.18) mit der laufenden Nr.91 bezeichnete Einfamilienhaus nebst dem dazugehörigen Tiefgarageneinstellplatz und anteiligen Gemeinschaftseinrichtungen übertragen wird."

Die "Zeichnungserklärung" wurde von der GmbH am 9.Oktober 1979 angenommen. Hiermit kam zwischen dem Kläger und der GmbH ein Treuhandvertrag zustande, in dem sich die GmbH dem Kläger gegenüber zur umfassenden Interessenwahrnehmung in bezug auf die Beteiligung an der KG verpflichtete. Insbesondere sollte die GmbH den Kläger bei seinem Beitritt zur Gesellschaft und darüber hinaus hinsichtlich der Ausübung seiner Gesellschafterrechte vertreten und die steuerlichen Interessen der Gesellschaft wahrnehmen. Der Kläger erteilte der GmbH zu diesem Zweck eine umfassende, für die Dauer der Zugehörigkeit zur KG unwiderrufliche notariell beurkundete Vollmacht. Danach war die GmbH bevollmächtigt, für den Kläger den Beitritt zur KG zu erklären, beim Handelsregister die erforderlichen Anmeldungen und Erklärungen abzugeben, die Mitgliedschaftsrechte als Kommanditist der KG, insbesondere dem Kläger zustehende Kündigungsrechte auszuüben und für ihn die im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft und der Auseinandersetzung notwendigen oder zweckmäßigen Willenserklärungen abzugeben.

Am 26.November 1979 erklärte die GmbH für den Kläger den Beitritt zur KG mit einer Kommanditeinlage von 90 024 DM. Dieser Beteiligungsbetrag entsprach dem Eigenkapitalanteil des in der "Zeichnungserklärung" bezeichneten Einfamilienhauses Nr.91.

Ebenfalls am 26.November 1979 aber zeitlich nach der Beitrittserklärung erwarb die KG das Grundstück für die beabsichtigte Bebauung. Die 164 Einfamilienhäuser, Garagen und Stellplätze wurden zwischen 1980 und 1982 errichtet, danach die einzelnen Grundstücke vermessen und fortgeschrieben. Mit Schreiben vom 11.März 1984 verlangte der Komplementär der KG vom Kläger, vertreten durch die GmbH, das Ausscheiden aus der Gesellschaft zum 30.September 1984. Mit Schreiben vom 27.Juni 1984 sprach die GmbH für den Kläger die Kündigung der Gesellschaft aus und schloß am selben Tage für den Kläger handelnd mit der KG einen notariell beurkundeten Vertrag, durch den die mit dem Einfamilienhaus Nr.91 bebaute Teilfläche, ein Miteigentumsanteil an Wegegrundstücken sowie Teileigentum an einem PKW- Einstellplatz auf den Kläger zu Eigentum übertragen wurden. Besitz, Lasten, Nutzungen und Gefahr sollten am 1.Oktober 1984 auf den Kläger übergehen. Der Kläger verpflichtete sich, Darlehensverbindlichkeiten seinem Kommanditanteil entsprechend in Höhe von insgesamt 316 414,80 DM zu übernehmen, und erklärte sich mit der Erfüllung dieses Vertrages hinsichtlich aller Ansprüche für befriedigt".

Durch Bescheid vom 12.Juni 1985 setzte das Finanzamt (FA) wegen "des Kaufvertrages vom 27.6.1984" Grunderwerbsteuer unter Anwendung eines Steuersatzes von 2 v.H. gegen den Kläger fest. Der Bescheid wurde der GmbH bekanntgegeben. Im nachfolgenden Einspruchsverfahren gelangte das FA zu der Auffassung, bereits der Beitritt des Klägers zur KG im Jahre 1979 stelle einen Grunderwerbsteuer auslösenden Vorgang dar. Es setzte deshalb durch Bescheid vom 10.Dezember 1985 nach einer Gegenleistung von 406 438,80 DM (Kommanditeinlage: 90 024 DM zuzüglich übernommene Darlehen: 316 414,80 DM) und unter Anwendung eines Steuersatzes von 7 v.H. Grunderwerbsteuer in Höhe von 28 450 DM gegen den Kläger fest. Gleichzeitig erklärte es den Bescheid vom 12.Juni 1985 wegen nicht wirksamer Bekanntgabe an die --nach Auffassung des FA-- nicht zum Empfang des Steuerbescheides bevollmächtigte GmbH für nichtig und hob diesen durch Schreiben vom 23.Januar 1986 auf.

