Leitsatz (amtlich)

Entnahmen können nur durch Einlagen ausgeglichen werden, die der Steuerpflichtige bis zum Bilanzstichtag tatsächlich vorgenommen hat. Die Berücksichtigung einer fiktiven Einlage für ein bereits abgelaufenes Geschäftsjahr ist nicht möglich.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 2, 4, § 10a Abs. 2 S. 1

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit geht nur noch um die Frage, ob der Revisionsbeklagte (FA) dem Revisionskläger (Stpfl.) die Zustimmung zur Bilanzänderung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG bzw. die Rückgängigmachung eines Geschäftsvorfalls zu Recht versagt hat.

Der Stpfl. hatte zuletzt im Veranlagungszeitraum 1958 die Steuervergünstigung des nicht entnommenen Gewinns nach § 10a EStG in Höhe von 20 000 DM in Anspruch genommen. Der für die Nachversteuerung ab dem Veranlagungszeitraum 1960 (Streitjahr) verbleibende, besonders festgestellte Betrag belief sich auf 39 077 DM. Im Veranlagungszeitraum 1960 hatte der Stpfl. ausweislich der dem FA am 14. Februar 1962 eingereichten Einkommensteuererklärung einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 106 925 DM erzielt. Seine Entnahmen in diesem Zeitraum überstiegen den Gewinn um 21 823 DM.

Mit Schreiben vom 9. April 1962 beantragte der Stpfl. beim FA die Zustimmung zur Bilanzänderung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG, da andernfalls, wie erst jetzt festgestellt, eine Nachversteuerung erfolgen müsse. Er habe im Jahr 1960 mit Hilfe freigewordener Betriebsmittel für etwa 60 000 DM Wertpapiere erworben. Die erforderlichen Mittel seien - bis auf einen Betrag von 12 000 DM aus der Auflösung eines im Jahre 1956 angelegten steuerbegünstigten Sparkontos - zunächst über Privatkonto als Entnahmen gebucht worden. Irrtümlich sei es unterblieben, einen zur Vermeidung der Nachversteuerung erforderlichen Teil dieser Papiere, die ohnehin als Kreditunterlage für die beabsichtigte betriebliche Ausweitung hätten dienen sollen, noch vor dem 31. Dezember 1960 dem Betriebsvermögen zuzuführen.

Das FA gab seine Zustimmung zur Bilanzänderung nicht, da es dem Stpfl. nicht darum gehe, einen an sich zulässigen Bilanzansatz nunmehr durch einen anderen zu ersetzen, sondern um die nichtzulässige Rückgängigmachung eines Geschäftsvorfalls. Es setzte deshalb dem Einkommen des Stpfl. 21 823 DM zum Zwecke der Nachversteuerung hinzu.

Einspruch und Berufung des Stpfl. blieben insoweit ohne Erfolg. Das FG begründet seine Entscheidung wie folgt:

Das FA habe die Nachversteuerung zu Recht durchgeführt. Der Stpfl. habe die für die Anschaffung der Wertpapiere benötigten Mittel - bis auf 12 000 DM - einem zum Betriebsvermögen gehörenden Bankkonto entnommen. Da er die mit diesen Mitteln erworbenen Wertpapiere nicht dem Betriebsvermögen zugeführt habe, habe er die Mittel auch im steuerrechtlichen Sinne entnommen, indem er sie für betriebsfremde Zwecke verwendet habe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG). Die Wertpapiere seien in der Bilanz zum 31. Dezember 1960 nicht enthalten; ihre Erträge habe der Stpfl. als Einkünfte aus Kapitalvermögen behandelt. Die Wertpapiere hätten im Streitjahr auch nicht als Kreditunterlage dem Betrieb in tatsächlicher Hinsicht gedient, weshalb auch nicht angenommen werden könne, daß ihr Ausweis in der Bilanz nur irrtümlich unterblieben sei.

Entnahmen seien tatsächliche Vorgänge, die nur durch Einlagen - als die ihnen entsprechenden, sie neutralisierenden tatsächlichen Vorgänge - rückgängig gemacht werden könnten (Urteil des BFH IV 38/53 U vom 5. November 1953, BFH 58, 231, BStBl III 1954, 4). Die Voraussetzungen, unter denen die Rechtsprechung die steuerlich rückwirkende Aufhebung - die Rückgängigmachung - von Geschäftsvorfällen anerkenne, lägen im Streitfalle nicht vor. Denn schon die Entnahme der für die Anschaffung der Wertpapiere erforderlichen Mittel sei nicht in Unkenntnis der steuerrechtlichen Folgen dieser Handlungsweise geschehen. Die Einlassung des Stpfl. in der mündlichen Verhandlung habe in Verbindung mit den Angaben seines Steuerberaters gezeigt, daß dieser ihn kurz vor der Anschaffung der Wertpapiere auf die Möglichkeit einer durch die hohen Entnahmen bedingten Nachversteuerung hingewiesen habe. Wenn der Stpfl. nunmehr behaupte, diesen Hinweis nicht richtig verstanden zu haben, so könne ihm das Gericht nicht folgen, da es von ihm den Eindruck eines gewandten und in wirtschaftlichen Dingen erfahrenen Geschäftsmannes gewonnen habe. Wollte man mit dem Stpfl. die einkommensteuerrechtliche Auswirkung der Entnahme auf das Entstehen der Steuerschuld (§ 3 Abs. 5 Nr. 1c StAnpG) bei der Beurteilung der Frage, ob sich die Maßnahme bereits steuerlich ausgewirkt habe, außer Betracht lassen, so würde durch die Zulassung der nachträglichen Einlagen zum Ausgleich von Mehrentnahmen der Zweck der Nachversteuerung vereitelt werden.

