Entscheidungsstichwort (Thema)

(Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bei entgeltlicher Überlassung eines Grundstücks zur Kiesausbeute - Zweck einer Steuerklausel - Beginn der Verjährung der Strafverfolgung bei fortgesetzter Steuerhinterziehung)

 

Leitsatz (amtlich)

Die entgeltliche Überlassung eines Grundstücks zur Kiesausbeute durch Übereignung des Grundstücks bei gleichzeitiger Vereinbarung der Rückübertragung nach Beendigung der Ausbeute führt beim Überlassenden auch dann zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, wenn zwar weiter vereinbart ist, daß die Rückübertragungsverpflichtung entfalle, sofern sie zur Versteuerung des "Kaufpreises" führe, diese Zusatzvereinbarung dem FA aber nicht rechtzeitig offenbart wird (Anschluß an BFH-Urteil vom 5.Oktober 1973 VIII R 78/70, BFHE 111, 43, BStBl II 1974, 130).

 

Orientierungssatz

1. Eine Steuerklausel dient dazu, nachteilige Folgen bestehender Steuerrechtsunsicherheit oder Rechtsungewißheit zu vermeiden. Dieser Zweck erfordert es, sie so bald wie möglich dem FA bekanntzugeben. Wenn dies nicht geschieht, die Vertragsparteien vielmehr den Zustand der steuerrechtlichen Ungewißheit fortdauern lassen und sich so verhalten, daß den Finanzbehörden die vertraglichen Vereinbarungen nicht vollständig bekannt werden, können sich die an dem Rechtsgeschäft Beteiligten nachträglich nicht mehr auf die Steuerklausel berufen (vgl. Literatur).

2. Bei fortgesetzter Steuerhinterziehung beginnt die Verjährung der Strafverfolgung (§§ 78 Abs. 3 Nr. 4, 78a StGB) mit dem Ende des letzten Handlungsteils (vgl. BGH-Urteil vom 28.11.1984 2 StR 309/84).1

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1; AO § 146a Abs. 1; StGB §§ 78a, 78 Abs. 3 Nr. 4

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Entscheidung vom 22.10.1987; Aktenzeichen XV 221/83 E (XV 303/83 V))

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Die Klägerin ist Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Betriebs. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom Januar 1969 übertrug sie ein Grundstück von 231 Morgen für rd. 3,5 Mio DM an ein Kiesunternehmen. Die Gegenleistung war in sechs Teilbeträgen bis zum sechsten Jahr nach der Eintragung der Auflassungsvormerkung zu entrichten. Der Vertrag ist als "Kaufvertrag", das Entgelt als "Kaufpreis" bezeichnet. In einem weiteren notariellen Vertrag vom selben Tag verpflichteten sich das Kiesunternehmen, das Grundstück nach beendeter Auskiesung und nach Abschluß der Rekultivierungsarbeiten an die Klägerin zurückzuübertragen, und die Klägerin, das Grundstück zurückzuerwerben. Die Vertragsparteien vereinbarten einen Rückkaufpreis von 115 744 DM. In dem zweiten Vertrag wurde ferner vereinbart, daß die Nutzung der Grundstücke bis zum Beginn der Auskiesung der Klägerin oder ihrem Pächter zustand. Auch für bereits wieder angelegte Grünflächen erhielten die Klägerin oder ihr Pächter das Nutzungsrecht. Von Beginn der Auskiesung an durfte der Pächter das noch nutzbare Gelände weiter benutzen, soweit es die betrieblichen Verhältnisse der Baggerei erlaubten. Die Klägerin behielt ein Geh-, Fahr- und Jagdrecht auf dem Grundstück. Das Kiesunternehmen war verpflichtet, bei der Auskiesung einen Schutzstreifen neben den Gebäuden bestehen zu lassen und den Obstgarten nicht zur Auskiesung heranzuziehen, ferner einen Wirtschaftsweg und die Frischwassertröge nebst Leitungssystem nach der Auffüllung neu herzustellen. Das Kiesunternehmen sicherte der Klägerin vertraglich zu, daß spätestens Ende 1983 das gesamte Gelände rekultiviert zur Rückübertragung zur Verfügung stünde. Die Vertragsurkunde enthält ferner folgende Klausel:

"Sollte das Bestehen dieser Rückübertragungsverpflichtung aus steuerlichen Gründen zur Versteuerung des im Kaufvertrage festgelegten Kaufpreises führen --im Hinblick auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung--, so gilt diese Rückübertragungsverpflichtung als nicht geschlossen.

Eine Pflicht ... zur Rückübertragung des Grundbesitzes besteht alsdann von Anfang an nicht."

Die Kläger erklärten in ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (1970 bis 1975) u.a. Einkünfte der Klägerin aus Land- und Forstwirtschaft und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anderer Objekte. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) veranlagte die Kläger erklärungsgemäß.