Einspruch und Klage gegen den Steuerbescheid vom 10.Dezember 1985 blieben im wesentlichen ohne Erfolg.

Mit der vom Finanzgericht (FG) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung von § 1 Abs.1 Nr.1, § 6 und § 7 des früheren nordrhein-westfälischen Grunderwerbsteuergesetzes --GrEStG NW-- (*= § 1 Abs.1 Nr.1, §§ 6 und 7 GrEStG 1983), Art.97 § 4 Nr.1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung --EGAO 1977-- (*= § 14 GrEStG 1983), § 42 und § 367 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) sowie Verletzung der Korrekturvorschriften der AO 1977.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist nicht begründet.

1. Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß in dem Beitritt des Klägers zur KG und dem damit verbundenen Erwerb von Gesellschaftsrechten ein nach § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG NW (*= § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG 1983) i.V.m. § 42 AO 1977 grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang zu sehen ist, der gerichtet ist auf Übertragung des Grundstücks (Haus Nr.91) in bebautem Zustand.

Zwar erfüllt die Übertragung eines Anteils an einer grundbesitzenden Gesamthandsgemeinschaft als solche nicht den Tatbestand des § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG NW/1983; durch besondere gesellschaftsvertragliche Regelungen kann ein Gesellschaftsanteil an einer Kommanditgesellschaft aber so gestaltet werden, daß dessen Erwerb im rechtlichen und wirtschaftlichen Ergebnis dem Erwerb des Eigentums an einem Grundstück gleichkommt.

Der Kommanditanteil des Klägers war schon von den Projektanbietern in der von diesen entworfenen rechtlichen und wirtschaftlichen Gesamtkonzeption so bemessen, daß er dem Eigenkapitalanteil eines der Hausgrundstücke, nämlich des Grundstücks, auf dem das Haus mit der Nr.91 errichtet werden sollte, entsprach. Der Anteil war ferner von vornherein mit diesem konkreten Hausgrundstück verbunden. Diese Zuordnung und Quotelung erfolgte --wie sich aus dem Vertriebsprospekt ergibt-- ausdrücklich im Hinblick auf die Vereinbarungen über die Kündigung und die Auseinandersetzung, die für den Zeitpunkt des Ablaufs der Fünfjahresfrist nach § 6 Abs.4, § 7 Abs.3 GrEStG NW/1983 vorgesehen waren. Auf diese Weise sollte sichergestellt werden, daß die Verbindung zwischen dem Kommanditanteil und dem konkreten Grundstück auch im Falle des Ausscheidens des Klägers erhalten blieb. Denn für den Fall der --nach Ablauf von fünf Jahren-- jederzeit möglichen Kündigung sollte der Kläger "nur" einen Anspruch auf Übereignung des von Anfang an bestimmten Grundstücks mit dem Haus Nr.91 und nicht Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben haben (vgl. § 16 Ziff.2 des Gesellschaftsvertrages sowie die Zeichnungserklärung des Klägers vom 28.September 1979).

Wird ein derart ausgestalteter Gesellschaftsanteil erworben, so ersetzt der Erwerb des Anteils an der Gesamthand die an sich gebotene Übertragung des Grundstückseigentums, dessen Auswahl den Gesellschaftsanteil bestimmte. Denn die gewählte Konstruktion der Abtretung solcher Art ausgestalteter Gesellschaftsrechte ist --wie auch die entsprechenden Ausführungen im Prospekt ergeben-- nur verständlich unter dem Gesichtspunkt gänzlich grunderwerbsteuerfreier Überleitung des durch den Gesellschaftsanteil repräsentierten Grundstückes auf den Anteilserwerber unter Ausnützung der Steuerfreiheit des Wechsels im Gesellschafterbestand einer Gesamthand sowie der Steuerbefreiung nach § 6 Abs.2, § 7 Abs.2 GrEStG NW/1983. Sie stellt einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. von § 42 Satz 1 AO 1977 dar (vgl. das Senatsurteil vom 10.Mai 1989 II R 86/86, BFHE 156, 523, BStBl II 1989, 628). Nach § 42 Satz 2 AO 1977 ist deshalb der Steueranspruch so entstanden, wie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung. Der Besteuerung ist die den wirtschaftlichen Vorgängen, Umständen und Verhältnissen angemessene Gestaltung zugrunde zu legen und die Steuer festzusetzen, welche die Beteiligten durch die "unangemessene" Gestaltung vermeiden oder vermindern wollten. Den wirtschaftlichen Umständen angemessen wäre im Streitfall die Begründung eines --unbedingten und unbefristeten-- Anspruchs auf Übereignung des mit dem Haus Nr.91 bebauten Grundstück einschließlich Tiefgaragenstellplatz und Anteil an den Gemeinschaftsflächen.

