Entscheidungsstichwort (Thema)

Einnahmen und entsprechende Werbungskosten aufgrund eines zinslosen Darlehens

 

Leitsatz (NV)

1. Bildet die Zinslosigkeit eines Darlehens das Entgelt für die Nutzung einer Wohnung, so ist der Zinsvorteil im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu dem Zeitpunkt und in dem Umfang als Einnahme anzusetzen, in dem der Darlehensnehmer üblicherweise hätte Zinsen zahlen müssen.

2. Wird der Zinsvorteil zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eingesetzt und damit verbraucht, so stehen den Einnahmen entsprechende Aufwendungen (Werbungskosten) gegenüber.

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob dem als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu erfassenden Zinsvorteil aus einem zinslosen Darlehen in gleicher Höhe Werbungskosten gegenüberzustellen sind.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger erwarb im Streitjahr ein Zweifamilienhaus. Für einen Teil des Kaufpreises nahm er Darlehen bei Kreditinstituten auf. Einen weiteren Teilbetrag von 70 000 DM bezahlten seine Eltern. Außerdem gewährten diese ihm für die Anschaffung ein zinsloses Darlehen von 100 000 DM. Die Kläger bezogen die Wohnung im Obergeschoß des Hauses, die Eltern die Wohnung im Erdgeschoß. Als Entgelt für die finanzielle Beteiligung seiner Eltern räumte der Kläger ihnen ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht an der Wohnung im Erdgeschoß ein, das ins Grundbuch eingetragen und durch Abtretung von Grundschulden gesichert wurde.

In der Einkommensteuererklärung ermittelten die Kläger ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), setzten dabei den von den Eltern erhaltenen, nicht zurückzuzahlenden Betrag von 70 000 DM als Einnahme an und beantragten, ihn auf zehn Jahre zu verteilen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) ging dagegen zunächst von einem unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauch aus und ermittelte die Einkünfte durch Pauschalierung nach § 21a EStG.

Im Klageverfahren schloß sich das FA der Auffassung an, daß das Wohnrecht entgeltlich eingeräumt sei. Neben dem Betrag von 70 000 DM erfaßte es als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung auch den Zinsvorteil aus dem zinslosen Darlehen über 100 000 DM, den es nach § 12 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) und Anhang 1 Hilfstafel 1 auf 65 727 DM bezifferte. Den Gesamtbetrag von 135 727 DM sah es als im Streitjahr zugeflossen an, verteilte ihn aber nach dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 15. November 1984 IV B 1 -- S 2253 -- 139/84 (BStBl I 1984, 561, Tz. 31 bis 33) aus Billigkeitsgründen auf zehn Jahre und berücksichtigte für das Streitjahr nach einer Anweisung der Oberfinanzdirektion (OFD) Kiel anteilig für drei Monate den Betrag von 3/120 = 3 393 DM. Den ensprechenden Änderungsbescheid machten die Kläger nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens. Danach blieb nur noch streitig, ob dem als Einnahme zu erfassenden Zinsvorteil deshalb in gleicher Höhe Werbungskosten gegenüberzustellen waren, weil die gegenüber den Eltern ersparten Schuldzinsen im Falle ihrer Zahlung als Werbungskosten abziehbar gewesen wären.

In diesem Punkt wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab, weil Schuldzinsen tatsächlich nicht angefallen seien.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung der §§ 9, 21 EStG und des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

Während des Revisionsverfahrens hat das FA mit Änderungsbescheid vom 8. Februar 1994 die erhöhten Kinderfreibeträge nach Art. 1 Nr. 18 des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1991 berücksichtigt und die Steuerfestsetzung insoweit und in weiteren Punkten für vorläufig erklärt.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision richtet sich gemäß §§ 68, 121 FGO nur noch gegen den Änderungsbescheid vom 8. Februar 1994. Die Vorentscheidung ist dadurch überholt. Eine Zurückverweisung an das FG nach § 127 FGO ist nicht geboten, weil die Sache spruchreif ist (Urteile des Senats vom 27. Oktober 1992 IX R 152/89, BFHE 170, 57, 58, BStBl II 1993, 589, und vom 27. Oktober 1992 IX R 66/91, BFHE 170, 214, 215, BStBl II 1993, 591).

Das Vorbringen der Kläger läßt erkennen, daß sie -- über die Herabsetzung der Einkommensteuer im vorgenannten Änderungsbescheid hinaus -- eine weitere Steuerherabsetzung im Umfang ihres Klageantrags begehren. Dies ist gemäß § 123 Satz 2 FGO zulässig (Urteil des Senats in BFHE 170, 214, 216 f., BStBl II 1993, 591).

II. Die Revision ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO ist die Vorentscheidung aufzuheben und nach §§ 100, 121 FGO über den Änderungsbescheid in der Sache zu entscheiden. FA und FG haben zu Unrecht den Zinsvorteil aus dem zinslosen Darlehen der Eltern des Klägers als Einnahme bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung angesetzt, ohne zugleich entsprechende Werbungskosten abzuziehen.

1. Ohne Rechtsfehler sind FA und FG davon ausgegangen, daß die Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung nach § 21a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG durch Abzug der Werbungskosten von den Einnahmen zu ermitteln sind. Nach dieser Vorschrift ist der Nutzungswert für Zweifamilienhäuser dann nicht pauschal nach § 21a Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG zu bestimmen, wenn der Steuerpflichtige in dem eigenen Haus mindestens eine Wohnung zur dauernden Nutzung vermietet hat.

