Leitsatz (amtlich)

1. "Fortlaufende Eintragung in die Bücher" i. S. des § 162 Abs. 2 AO bedeutet nicht "tägliche" Eintragung.

2. Bei kleinen Betrieben mit nur wenigen Eingangsrechnungen ist in der 14tägigen oder auch monatlichen Verbuchung nicht ohne weiteres ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu sehen.

 

Normenkette

AO § 162 Abs. 2 S. 1; EStG § 6 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) begehrt die Berücksichtigung eines Verlustabzuges aus dem Jahre 1958 und für die Streitjahre 1959 und 1960 die Anerkennung der Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und die erhöhten Absetzungen nach dem BHG. Voraussetzung hierfür ist, daß der Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt worden ist (§ 6 Abs. 2 EStG und § 16 Abs. 1 BHG). Auf Grund einer Betriebsprüfung hat der Revisionsbeklagte (FA) die Buchführung des Steuerpflichtigen verworfen, weil die unbaren Geschäftsvorfälle grundbuchmäßig nicht festgehalten worden seien und die Kassenführung erhebliche Mängel aufgewiesen habe. Der Prüfer stellte außerdem unaufklärbare Differenzen zwischen den buchmäßig ausgewiesenen und den tatsächlichen Beständen an Forderungen und Schulden fest.

Auf die Betriebsprüfung hin änderte das FA die Einkommensteuerbescheide 1959 und 1960. Den entsprechenden Gewinnen wurden für den Veranlagungszeitraum 1959 ein Betrag von 1 000 DM und für den Veranlagungszeitraum 1960 ein Betrag von 500 DM an Unsicherheitszuschlägen hinzugerechnet.

Das FG hat die Klage gegen die Einspruchsentscheidung des Steuerausschusses abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Steuerpflichtige habe selbst eingeräumt, daß die Buchführung vor dem 1. Januar 1958 nicht ordnungsmäßig gewesen sei. Eine ordnungsmäßige Buchführung setze u. a. voraus, daß alle Wareneingänge laufend täglich verbucht würden. Gemäß der Wareneingangsverordnung seien Eintragungen in das Wareneingangsbuch noch an dem Tage zu machen, an dem der gewerbliche Unternehmer den Warenposten erwerbe. Der Steuerpflichtige habe ein solches Wareneingangsbuch nicht geführt. Von der Führung eines Wareneingangsbuches seien nur solche Unternehmer befreit, die zum Führen von Handelsbüchern verpflichtet seien und solche ordnungsgemäß führten. Der Steuerpflichtige habe indessen Handelsbücher i. S. des HGB im Jahre 1958 nicht ordnungsgemäß geführt.

Gegen dieses Urteil hat der Steuerpflichtige Revision eingelegt. Er rügt mangelnde Sachaufklärung und unrichtige Anwendung von Bundesrecht. Das FG stütze die Versagung der Steuervergünstigungen darauf, daß die Verbuchung der Wareneingänge im Wareneingangsbuch nicht sofort nach dem Wareneingang erfolgt sei. Zur Führung eines Wareneingangsbuches sei er nicht verpflichtet gewesen. Für die Versagung des Verlustabzugs aus dem Grund des zeitlichen Ablaufs der Verbuchung des Wareneingangs hätte das FA feststellen müssen, in welcher Zeit nach Eingang der Rechnungen diese verbucht worden seien. Es sei vorgetragen worden, daß die Belege in kürzeren Abständen als einmal im Monat verbucht worden seien. Dem entsprechenden Zeugenangebot sei das FG nicht nachgekommen. Es sei aber gehalten gewesen, den Sachverhalt unter Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel bis zur Grenze des Zumutbaren so vollständig wie möglich aufzuklären. Das bedeute auch, daß das Gericht Beweisanträge nicht ohne ausreichenden Grund hätte übergehen dürfen. Dies sei im Streitfall eindeutig geschehen. Die Zuschätzungen seien ungerechtfertigt.

Er beantragt, die Berücksichtigung des Verlustabzugs aus dem Veranlagungszeitraum 1958, die Gewährung der Begünstigung nach dem BHG für 1958 bis 1960 sowie die Gewährung der Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 2 EStG.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß über den Verlustabzug jeweils erst bei der Veranlagung des Jahres entschieden wird, in dem sich der Verlust auswirkt (vgl. Urteil des BFH I 184/63 vom 12. Januar 1966, BFH 85, 161, BStBl III 1966, 270). Die Vorentscheidung muß aber aufgehoben werden, weil die Tatsachenfeststellung der Vorinstanz nicht ausreicht, um die Entscheidung zu rechtfertigen, die Buchführung sei 1958 - Verlustjahr - und in den Veranlagungszeiträumen 1959 und 1960 nicht ordnungsmäßig gewesen (vgl. BFH-Urteil II R 36/67 vom 5. März 1968, BFH 92, 416, BStBl II 1968, 610).