Der Annahme, ein unbefristeter und unbedingter Grunderwerb sei die angemessene Gestaltung gewesen, steht im Hinblick auf die Regelung in Art.97 § 4 Nr.1 EGAO 1977 (*= § 14 GrEStG 1983) nicht entgegen, daß nach der gewählten gesellschaftsrechtlichen Form die Entstehung des Eigentumsverschaffungsanspruchs von einer --erst zum 30.September 1984 erstmals möglichen-- Kündigung abhängig war. Trifft nämlich der Umgehungscharakter das gesamte Geschäft, so daß es bei sinnvoller Auslegung der Steuerrechtsordnung auch nicht in Teilen akzeptiert werden kann, so ist dieses insgesamt durch den angemessenen Sachverhalt zu ersetzen. Hier stellt sich die gesellschaftsrechtliche Konstruktion insgesamt als Umgehungsgeschäft dar. Denn der Erwerb des Gesellschaftsanteils mit dessen Bindung an ein bestimmtes Grundstück steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgesehenen Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft. Der Kündigung als im Hinblick auf die Grundstücksübereignung anspruchsauslösendem Moment kommt dabei nur eine formale Bedeutung zu. Dem Kläger war es auch schon vor dem 30.September 1984 jederzeit möglich, seinen Gesellschaftsanteil mit dem ihm innewohnenden Eigentumsverschaffungsanspruch an dem bestimmten Grundstück auf Dritte zu übertragen. Das FG ist deshalb im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß der Kläger unter der Wertung des GrEStG i.V.m. § 42 AO 1977 unbedingt und unbefristet bereits mit seinem Beitritt zur KG einen Anspruch auf Eigentumsübertragung (§ 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG NW/1983) an dem mit dem Gesellschaftsanteil verbundenen Grundstück erworben hat, der erst nach Ablauf der vorgesehenen Fünfjahresfrist erfüllt werden sollte.

Auch die in § 6 Abs.4, § 7 Abs.3 GrEStG NW/1983 enthaltenen Regelungen stehen der Anwendung des § 42 AO 1977 im Streitfall nicht entgegen. Diese Regelungen sind nur von Bedeutung für die Anwendung der Steuervergünstigungen der §§ 6 und 7 GrEStG NW/1983 selbst. Ihnen ist nicht der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen, daß eine über fünf Jahre (unverändert) andauernde Beteiligung an einer Gesamthand die (ggf. anteilige) Besteuerung von Grundstücksübertragungen von der Gesellschaft auf den Gesellschafter (Gesamthänder) schlechthin --d.h. auch außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs der Steuervergünstigungen selbst-- ausschließen soll.

Entgegen der Auffassung des Klägers war das Grundstück, welches Gegenstand des nach § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG NW/1983 i.V.m. § 42 AO 1977 steuerbaren Übereignungsanspruchs war, in den Erklärungen der Vertragsparteien bereits mit dem Beitritt des Klägers zur KG nach Lage und Größe genügend konkretisiert. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17.Oktober 1990 II R 42/88, BFHE 162, 478, BStBl II 1991, 144, m.w.N.) kann Gegenstand eines Übereignungsanspruchs auch ein bürgerlich-rechtlich noch zu bildendes (z.B. erst noch zu vermessendes) Grundstück sein. Voraussetzung für die Wirksamkeit des Übereignungsanspruchs ist aber in diesen Fällen, daß die Fläche (Grenze) des rechtlich erst noch entstehenden Grundstücks bereits hinreichend bestimmt ist.