FA und FG konnten die Vereinbarungen des Klägers mit seinen Eltern ohne Rechtsverstoß dahin würdigen, daß den Eltern eine Wohnung zur dauernden Nutzung gegen Entgelt überlassen worden war. Zu dieser Würdigung konnte das FG insbesondere mit Rücksicht auf die für die Wohnungsüberlassung vereinbarten Sicherungen gelangen. Das FG hat dazu ausgeführt, die Vereinbarungen seien zivilrechtlich wirksam, wie unter Fremden üblich abgeschlossen und tatsächlich durchgeführt worden. Die tatsächlichen Feststellungen zum Inhalt der Vereinbarungen sind für den Senat bindend (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Die darauf gestützte rechtliche Würdigung des FG ist nicht zu beanstanden.

2. Zu Recht sind das FG und ihm folgend nunmehr auch das FA davon ausgegangen, daß der Vorteil aus der Zinslosigkeit des Darlehens im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1 EStG zu dem Zeitpunkt und in dem Umfang als Einnahme des Klägers anzusetzen ist, in dem der Kläger üblicherweise hätte Zinsen zahlen müssen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 23. Oktober 1985 I R 248/81, BFHE 145, 175, 179, BStBl II 1986, 178). Zu Unrecht haben FA und FG es jedoch unterlassen, diesen Einnahmen Werbungskosten in entsprechender Höhe gegenüberzustellen. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 EStG Aufwendungen zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Die neuere Rechtsprechung versteht darunter -- über den Wortlaut dieser Vorschrift hinaus -- alle Aufwendungen, die durch die Erzielung von Einkünften veranlaßt sind (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C II 2 m.w.N.). Der Begriff der Aufwendungen in § 9 Abs. 1 EStG entspricht dem der Einnahmen im § 8 Abs. 1 EStG und umfaßt deshalb nicht nur Geldzahlungen, sondern auch den Abfluß geldwerter Güter (BFH-Urteil vom 19. Januar 1982 VIII R 102/78, BFHE 135, 434, BStBl II 1982, 533 unter I 2; Prinz in Hermann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Neben gesetzen, Kommentar, § 9 EStG Anm. 65; Söhn, Steuer und Wirtschaft 1991, 270, 271). Der durch ein zinsloses Darlehen zufließende Nutzungsvorteil besteht in der Möglichkeit, über die Darlehensvaluta zu verfügen und mit ihr wirtschaftlich zu arbeiten (Staudinger/Hopt/Mülbert, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl. 1989, § 607 Rz. 2). Wird dieser Nutzungsvorteil -- wie im Streitfall -- zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eingesetzt (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348, 357 unter C II 2 d), so wird er damit verbraucht und fließt als Aufwendung i. S. von § 9 Abs. 1 EStG ab (vgl. BFH-Urteil vom 27. April 1993 IX R 26/92, BFHE 171, 443, 444, BStBl II 1993, 784). Dies hat die ältere Rechtsprechung durch die Formulierung umschrieben, dem Vorteil aus dem zins losen Darlehen seien entsprechende "fiktive" abziehbare Ausgaben gegenüberzustellen, wenn die ersparten Zinsaufwendungen im Falle ihrer Zahlung abziehbar gewesen wären (Urteile des Reichsfinanzhofs -- RFH -- vom 18. Dezember 1929 VI A 815/28, RStBl 1930, 301; vom 19. Mai 1938 IV 10/38, RFHE 44, 141; BFH-Urteile vom 14. Juli 1961 VI 218/58 U. BFHE 73, 380, BStBl III 1961, 405; vom 25. September 1970 VI R 122/67, BFHE 100, 301, BStBl II 1971, 53; ferner die Nachweise im Beschluß des Großen Senats in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348, 357 unter C II 2 d). Darin liegt entgegen der Auffassung des FG aber weder die Besteuerung eines fiktiven Sachverhalts noch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung.

3. Das angefochtene Urteil und der Änderungsbescheid vom 8. Februar 1994 beruhen auf einer anderen Rechtsauffassung. Das Urteil des FG ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Einkommensteuer ist nach § 100 Abs. 2, § 121 FGO herabzusetzen. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind um 1 313 DM zu verringern.

Dabei bleibt außer Betracht, daß das FA den von den Eltern im Streitjahr geleisteten Zuschuß von 70 000 DM auf zehn Jahre verteilt hat. Es kann offenbleiben, ob diese Zahlung wie ein verlorener Zuschuß des Mieters zu behandeln ist (vgl. dazu Abschn. 163 der Einkommensteuer-Richtlinien -- EStR --) und ob die von der Verwaltung auf Antrag zugelassene Verteilung mit § 11 EStG zu vereinbaren ist (bejahend BFH-Urteile vom 4. Dezember 1962 VI 308/61 S, BFHE 76, 329, BStBl III 1963, 120, und vom 28. Juni 1977 VIII R 49/74, BFHE 123, 144, BStBl II 1978, 91). Selbst wenn die Handhabung des FA im Streitfall insoweit nicht dem Gesetz entsprochen haben sollte, handelt es sich -- wovon auch die Beteiligten und das FG übereinstimmend ausgehen -- jedenfalls um eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO 1977). Diese Billigkeitsmaßnahme bildet einen Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung (Urteil des Senats vom 26. Februar 1991 IX R 95/88, BFHE 163, 562, BStBl II 1991, 572) und kann deshalb im Verfahren über eine Anfechtungsklage gegen die Steuerfestsetzung nicht -- auch nicht in Form einer Saldierung -- in die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einbezogen werden (BFH-Urteil vom 13. April 1989 IV R 196/85, BFHE 156, 489, BStBl II 1989, 614).

 

Fundstellen

Haufe-Index 65044

BFH/NV 1995, 294

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