Anläßlich einer bei dem Kiesunternehmen 1982 durchgeführten Außenprüfung erfuhr das FA von den beiden notariellen Verträgen. Es vertrat daraufhin die Auffassung, die Klägerin habe aufgrund dieser Verträge in den Streitjahren Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt und änderte die angefochtenen Einkommensteuerbescheide entsprechend.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage war erfolgreich. In seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 307 veröffentlichten Urteil ging das Finanzgericht (FG) einerseits davon aus, daß die beiden Verträge vom Januar 1969 als eine Einheit, nämlich als Pachtvertrag i.S. des § 581 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu beurteilen seien, der keinen Vermögensübergang bewirke und zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führe. Andererseits sei aber wegen der wirksam vereinbarten Steuerklausel die Rückübertragungsverpflichtung rückwirkend weggefallen. Es müsse dem Steuerpflichtigen bei der Gestaltung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse möglich sein, die endgültige Wirksamkeit von Verträgen von deren für ihn zunächst unübersehbaren, jedenfalls ungewissen steuerlichen Behandlung abhängig zu machen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat zu Unrecht die von dem Kiesunternehmen geleisteten Zahlungen nicht als Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung angesehen.

1. Das FG ist mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zutreffend davon ausgegangen, daß derjenige Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S. von § 21 Abs.1 Nr.1 EStG erzielt, der ein Grundstück zur Hebung der in ihm ruhenden Bodenschätze entgeltlich und zeitlich begrenzt überläßt (BFH-Urteil vom 5.Juni 1973 VIII R 118/70, BFHE 109, 513, BStBl II 1973, 702; Senatsentscheidungen vom 25.Juni 1985 IX R 60/82, BFH/NV 1985, 74, m.w.N., und vom 7.Juli 1987 IX R 202/87, BFH/NV 1987, 640; vgl. auch Wollny, Betriebs-Berater --BB-- 1986, 992, m.w.N. aus dem Schrifttum). Einkünfte i.S. des § 21 Abs.1 Nr.1 EStG liegen auch dann vor, wenn das Grundstück zwar bürgerlich-rechtlich übereignet wird, die Beteiligten aber vereinbart haben, es nach Beendigung der Ausbeute zurückzuübereignen (BFH-Urteil vom 5.Oktober 1973 VIII R 78/70, BFHE 111, 43, BStBl II 1974, 130; Senatsentscheidung in BFH/NV 1985, 74, m.w.N.). Dies gilt auch, wenn nicht feststeht, ob und wann das Grundstück rückübereignet werden wird (vgl. BFH-Urteil vom 30.Oktober 1967 VI 331/64, BFHE 90, 215, BStBl II 1968, 30; BFH in BFHE 111, 43, BStBl II 1974, 130).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das FG hat die Verträge vom Januar 1969 zu Recht als ein einheitliches Vertragswerk beurteilt, das auf entgeltliche und zeitlich begrenzte Nutzungsüberlassung des Grundstücks gerichtet war. Dies ergibt sich aus der Würdigung des gesamten Vertragswerks. So war der Kiesunternehmer zur Wiederauffüllung verpflichtet. Die Klägerin hatte sich das vertragliche Recht zur weiteren Nutzung der überlassenen Grundstücke bis zur Auskiesung bedungen. Der Kiesunternehmer hatte sich außerdem verpflichtet, das zur Auskiesung übereignete Grundstück nach beendeter Kiesausbeute und nach Abschluß der Rekultivierungsarbeiten für 115 744 DM zurückzuübereignen; die Klägerin war verpflichtet, es zurückzuerwerben.

2. Die auf Grund der Verträge geleisteten Zahlungen haben entgegen der Auffassung des FG ihren Charakter als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nicht deshalb verloren, weil die Vertragspartner eine sog. Steuerklausel in den Vertrag aufgenommen hatten.