Aus dem Angebotsprospekt, den die Beteiligten zur Grundlage ihrer Vertragsbeziehungen gemacht haben, ergibt sich die genaue Lage des Grundstücks sowie der genaue Umfang der vorgesehenen Bebauung. Es trifft zwar zu, daß Aussagen hinsichtlich der konkreten Größe (Anzahl der Quadratmeter) des zu übereignenden Grundstücks nicht gemacht wurden. Dies ist jedoch auch nicht erforderlich, wenn sich die Größe (Grenze) des erst noch zu vermessenden Grundstücks aus den gesamten Umständen ermitteln läßt. Solche Umstände liegen im Streitfall vor. Aus den in dem Angebotsprospekt enthaltenen Lage- und Bauplänen ergibt sich, daß es sich bei dem Haus Nr.91 um ein Reihenmittelhaus von ganz bestimmter Breite und Länge handelt. Hierdurch ist die Grundstücksbreite und damit auch die Grenzziehung zu den Nachbargrundstücken zwangsläufig vorgegeben. Die übrigen Grenzen waren durch die Lage der Straße als Gemeinschaftseinrichtung sowie auf der anderen Seite durch die dort ebenfalls vorgesehene Bebauung und die baurechtlich vorgeschrieben notwendigen Abstandsflächen vorgegeben.

2. Der nach § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG NW/1983 i.V.m. § 42 AO 1977 steuerbare Beitritt des Klägers zur KG ist nicht von der Steuer befreit:

a) Die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 1 Nr.1 des früheren nordrhein-westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau (GrEStWoBauG NW) liegen schon deshalb nicht vor, weil Gegenstand des Erwerbsvorgangs des Klägers kein unbebautes, sondern ein bebautes Grundstück war. Denn die vom Kläger auf Grund seines Beitritts zur KG erlangte Rechtsposition bezog sich von Anfang an auf das mit dem Haus Nr.91 bebaute, bzw. von der KG noch zu bebauende Grundstück, den noch zu errichtenden Tiefgarageneinstellplatz und den Anteil des Klägers an den noch herzustellenden Gemeinschaftseinrichtungen und -flächen. Bereits mit dem Beitritt zur Gesellschaft war der Kläger faktisch und rechtlich an das Gestaltungskonzept der Veräußerin gebunden.

Da Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand war, hat das FA zu Recht auch die Aufwendungen für die Gebäudeerrichtung in die Bemessungsgrundlage miteinbezogen.

b) Die Steuer kann auch nicht gemäß § 6 Abs.2, § 7 Abs.2 GrEStG NW/1983 unerhoben bleiben. Es fehlt insoweit an einer v o r der Verwirklichung des nach § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG NW/1983 i.V.m. § 42 AO 1977 der Steuer unterliegenden Erwerbsvorgangs bestehenden Gesamthandsberechtigung, die sich wirtschaftlich im Alleineigentum an den von der Gesellschaft erworbenen (Teil-)Grundstück fortsetzen könnte.

3. Die vierjährige Frist (vgl. § 169 Abs.2 Satz 1 Nr.2 AO 1977) für die Festsetzung der nach § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG NW/1983 i.V.m. § 42 AO 1977 entstandenen Steuer war im Zeitpunkt des Erlasses des hier angefochtenen Steuerbescheides am 10.Dezember 1985 noch nicht abgelaufen.

Gemäß § 169 Abs.1 Satz 1 AO 1977 ist eine Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Nach § 170 Abs.1 AO 1977 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Abgesehen von den im früheren Art.97 § 4 EGAO 1977 (*= § 14 GrEStG 1983) geregelten Fällen entsteht gemäß § 38 AO 1977 der Steueranspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.

