Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhöhte Absetzungen bei einem nach dem 29.7.1981 erworbenen Rohbau (Baugenehmigung vor dem 30.7.1981) nach Fertigstellung als Einfamilienhaus

 

Leitsatz (amtlich)

Hat ein Steuerpflichtiger aufgrund eines nach dem 29.Juli 1981 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags einen Rohbau erworben, bei dem vor dem 30.Juli 1981 der Antrag auf Baugenehmigung gestellt und mit den Bauarbeiten begonnen worden war, und hat er den Rohbau sodann als Einfamilienhaus fertiggestellt, so kann er erhöhte Absetzungen gemäß § 7b Abs.1 i.V.m. § 52 Abs.10 EStG nach der ab 30.Juli 1981 für Einfamilienhäuser geltenden Höchstbemessungsgrundlage von 200 000 DM beanspruchen.

 

Orientierungssatz

Seit der Geltung des § 7b EStG 1977 sind sowohl die Kosten für die Anschaffung eines Rohbaus als auch die Kosten für seine Fertigstellung als begünstigtes Objekt der Bemessung der erhöhten Absetzungen im Rahmen der maßgeblichen Höchstbemessungsgrenze zugrunde zu legen (vgl. Literatur). Die vor dem Inkrafttreten des § 7b EStG 1977 ergangene einschlägige Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 29.10.1974 VIII R 139/70) ist insoweit nicht mehr anzuwenden.

 

Normenkette

EStG 1981 § 7b Abs. 1 S. 3, § 52 Abs. 10; EStG 1977 § 7b

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 18.05.1987; Aktenzeichen 3 K 223/86)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben im Jahre 1983 den Rohbau eines Einfamilienhauses. Die Verkäuferin hatte vor dem 30.Juli 1981 für dieses Gebäude die Baugenehmigung beantragt und auch mit seiner Errichtung begonnen. Die Kläger zahlten für den Rohbau 162 000 DM; sie wendeten weitere 68 303,10 DM für die Fertigstellung des Einfamilienhauses auf. Es wurde im Jahre 1983 bezugsfertig.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) bemaß bei seiner Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer für das Streitjahr 1984 die erhöhten Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach der bis zum 29.Juli 1981 für Einfamilienhäuser geltenden Höchstbemessungsgrundlage von 150 000 DM. Diese sei nach § 52 Abs.10 EStG auch für die Kläger maßgeblich, weil der Antrag auf Baugenehmigung vor dem 30.Juli 1981 gestellt worden sei.

Die Kläger hatten mit ihrer Klage, mit der sie die Anwendung der ab 30.Juli 1981 für Einfamilienhäuser geltenden Höchstbemessungsgrundlage von 200 000 DM begehrten, Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 500 veröffentlichten Urteil die auf 200 000 DM erhöhte Höchstbemessungsgrundlage für maßgeblich, weil die Kläger ihr Einfamilienhaus nach dem 29.Juli 1981 angeschafft hätten.

Das FA rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision Verletzung des § 7b i.V.m. § 52 Abs.10 EStG.

Es beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß den Klägern erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG von 5 v.H. sowohl der Anschaffungskosten, die sie für den Erwerb des Rohbaues im Jahre 1983 aufwendeten, als auch der Herstellungskosten zustehen, die sie für die Fertigstellung des Gebäudes als Einfamilienhaus zahlten. Der Vorgang, der zu dem nach § 7b EStG begünstigten Einfamilienhaus der Kläger führte, enthält Elemente sowohl der Anschaffung als auch der Herstellung. Die Kläger schafften einen Rohbau an und stellten diesen sodann als begünstigtes Objekt fertig.

