Leitsatz (amtlich)

Für Provisionsverpflichtungen, die durch die Ausführung des Geschäfts durch den Geschäftsherrn aufschiebend bedingt sind, können vor Eintritt der Bedingungen keine Rückstellungen gebildet werden.

 

Normenkette

EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 3; HGB § 87a

 

Tatbestand

Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1965 der Klägerin und Revisionsbeklagten, einer Schuhfabrik in der Rechtsform einer KG (Klägerin), ob für künftige Provisionsansprüche von Handelsvertretern Rückstellungen gebildet werden können.

In der Bilanz zum 31. Dezember 1965 passivierte die Klägerin Provisionsverbindlichkeiten für im Streitjahr von selbständigen Handelsvertretern vermittelte und abgeschlossene Geschäfte. Die Waren wurden erst im Folgejahr gefertigt und ausgeliefert. Die Provisionen wurden ebenfalls erst im nächsten Jahr gezahlt. Mit den Vertretern waren nur der Bezirk, der Kundenkreis und der Provisionssatz vereinbart.

Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) erkannte bei der vorläufigen einheitlichen Gewinnfeststellung diesen Schuldposten nicht an und erhöhte den Gewinn entsprechend. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FG gab der Klage mit der in den EFG 1971, 531 veröffentlichten Entscheidung statt.

Mit der Revision beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt die Verletzung der §§ 4 und 5 EStG und führt im wesentlichen aus: Aus dem Gedanken des Gläubigerschutzes lasse sich eine Passivierung der Provisionsverpflichtung nicht herleiten. Gerade die hier streitigen Verbindlichkeiten bewirkten bei passivem Ausweis das Gegenteil. Würden die nicht entstandenen Kosten des Betriebs, die mit dem Auftragsbestand, der als immaterielles Wirtschaftsgut nicht ausgewiesen werden dürfe, in unmittelbarem Zusammenhang stehen, als Rückstellungen passiviert, würde dem Gläubiger gegenüber der Anschein erweckt, es liege ein erheblicher - sogar rechnerisch erfaßbarer - Auftragsbestand vor. Wenn aber der Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes nicht absolut überzeuge, müsse der richtigen Periodenabgrenzung der Vorzug gegeben werden. Diese zwinge zum Ausweis erst in der Ertragsrechnung des Jahres der Ausführung des Liefergeschäfts. Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters sei als erfolgsbedingter Anspruch aufschiebend bedingt mit dem Abschluß der Lieferung. Vorher liege keine echte Verbindlichkeit vor. Eine echte, nicht bedingte Verbindlichkeit bestehe bei einer Provisionsverpflichtung aus schwebenden Geschäften nur, wenn der Unternehmer die Provision unabhängig vom Erfolg schulde. Das trete aber nur im Fall des § 87a Abs. 3 HGB ein. Daß dessen Voraussetzungen gegeben seien, sei nicht ersichtlich. Verbindlichkeiten, die noch nicht unbedingt entstanden seien, könnten nur als Rückstellung, nicht als echte Schuld ausgewiesen werden. Dazu gehöre aber, daß sie wirtschaftlich betrachtet als vermögensmindernd angesehen werden müßten und die Tatbestände, die sie ausgelöst hätten, vor dem Bilanzstichtag im wesentlichen verwirklicht seien. Hier seien die wesentlichen Tatbestände bei einer erfolgsbedingten Verbindlichkeit gerade nicht erfüllt. Es könne nicht behauptet werden, daß bei einem Geschäftsherrn, dessen Handelsvertreter Aufträge hereingebracht habe und die zum Abschluß gekommen seien, eine Vermögensminderung eingetreten sei. Die Verpflichtung zur Zahlung der Provision könne auch nicht als Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften oder für Lasten, die nicht Verbindlichkeiten im Rechtssinne seien, passiviert werden. Die Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften wolle den Betrag erfassen, um den die Verpflichtung des Kaufmanns aus dem schwebenden Geschäft seinen Anspruch übersteige. Wenn der Schwerpunkt auf den Abschluß des Geschäfts gelegt werde, weil der Kaufmann die Lieferungsgeschäfte später auszuführen pflege, spreche das nur für den Charakter der Provision als echte Vertriebskosten (Urteil des BFH vom 29. Oktober 1969 I 93/64, BFHE 97, 350, BStBl II 1970, 178). Die logische Fortführung des Gedankens des FG müsse zur Passivierung sämtlicher Vertriebskosten bei schwebenden Geschäften führen.