Der Beginn der Festsetzungsfrist ist jedoch im Streitfall abweichend von der Regelung in § 170 Abs.1 AO 1977, nach der die Frist mit Ablauf des Jahres 1979 begonnen hätte, nach § 16a Satz 2 GrEStG NW infolge Nichterfüllung von Anzeigepflichten gehemmt worden. Nach dieser gemäß Art.97 § 3 Abs.1 Satz 1 EGAO 1977 (zunächst) fortgeltenden landesrechtlichen Vorschrift beginnt die Festsetzungsfrist in den Fällen, in denen von den Beteiligten eine für Zwecke der Grunderwerbsteuer vorgeschriebene Anzeige nicht rechtzeitig eingegangen ist, nicht vor Ablauf des Jahres, in dem das FA Kenntnis von dem steuerpflichtigen Vorgang erhalten hat, spätestens jedoch fünf Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Steueranspruch entstanden ist.

Im Streitfall waren die an dem nach § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG NW/1983 i.V.m. § 42 AO 1977 steuerpflichtigen Beitritt des Klägers zur KG beteiligten Personen gemäß § 19 Abs.1 Satz 2 GrEStG NW (*= § 19 Abs.1 Satz 2 GrEStG 1983) verpflichtet, diesen Erwerbsvorgang dem FA anzuzeigen. Nach dieser Vorschrift haben die als Vertragsteile beteiligten Personen ("auch") alle ("übrigen") Erwerbsvorgänge anzuzeigen, über die ein Gericht, eine Behörde oder ein Notar eine Anzeige nach § 18 GrEStG NW (vgl. die derzeitige Regelung in § 18 GrEStG 1983) nicht zu erstatten hat. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der nur eingreift, wenn weder eine Anzeigepflicht der Beteiligten nach § 19 Abs.1 Nrn.1 bis 7 GrEStG NW (*= im wesentlichen § 19 Abs.1 Nrn.1 bis 7 GrEStG 1983) besteht, noch Gerichte, Behörden oder Notare gemäß § 18 GrEStG NW (vgl. die derzeitige Regelung in § 18 GrEStG 1983) Anzeige zu erstatten haben.

Eine Pflicht der Beteiligten zur Anzeige des nach § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG NW/1983 i.V.m. § 42 AO 1977 steuerpflichtigen Beitritts des Klägers zur KG bestand nach § 19 Abs.1 Satz 1 Nrn.1 bis 7 GrEStG NW nicht. Der Vorgang wird von diesen Tatbeständen und den dort beschriebenen "Erwerbsvorgängen" nicht erfaßt.

Im Streitfall bestand auch keine Anzeigepflicht des Notars nach § 18 GrEStG NW. Denn Gegenstand des beurkundeten Geschäfts war der Erwerb eines Gesellschaftsanteils durch den Kläger. Selbst dann, wenn dem Notar bewußt gewesen wäre, daß im Hinblick auf die gewählte gesellschaftsrechtliche Konstruktion dem Kläger im Ergebnis ein Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks erwachsen würde, wäre dieser nicht zur Anzeige verpflichtet gewesen, weil der beurkundete Vertrag keinen unmittelbaren Anspruch in bezug auf ein Grundstück begründete. Eine Anzeigepflicht des Notars bestand auch nicht gemäß § 18 Abs.1 Nr.1 Buchst.g GrEStG NW, denn bei der Beurkundung der Beitrittserklärung am 26.November 1979 (Urkunde Nr.2250/79) konnte dieser noch versichern bzw. als Erklärung der Beteiligten aufnehmen, zum Vermögen der Gesellschaft gehöre kein Grundstück. Der am selben Tage abgeschlossene Grundstückskaufvertrag (Urkunde Nr.2255/79) wurde nämlich zeitlich später abgeschlossen.

