Leitsatz (amtlich)

Mehrgewinnanteile, die dem Gesellschafter einer Personengesellschaft aufgrund eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichs zustehen, sind grundsätzlich nicht im Jahr des Zufließens, sondern in dem Jahr, auf das sie entfallen, und nur aufgrund der einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns der Gesellschaft für dieses Jahr zu versteuern.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 2; AO §§ 215, 218

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Die inzwischen verstorbene Ehefrau des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) war an einer OHG beteiligt. Die Gewinne der Gesellschaft wurden vom zuständigen FA S einheitlich und gesondert festgestellt. Die endgültigen Feststellungsbescheide 1948/II bis 1958 wurden unanfechtbar, die Feststellungsbescheide 1959 und 1960 ergingen vorläufig.

Nach einem außergerichtlichen Vergleich, durch den ein Rechtsstreit zwischen den Gesellschaftern erledigt wurde, erhielt die Ehefrau des Klägers folgende Mehrgewinnanteile, die ihr im Jahre 1967 ausbezahlt wurden:

Mehrgewinnanteile 1948/II bis 1958 78 823,60 DM

Mehrgewinnanteil 1959 36 849,00 DM

Mehrgewinnanteil 1960 78 595,00 DM

Das FA S übernahm die geänderte Gewinnverteilung in die endgültigen Gewinnfeststellungsbescheide 1959 und 1960. Die Gewinnfeststellungsbescheide 1948/II bis 1958 blieben infolge der Verjährung unverändert.

Der Beklagte und Revisionskläger (das für die Einkommensteuer des Klägers und seiner mit ihm zusammen veranlagten Ehefrau zuständige FA) behandelte die Mehrgewinnanteile der Ehefrau des Klägers, die auf die Veranlagungszeiträume 1948/II bis 1958 entfielen, als nachträgliche gewerbliche Einkünfte des Streitjahres 1967.

Die Sprungklage gegen den Einkommensteuerbescheid 1967, die - wie das FG im zweiten Rechtsgang klargestellt hat - von dem Kläger und seiner Ehefrau erhoben worden war, hatte Erfolg. Das FG hat im zweiten Rechtsgang die Einkommensteuerschuld (vor Anrechnung der Steuerabzugsbeträge) auf 2 580 DM herabgesetzt. Das Verfahren betreffend die Erben der inzwischen verstorbenen Ehefrau des Klägers hat das FG zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das FG ausgeführt, die Mehrgewinnanteile der Ehefrau des Klägers seien nicht im Jahr des Zufließens, sondern in den Jahren, auf die sie entfielen, zu versteuern.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, mit der Verletzung der §§ 215, 216 AO, § 15 Nr. 2, § 24 Nr. 1 EStG gerügt wird. Das FA meint, die Mehrgewinnanteile seien in dem Jahr des Zufließens zu versteuern, weil die Ehefrau des Klägers erst in diesem Jahr durch den außergerichtlichen Vergleich einen Rechtsanspruch auf Nachzahlung dieser Beträge Erhalten habe, der steuerrechtlich nicht zurückwirke. Diese Rechtslage entspreche auch dem Grundsatz, daß die Besteuerung an die Leistungsfähigkeit anzuknüpfen habe. Die steuerliche Leistungsfähigkeit der Ehefrau des Klägers in bezug auf die Mehrgewinnanteile sei erst mit der Zahlung im Streitjahr 1967 eingetreten.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise § 34 EStG anzuwenden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Mehrgewinnanteile der Ehefrau des Klägers, die auf die Jahre 1948/II bis 1958 entfallen, sind nicht im Jahr des Zufließens (Streitjahr 1967), sondern in den Jahren, auf die sie entfallen, und nur aufgrund einer einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns der Gesellschaft für diese Jahre zu versteuern (§ 15 Nr. 2 EStG, §§ 215, 218 AO).