Es ist seit der Geltung des § 7b EStG 1977 allgemein anerkannt, daß sowohl die Kosten für die Anschaffung eines Rohbaues als auch die Kosten für seine Fertigstellung als begünstigtes Objekt der Bemessung der erhöhten Absetzungen im Rahmen der maßgeblichen Höchstbemessungsgrenze zugrunde zu legen sind (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 7.Aufl., § 7b Anm.6 b; Boeker in: Lademann/Söffing/Brockhoff, Einkommensteuergesetz, § 7b Anm.20; Abschn.58 Abs.1 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1987). Die vor dem Inkrafttreten des § 7b EStG 1977 ergangene einschlägige Rechtsprechung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29.Oktober 1974 VIII R 139/70, BFHE 114, 83, BStBl II 1975, 144) ist insoweit nicht mehr anzuwenden.

2. Das FG hat auch --im Ergebnis-- zutreffend die erhöhten Absetzungen der Kläger für ihr Einfamilienhaus nach der Höchstbemessungsgrundlage von 200 000 DM berechnet. Diese Höchstbemessungsgrundlage für Einfamilienhäuser nach § 7b Abs.1 Satz 3 EStG trat aufgrund von Art.26 Nr.5 des 2* .Haushaltsstrukturgesetzes (2.HStruktG) vom 22.Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1523, BStBl I 1982, 235) an die Stelle der bis dahin für Einfamilienhäuser geltenden Höchstbemessungsgrundlage von 150 000 DM. Sie ist entgegen der Auffassung des FA auf den vorliegenden Fall nach § 52 Abs.10 EStG anwendbar, weil die Kläger den Rohbau ihres Einfamilienhauses aufgrund eines nach dem 29.Juli 1981 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags erworben haben.

Nach § 52 Abs.10 i.d.F. des 2.HStruktG ist der geänderte § 7b EStG erstmals bei Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern oder Eigentumswohnungen anzuwenden, bei denen der Antrag auf Baugenehmigung nach dem 29.Juli 1981 gestellt worden ist oder die aufgrund eines nach dem 29.Juli 1981 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft worden sind. Ist der Antrag auf Baugenehmigung vor dem 30.Juli 1981 gestellt worden, ist der geänderte § 7b EStG anzuwenden, wenn mit den Bauarbeiten nach dem 29.Juli 1981 begonnen worden ist. Bei Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern oder Eigentumswohnungen, bei denen der Antrag auf Baugenehmigung vor dem 30.Juli 1981 gestellt und bei denen mit den Bauarbeiten vor dem 30.Juli 1981 begonnen worden ist oder die aufgrund eines vor dem 30.Juli 1981 rechtswirksam abgeschlossenen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft worden sind, ist § 7b EStG in der bisherigen Fassung weiter anzuwenden.

Die Revision weist allerdings zutreffend darauf hin, daß die Kläger nicht nach dem 29.Juli 1981 einen obligatorischen Vertrag zur Anschaffung eines Einfamilienhauses abschlossen. Sie erwarben vielmehr nach dem Stichtag einen Rohbau, der kein begünstigtes Objekt i.S. von § 7b Abs.1 EStG ist (Urteil in BFHE 114, 83, BStBl II 1975, 144). In Ermangelung einer Anschaffung eines begünstigten Einfamilienhauses kommt damit jedoch nicht allein noch eine Herstellung eines Einfamilienhauses in Betracht, die zeitlich vor dem 30.Juli 1981 einzuordnen ist, weil die Rechtsvorgängerin der Kläger schon vor dem 30.Juli 1981 den Bauantrag gestellt und auch schon mit den Bauarbeiten begonnen hatte. Aus § 52 Abs.10 EStG läßt sich nicht folgern, der Antrag auf Baugenehmigung oder Beginn der Bauarbeiten vor dem 30.Juli 1981 müsse objektbezogen dazu führen, daß dann stets die jeweilige Höchstbemessungsgrundlage nach § 7b Abs.1 Satz 3 EStG a.F. anzuwenden sei. Ein Erwerber eines solchen Objekts kann vielmehr bereits die Anwendung der betreffenden höheren Höchstbemessungsgrundlage nach § 7b Abs.1 Satz 3 EStG n.F. verlangen, wenn er den obligatorischen Vertrag rechtswirksam nach dem 29.Juli 1981 abgeschlossen hat.