Der durch den Beitritt des Klägers zur KG nach § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG NW/1983 i.V.m. § 42 AO 1977 verwirklichte Erwerbsvorgang gehört auch zu den "übrigen", nach § 19 Abs.1 Satz 2 GrEStG NW/1983 von den Beteiligten anzuzeigenden Vorgängen. Denn hierzu gehören alle nicht unter §§ 18, 19 Abs.1 Satz 1 GrEStG NW (*= derzeitige Regelung in §§ 18, 19 Abs.1 Satz 1 GrEStG 1983) fallenden ("übrige") Erwerbsvorgänge, und zwar unabhängig davon, ob sich die Steuerpflicht dafür unmittelbar aus den Steuertatbeständen des GrEStG ergibt oder --wie im Streitfall-- wegen Umgehung des (Grunderwerbsteuer-)Gesetzes gemäß § 42 AO 1977 die Steuer so entsteht, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entstanden wäre. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift über die Anzeigepflichten. Sie dienen in erster Linie dazu, den Finanzbehörden die Kenntnis von Erwerbsvorgängen zu vermitteln. Denn das materielle Steuerrecht ist nur vollzugsfähig, wenn die Finanzbehörden von den Steuertatbeständen erfahren. Das Bedürfnis des FA, Kenntnis von steuerpflichtigen Erwerbsvorgängen zu erhalten, besteht aber uneingeschränkt für alle Fälle, d.h. auch für die Fälle, in denen sich die Steuerpflicht aus § 42 AO 1977 ergibt. Die Anzeigepflicht der Beteiligten besteht darüber hinaus unabhängig davon, ob und inwieweit diese die Grunderwerbsteuerpflichtigkeit des Rechtsvorgangs erkannt haben bzw. wußten, daß insoweit eine Anzeigepflicht bestand. Denn die gesetzlich vorgeschriebene Pflicht zur Anzeige der der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgänge ist wie die gesetzlich normierte Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen (vgl. zur Rechtsnatur der Anzeige als Steuererklärung Boruttau/Egly/ Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11.Aufl. 1982, § 3 DV/Rn 22 b, m.w.N.; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, 16.Aufl., § 149 AO 1977 Anm.2 a; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl., § 149 AO 1977, Tz.1; die nunmehr bestehende Klarstellung in § 19 Abs.5 GrEStG 1983) eine objektive, die unabhängig von subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten des zur Anzeige Verpflichteten besteht. Deshalb treten auch die über § 16a Satz 2 GrEStG NW (vgl. die entsprechende Regelung in § 170 Abs.2 Nr.1 AO 1977) im Hinblick auf die Hemmung des Anlaufs der Festsetzungsfrist sich ergebenden Rechtsfolgen unabhängig von subjektiven Momenten schon bei objektiver Anzeigepflichtverletzung ein.

Da die Voraussetzungen des § 16a Satz 2 GrEStG NW vorliegen, begann die Festsetzungsfrist im Streitfall mit Ablauf des Jahres 1984, und zwar zum einen wegen Ablauf der Fünfjahresfrist nach § 16a Satz 2 GrEStG NW und zum anderen, weil dem FA der steuerpflichtige Vorgang erst im Jahre 1984, nämlich durch die Anzeige des Übertragungsvertrages vom 27.Juni 1984 bekannt wurde. Im Zeitpunkt des Erlasses des hier angefochtenen Steuerbescheides am 10.Dezember 1985 war die vierjährige Festsetzungsfrist demnach noch nicht abgelaufen.

4. Entgegen der Auffassung des Klägers war das FA auch nicht wegen der früheren Steuerfestsetzung durch den von ihm für nichtig erklärten und später durch Schreiben vom 23.Januar 1986 aufgehobenen Bescheid vom 12.Juni 1985 rechtlich daran gehindert, den Steuerbescheid vom 10.Dezember 1985 zu erlassen. Die vom FG insoweit für maßgeblich gehaltene Frage, ob in grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht eine Identität der in den beiden Bescheiden vom 12.Juni 1985 und 10.Dezember 1985 erfaßten Lebenssachverhalte besteht, kann dahinstehen. Denn unabhängig davon kann dem Erlaß des hier streitigen Bescheides vom 10.Dezember 1985 der frühere Bescheid vom 12.Juni 1985 rechtlich schon deshalb nicht entgegenstehen, weil das FA den früheren Bescheid vom 12.Juni 1985 ausdrücklich aufgehoben hat und diese Aufhebung des Bescheides mangels Einlegung eines Rechtsmittels durch den Kläger bestandskräftig geworden ist. Da der Bescheid vom 12.Juni 1985 rechtlich nicht mehr existent ist, kann er auch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt dem Steuerbescheid vom 10.Dezember 1985 entgegenstehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64096

BFH/NV 1992, 52

BStBl II 1992, 680

BFHE 167, 448

BFHE 1992, 448

BB 1992, 1986

BB 1992, 1986-1989 (LT)

DB 1992, 2071 (L)

DStR 1992, 981 (KT)

HFR 1992, 550 (LT)

StE 1992, 371 (K)

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