Hiergegen richtet sich die als Revision zu behandelnde Rb., zu deren Begründung der Stpfl. zusätzlich folgendes vortragen läßt:

Der Stpfl. habe bei seinem Vorgehen an die steuerschädlichen Folgen seiner Entnahme überhaupt nicht gedacht, möglicherweise, weil er auf sie nicht mit genügender Deutlichkeit hingewiesen worden sei. Der damit gegebene Irrtum, der als solcher die Möglichkeit jeglicher Manipulation ausschließe, sei auch entschuldbar, da ein Unternehmer, der sich in allen steuerrechtlichen Fragen beraten lasse, diese Fragen aus dem Rahmen seiner kaufmännischen Überlegungen ausklammere. Eine steuerliche Auswirkung sei - bis auf eben die Einkommensteuer - nicht eingetreten. Es sei deshalb nur billig, wenn dem Stpfl. die Rückgängigmachung der versehentlich erfolgten Behandlung der Wertpapiere als Privatvermögen gestattet werde, zumal die im Bankdepot liegenden Wertpapiere nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken zur Absicherung von Geschäftskrediten gedient hätten.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Das FG hat die Voraussetzungen, unter denen ein Geschäftsvorfall ausnahmsweise mit steuerlicher Wirkung rückgängig gemacht werden kann, zutreffend dargestellt. Danach muß der Zusammenhang der rückgängig zu machenden Maßnahme mit einem Irrtum über ihre steuerlichen Folgen klar nachgewiesen und jede Manipulation ausgeschlossen sein; auch darf sich die Maßnahme steuerlich nicht bereits anderweitig ausgewirkt haben (BFH-Urteil IV 278/53 U vom 22. Oktober 1953, BFH 58, 176, BStBl III 1953, 359 mit weiterer Rechtsprechung).

Damit führt die Anerkennung der Rückgängigmachung eines Geschäftsvorfalls zu einer Änderung der nach § 3 StAnpG bereits zur Entstehung gelangten Steuerschuld. Die Bewirkung dieser Änderung ist Ziel und Zweck der Anerkennung der Rückgängigmachung (BFH-Urteile I 143/56 U vom 24. Juni 1957, BFH 65, 433, BStBl III 1957, 400; I 65/61 U vom 10. April 1962, BFH 74, 690, BStBl III 1962, 255).

Dagegen wird nicht die Rückgängigmachung eines Geschäftsvorfalls, sondern - wie im Streitfall - die rückwirkende Anerkennung eines fiktiven Geschäftsvorfalls für ein bereits abgelaufenes Geschäftsjahr erstrebt, wenn der Steuerpflichtige die Beseitigung der steuerlichen Folgen eines Geschäftsvorfalls - wie hier einer Entnahme - durch die Anerkennung eines sie ausgleichenden, bis zum Bilanzstichtag jedoch nicht vorgenommenen - fiktiven - Geschäftsvorfalls begehrt. Der tatsächliche Vorgang der Entnahme kann jedoch nur durch den tatsächlichen Vorgang einer Einlage bis zum Bilanzstichtag rückgängig gemacht werden (so bereits BFH-Urteil IV 38/53 U, a. a. O.).

2. Da somit auf den Streitfall die Grundsätze über die Rückgängigmachung eines Geschäftsvorfalls nicht angewendet werden können, kann der Senat es dahingestellt sein lassen, ob die bisherige Rechtsprechung zur Frage der Rückgängigmachung von Geschäftsvorfällen bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen künftig noch aufrechterhalten werden kann. Dies kann zweifelhaft sein. Denn wie die einzelnen Streitfälle, in denen die Rückgängigmachung anerkannt wurde, zeigen, haben letztlich stets persönliche Billigkeitserwägungen zur Zulassung der Rückgängigmachung geführt.

Darüber hinaus hat für den Streitfall das FG in tatsächlicher Hinsicht in für den Senat verbindlicher Weise festgestellt, daß der Stpfl. nach eigener Einlassung in der mündlichen Verhandlung und nach entsprechenden Angaben seines Steuerberaters auf die steuerlichen Folgen der Mehrentnahme hingewiesen worden ist. Wenn der Stpfl. diese Feststellung damit in Frage stellen will, daß es dem Hinweis möglicherweise an hinreichender Deutlichkeit gemangelt habe, so vermag der Senat hierin keinen "begründeten Revisionsgrund" im Sinne der Vorschrift des § 118 Abs. 2 FGO zu erblicken. Die Revision konnte deshalb keinen Erfolg haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425896

BStBl II 1968, 4

BFHE 1968, 114

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