Verstöße gegen die Wareneingangsverordnung rechtfertigen nicht ohne weiteres eine Verwerfung der Buchführung bzw. eine Schätzung. Ob eine Schätzung erfolgen darf, ist ausschließlich nach § 217 AO zu beurteilen. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß Unternehmer von der Führung des Wareneingangsbuches befreit sind, wenn sie zur Führung von Handelsbüchern verpflichtet sind und solche ordnungsgemäß führen. Es bestreitet aber ohne hinreichende Begründung, daß der Steuerpflichtige seine Handelsbücher ordnungsgemäß geführt habe.

Da das EStG auf der Abschnittsbesteuerung beruht, ist für jeden Veranlagungszeitraum zu ermitteln, ob eine ordnungsmäßige Buchführung vorliegt. Das FG hat seine auf die Verletzung der Wareneingangsverordnung gestützte Entscheidung nur auf das Jahr 1958 bezogen. Dabei beruft es sich auf das Eingeständnis des Steuerpflichtigen, seine Buchführung sei vor dem 1. Januar 1958 nicht ordnungsmäßig gewesen. Hinsichtlich der Jahre 1959 und 1960 wird in der Vorentscheidung lediglich bemerkt, daß gegen die Unsicherheitszuschläge dem Grunde und der Höhe nach keine Bedenken bestünden. Zur Frage der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung für die Streitjahre enthält die Vorentscheidung keine Ausführungen.

Aber auch für das Jahr 1958 kann der Vorentscheidung nicht beigetreten werden. Nach Tz. 13 des Betriebsprüfungsberichts sind die Lieferantenrechnungen nicht laufend, sondern in Abständen von 14 Tagen bis zu einem Monat gebucht worden. Wenn das FG meint, zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung gehöre stets, daß alle Wareneingänge "laufend täglich" verbucht werden müssen, so kann ihm hierin nicht gefolgt werden. Nach § 162 Abs. 2 AO sollen Eintragungen in die Bücher fortlaufend bewirkt werden. Fortlaufend bedeutet aber nicht täglich; was unter "fortlaufend" zu verstehen ist, kann im Einzelfall unterschiedlich zu beurteilen sein. Daß eine einfache Rechnungsablage die Aufgabe von Grundaufzeichnungen nicht übernehmen kann, hat der Senat im Urteil I R 8/66 vom 2. Oktober 1968 (BFH 94, 319, BStBl II 1969, 157) festgestellt. Der Senat hat sich der Ansicht des IV. Senats des BFH im Urteil IV 63/63 vom 26. März 1968 (BFH 92, 264, BStBl II 1968, 527) angeschlossen, daß jeder Geschäftsvorfall sobald wie möglich in den Büchern festzuhalten ist. Der IV. Senat hat a. a. O. ausgeführt, es dürfe bis zur Verbuchung keine Zeitspanne vergehen, die die ohnehin nicht völlig auszuschließende Gefahr des Verlustes von Buchungsunterlagen in vermeidbarer Weise vergrößere. Je umfangreicher der Beleganfall sei, um so nachdrücklicher sei die Forderung nach zeitnahem Festhalten der Geschäftsvorfälle in den Büchern zu erheben. Er hat unentschieden gelassen, ob bei kleinen Betrieben mit nur wenigen Belegen die Überwachung der Vollständigkeit der Belegsammlung für etwa einen Monat auf andere Weise gewährleistet sei und damit die Belegsammlung so lange als hinreichender Grundbuchersatz angesehen werden könne. Der erkennende Senat ist der Ansicht, daß bei Entscheidung dieser Frage nicht kleinlich verfahren werden soll, wenn kontrollierbar gewährleistet ist, daß alle Belege verbucht werden. Im vorliegenden Falle hat das FG nicht festgestellt, daß es sich um einen umfangreichen Beleganfall handelte und dadurch die Gefahr des Verlustes von Buchungsunterlagen bestand und die erforderliche Übersicht über die Zusammensetzung und die Höhe des Betriebsvermögens verlorengegangen sei. In Übereinstimmung mit dem Urteil IV 63/63, a. a. O., hat der VI. Senat des BFH im Urteil VI R 189/66 vom 29. August 1969 (BFH 97, 11, BStBl II 1970, 40) darauf hingewiesen, daß die Anforderungen an die Buchführung nicht überspitzt werden dürfen, da die Buchführung nicht Selbstzweck ist. Bei Anerkennung dieser Grundsätze kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß in der 14tägigen bzw. monatlichen Verbuchung der Eingangsrechnungen ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu sehen ist.

Die Vorentscheidung ist darum aufzuheben. Die Sache muß an das FG zurückverwiesen werden, damit es i. S. der vorstehenden Ausführungen nähere Feststellungen trifft. Kommt das FG zu dem Ergebnis, daß die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung bejaht werden kann, so wird es die übrigen Streitpunkte, die von seinem Standpunkt aus zu Recht bisher unerörtert geblieben sind (Tz. 14 bis 19 des Betriebsprüfungsberichts), entscheiden müssen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69035

BStBl II 1970, 540

BFHE 1970, 120

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