Die Auffassung des FA, die Mehrgewinnanteile seien im Jahr des Zufließens zu versteuern, steht nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH. Unbeschadet der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei der Gründung einer Personengesellschaft und beim Wechsel der Gesellschafter rückwirkende Vereinbarungen steuerrechtlich anzuerkennen sind (vgl. BFH-Urteile vom 8. November 1972 I R 227/70, BFHE 108, 299, BStBl II 1973, 287, und vom 21. Dezember 1972 IV R 194/69, BFHE 108, 495, BStBl II 1973, 389), hat der BFH die rückwirkende Kraft eines Vergleichs zur Regelung streitiger Rechtsverhältnisse wiederholt anerkannt (BFH-Urteile vom 14. Oktober 1966 IV 61/64, BFHE 87, 387, BStBl III 1967, 175, und vom 7. September 1972 IV 311/65, BFHE 107, 211, BStBl II 1973, 11). Denn hier handelt es sich in der Regel nicht um die Änderung eines klaren, sondern um die richtige Feststellung eines unklaren Sachverhalts, die durch Urteil erfolgt wäre, wenn die Parteien nicht einen Vergleich geschlossen hätten (BFH-Urteil IV 61/64). Für die Gewinnverteilung einer Personengesellschaft folgt die steuerrechtliche Anerkennung eines Vergleichs zwischen den Gesellschaftern über die Höhe der Gewinnanteile daraus, daß der Steuerbilanzgewinn der Gesellschaft den Gesellschaftern grundsätzlich nach Maßgabe der gesellschaftsvertraglichen Gewinnverteilung zusteht (BFH-Urteil vom 31. Oktober 1974 IV R 141/70, BFHE 113, 511, BStBl II 1975, 73) und diese Gewinnverteilung durch den Vergleich rückwirkend klargestellt wird. Der Senat braucht nicht abschließend zu prüfen, ob ein Vergleich zwischen den Gesellschaftern einer Personengesellschaft insoweit steuerrechtlich nicht zurückwirkt, als die Gesellschafter in bewußter Abweichung von der Rechtslage nach dem Gesellschaftsvertrag die Gewinnverteilung rückwirkend ändern. Denn im Streitfall besteht kein Anhaltspunkt für eine solche Handlungsweise.

Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit fordert nicht die Besteuerung der Mehrgewinnanteile im Zeitpunkt des Zufließens. Denn die Besteuerung der Gewinnanteile des Gesellschafters einer Personengesellschaft hängt auch sonst nicht vom Zufließen ab. Die Gewinnanteile sind auch dann als Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusetzen, wenn sie mit Rücksicht auf die Liquidität und Ertragslage der Gesellschaft tätsächlich nicht entnommen werden können und möglicherweise handelsrechtlich nicht entnommen werden dürfen (vgl. § 122 HGB; Bühler-Paulick, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, 2. Auf., § 11 EStG, Anm. 1).

Das Risiko, daß wegen inzwischen eingetretener Verjährung der frühere Steuerbilanzgewinn der Gesellschaft aufgrund des Vergleichs nicht mehr geändert werden kann, läßt sich oft dadurch vermindern, daß die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns der Gesellschaft für vorläufig erklärt wird, falls das FA Kenntnis vom Streit der Gesellschaft über die Gewinnverteilung erlangt hat (§§ 100, 218 Abs. 1, § 145 Abs. 2 Nr. 4 AO). Soweit sich das Risiko der Verjährung nicht vermeiden läßt, liegt darin kein Grund, die dargestellten Rechtsgrundsätze zu durchbrechen, nach denen im Streitfall die Besteuerung der Mehrgewinnanteile der Ehefrau des Klägers im Streitjahr 1967 rechtswidrig ist.

Bei dieser Rechtslage braucht der Senat nicht zu prüfen, ob eine Besteuerung der Mehrgewinnanteile - wenn diese im Jahr des Zufließens zu erfolgen hätte - ohne einheitliche und gesonderte Feststellung (§ 215 AO) möglich wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71428

BStBl II 1975, 603

BFHE 1975, 488

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