Seinem Wortlaut nach sieht § 52 Abs.10 EStG dies allerdings nur für die Fälle vor, in denen das Erwerbsgeschäft die Anschaffung eines Einfamilienhauses, Zweifamilienhauses oder einer Eigentumswohnung zum Gegenstand hat ("Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen ..., die auf Grund eines nach dem 29.Juli 1981 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags ... angeschafft worden sind"). Der Wortlaut der Vorschrift erfaßt hingegen nicht den Fall, daß der obligatorische Vertrag die Anschaffung eines Rohbaues betrifft, den der Erwerber erst zu einem begünstigten Objekt fertigstellt. Insoweit weist § 52 Abs.10 EStG eine Lücke auf, die jedoch nach dem Grundgedanken und dem System dieser Vorschrift nicht ungeregelt hätte bleiben dürfen (zur ergänzenden Rechtsfortbildung BFH-Urteile vom 13.Juli 1989 V R 110-112/84, BFHE 158, 157, BStBl II 1989, 1036; vom 9.August 1989 X R 30/86, BFHE 158, 45, BStBl II 1989, 891). Ihre planwidrige Unvollständigkeit bedarf der Ergänzung nach dem Grundgedanken sowie dem Sinn und Zweck der Regelung. Danach muß der Erwerb eines Rohbaues, den der Käufer als Einfamilienhaus, Zweifamilienhaus oder Eigentumswohnung fertigstellt, der Anschaffung eines solchen begünstigten Objekts im Rahmen des § 52 Abs.10 EStG gleichgestellt werden (ebenso Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 7b Anm.3 b).

Der Regelung des § 52 Abs.10 EStG zum zeitlichen Anwendungsbereich der erhöhten Höchstbemessungsgrundlage nach § 7b Abs.1 Satz 3 EStG n.F. liegt die Erwägung des Gesetzgebers zugrunde, daß die neuen Höchstbemessungsgrundlagen immer dann gelten, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Entschluß zur Schaffung von Wohneigentum nach dem 29.Juli 1981 ins Werk gesetzt hat. Der Gesetzgeber hat nämlich für die zeitliche Zuordnung auf den Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Baugenehmigung, des Beginns der Bauarbeiten oder des rechtswirksamen Abschlusses des obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts abgestellt. Die vom Gesetzgeber mit dem 2.HStruktG beabsichtigten Anreize zur Schaffung von Wohnraum und zur Belebung der Baunachfrage (BTDrucks 9/796) sollten bereits rückwirkend vom 30.Juli 1981 an wirksam werden. Durch eine solche Rückbeziehung auf den Tag des Kabinettsbeschlusses oder einen vergleichbaren Tag soll verhindert werden, daß die Verwirklichung von Investitionsvorhaben bis zum Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens zurückgestellt wird (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 7b EStG Grüne Blätter Anm.III.2.).

Gemessen an diesem Grundgedanken des § 52 Abs.10 EStG ist der Erwerb eines Rohbaues hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts ebenso zu behandeln, wie der Erwerb eines fertiggestellten Objekts: Maßgebend ist der Zeitpunkt des Abschlusses des obligatorischen Vertrags. In beiden Fällen setzt der Käufer als neuer Rechtsinhaber seinen Investitions-(Kauf-)Entschluß mit dem Zustandekommen des Kaufvertrags ins Werk. Bei dem Erwerber eines Rohbaues erstreckt sich die Durchführung seines Investitionsvorhabens lediglich dadurch über einen längeren Zeitraum, daß er den erworbenen Rohbau noch fertigbauen muß. Dies ist jedoch für den Zeitpunkt des Inswerksetzens seines Investitionsentschlusses unerheblich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63235

BFH/NV 1990, 68

BStBl II 1990, 889

BFHE 160, 526

BB 1990, 1890

BB 1990, 1890-1891 (LT)

DB 1990, 1846-1847 (LT)

HFR 1990, 679 (LT)

StE 1990, 314 (K)

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