Der Senat kann unerörtert lassen, ob eine Steuerklausel zivilrechtlich als echte auflösende Bedingung i.S. des § 158 Abs.2 BGB (so Flume, Der Betrieb --DB-- 1970, 77, 78 f.; Ruppe in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20.Aufl., Einführung zum EStG Anm.712 m.w.N.) oder als eine unechte Gegenwartsbedingung zu beurteilen ist (so Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl., § 41 AO 1977 Tz.22 m.w.N.). Ebenso kann offenbleiben, ob eine rechtsgeschäftlich vereinbarte Steuerklausel grundsätzlich auch steuerrechtlich wirksam ist (so Tipke/Kruse, a.a.O.; Meyer-Arndt, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht --JbFSt-- 1979/1980, 297; Flume, a.a.O.; a.A. Ludwig Schmidt, JbFSt 1979/1980, 314 ff.; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9.Aufl., § 41 AO 1977 Rz.142 und 145; Ruppe, a.a.O., Anm.713 jeweils m.w.N.) ggf. zu welchem Zeitpunkt; denn im Streitfall ist die Steuerklausel für die Streitjahre unbeachtlich, weil die Klägerin sie nicht während dieses Zeitraumes dem FA offenbart hat. Die Steuerklausel konnte frühestens ab dem Zeitpunkt steuerlich wirksam werden, in dem das FA aufgrund der bei dem Kiesunternehmen durchgeführten Außenprüfung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als gegeben ansah und entsprechende Änderungsbescheide erließ, d.h. im Jahr 1982. Der zuvor verwirklichte Sachverhalt, der zu Einkünften i.S. des § 21 Abs.1 Nr.1 EStG führte, konnte nicht rückwirkend entfallen. Eine Steuerklausel dient dazu, nachteilige Folgen bestehender Steuerrechtsunsicherheit oder Rechtsungewißheit zu vermeiden. Dieser Zweck erfordert es, sie so bald wie möglich dem FA bekanntzugeben. Wenn dies nicht geschieht, die Vertragsparteien vielmehr den Zustand der steuerrechtlichen Ungewißheit fortdauern lassen und sich so verhalten, daß den Finanzbehörden die vertraglichen Vereinbarungen nicht vollständig bekannt werden, können sich die an dem Rechtsgeschäft Beteiligten nachträglich nicht mehr auf die Steuerklausel berufen (so auch Flume, a.a.O., S.80; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 8.Aufl., S.614, 616; Fischer, a.a.O., Rz.140 m.w.N.). Dies folgt aus dem Gedanken, daß niemand aus einer von ihm treuwidrig herbeigeführten Lage Vorteile ziehen soll (vgl. § 162 BGB und MünchKomm - H.P. Westermann, § 162 RdNr.18). Da entscheidend ist, daß die Klägerin die Steuerklausel nicht während der Streitjahre dem FA offenbart hat, ist es --entgegen der in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin vertretenen Ansicht-- unerheblich, inwieweit und ggf. mit welcher Wirkung § 41 der Abgabenordnung (AO 1977) für die Folgejahre anwendbar sein könnte.

Die Klägerin hat den mit dem Kiesunternehmen abgeschlossenen Vertrag nicht von Anfang an als ein durch die Steuerklausel bedingtes Rechtsgeschäft dem FA offenbart, sondern sich erst dann auf die Steuerklausel berufen, als das FA --nach vielen Jahren-- von der die Rückübertragungsverpflichtung enthaltenden Vertragsurkunde erfahren hat.

3. Da das FG von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist, ist das Urteil insoweit aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- keine Feststellungen getroffen, die es dem Senat ermöglichen, darüber zu befinden, ob das FA die angefochtenen Bescheide noch hat ändern können, oder ob die Einkommensteuer 1970 bis 1975 gemäß § 144 Abs.1 Satz 1 der Reichsabgabenordnung (AO) nicht bereits verjährt war. Die Sache ist daher an das FG zurückzuverweisen. Es wird prüfen müssen, ob die Voraussetzungen einer 10-jährigen Verjährungsfrist vorgelegen haben. Zwar ist davon auszugehen, daß die Klägerin den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 392 AO verwirklicht hat, weil sie weder die in den Streitjahren zugeflossenen Pachtzinsen als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung erklärt noch die Verträge nebst Steuerklausel dem FA offenbart hat. Es fehlen aber Feststellungen des FG dazu, ob die Klägerin dies vorsätzlich getan hat. Für die Prüfung des Vorsatzes kann die Frage von Bedeutung sein, ob die Klägerin nach dem damaligen Stand von Rechtsprechung und Literatur davon ausgehen mußte, daß sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt und ob sie auf die Wirkung der Steuerklausel vertrauen durfte, obwohl sie sie dem FA nicht offenbart hatte. Kommt das FG zu dem Ergebnis, daß sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung vorliegen, so wird es bei der Beurteilung, ob Verjährung gemäß § 144 Abs.1 AO eingetreten ist, zu prüfen haben, ob möglicherweise Ablaufhemmung gemäß § 146a Abs.4 AO vorgelegen hat. Nach dieser Vorschrift verjährt der Anspruch bei hinterzogenen Beträgen nicht, bevor die Strafverfolgung verjährt ist. Gemäß § 78a des Strafgesetzbuches (StGB) beginnt die gemäß § 78 Abs.3 Nr.4 StGB fünfjährige Verjährungsfrist, wenn die Tat beendet ist. Liegt fortgesetzte Steuerhinterziehung vor, so beginnt die Verjährung mit dem Ende des letzten Handlungsteils (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. Urteil vom 28.November 1984 - 2 StR 309/84 -, Neue Juristische Wochenschrift 1985, 1719 m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 64349

BFH/NV 1993, 19

BStBl II 1993, 296

BFHE 170, 71

BFHE 1993, 71

BB 1993, 571 (L)

DB 1993, 616-617 (LT)

DStR 1993, 432 (KT)

DStZ 1993, 251 (KT)

HFR 1993, 309 (LT)

StE 1993, 140 (K)

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