Die Klägerin meint, daß Provisionsverpflichtungen in dem Augenblick eine wirtschaftliche Last seien, in dem die Provisionsanwartschaft des Handelsvertreters entstanden sei. Habe der Vertreter ein Geschäft abgeschlossen, müsse der Geschäftsherr mit der Zahlung der Provision rechnen, ohne Rücksicht darauf, ob das Geschäft auch ausgeführt werde. Auch der BGH gehe in seinem Urteil vom 27. Januar 1972 VII ZR 300/69 (BGHZ 58, 140) davon aus, daß die Provision dem Handelsvertreter nicht mehr verlorengehen solle, wenn der Geschäftsabschluß zustande gekommen sei. Dem entspreche die Ansicht von Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl. 1968 Tz. 38 zu § 149 AktG, nach der aufschiebend bedingte Lasten dann zu passivieren seien, wenn mit dem Eintritt der Bedingung zu rechnen sei. Dies Ergebnis möge zwar nach der dynamischen Bilanzauffassung unbefriedigend erscheinen. Es müsse aber berücksichtigt werden, daß diese den seit 1965 geltenden Bilanzierungsgrundsätzen des Aktiengesetzes nicht mehr entspreche.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Aus dem Bilanzierungsgrundsatz, daß sich der Kaufmann im Interesse des Gläubigerschutzes nicht reicher machen darf als er ist, folgt nicht, daß der Geschäftsherr Provisionszahlungen, die er erst im folgenden Wirtschaftsjahr leisten muß, bereits in der Schlußbilanz des Vorjahres als Schuldposten ausweisen darf. Am Schluß des Geschäftsjahres, in dem lediglich die Geschäfte von den Handelsvertretern vermittelt oder abgeschlossen, vom Geschäftsherrn aber noch nicht ausgeführt worden sind, stellen künftige Provisionsforderungen der Handelsvertreter noch keine steuerlich passivierungsfähigen Verpflichtungen dar (so auch BFH-Urteil vom 19. Oktober 1972 I R 50/70, BFHE 107, 426, BStBl II 1973, 212).

Nach dem Beschluß des Großen Senats vom 3. Februar 1969 Gr. S. 2/68 (BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291) ist ein steuerliches Passivierungsrecht nicht gegeben, wenn handelsrechtlich zwar ein Passivierungsrecht, aber keine Passivierungspflicht besteht. Da der Anspruch des Handelsvertreters auf Provisionszahlung nach § 87a HGB von der Ausführung des Geschäfts durch den Geschäftsherrn abhängt, stellt die Provisionsverpflichtung für den Geschäftsherrn bis zu diesem Zeitpunkt noch eine aufschiebend bedingte Verpflichtung dar (vgl. auch BFH-Urteil vom 26. Mai 1972 III R 23/70, BFHE 106, 105, BStBl II 1972, 668). Davon gehen auch das FG und die Klägerin aus. Wenn die Klägerin meint, daß aus der von ihr zitierten Ansicht von Adler-Düring-Schmaltz und aus dem BGH-Urteil VII ZR 300/69 die Verpflichtung zur Passivierung künftiger Provisionszahlungen hergeleitet werden könne, weil der Eintritt der Bedingung, nämlich die Ausführung des Geschäfts durch den Geschäftsherrn gewiß sei, so übersieht sie folgendes: Die mit den Handelsvertretern abgeschlossenen Provisionsverträge sind mit den von diesen vermittelten Geschäften so eng verknüpft, daß die aus ihnen folgenden Provisionsverpflichtungen nicht isoliert betrachtet werden können, sondern nur im Zusammenhang mit dem Ergebnis der bis zu ihrer Ausführung durch den Geschäftsherrn schwebenden Geschäfte. Selbst wenn man der Klägerin folgt und in der noch bedingten Provisionsverpflichtung bereits eine wirtschaftliche Last sieht, kann diese Verpflichtung doch nur im Rahmen des schwebenden Geschäfts berücksichtigt werden, das nur dann das betriebliche Ergebnis beeinflußt, wenn es insgesamt zu einem Verlust führen wird. Daß die Klägerin aus dem Gesamtergebnis der von den Handelsvertretern vermittelten und noch schwebenden Geschäfte eine nach ertragsteuerlichen Grundsätzen ermittelten Verlust erleiden werde, ist aber weder vorgetragen noch aus den festgestellten Tatsachen ersichtlich.

Es mag im Einzelfall zweifelhaft sein, wie weit der Begriff des schwebenden Geschäfts zu fassen ist, welche Nebengeschäfte in welchem Umfang zu dem schwebenden Geschäft gehören, insbesondere ob Provisionsverträge mit Handelsvertretern als solche Nebengeschäfte anzusehen sind. Um dem Kaufmann die Möglichkeit zu geben, ein wirtschaftlich vernünftiges Betriebsergebnis auszuweisen, wird man ihm handelsrechtlich ein Wahlrecht darüber einräumen können, wie er den Begriff des schwebenden Geschäfts auslegen und welche Aufwendungen er im Einzelfall dem schwebenden Geschäft zurechnen will. Es kann dem Geschäftsherrn dabei nicht verwehrt werden, unter Umständen auch Provisionsverpflichtungen in seiner Handelsbilanz zu passivieren. Eine handelsrechtliche Passivierungspflicht besteht dagegen nicht. Die wäre aber Voraussetzung für die Berücksichtigung der Provisionsverpflichtungen in der Steuerbilanz.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70415

BStBl II 1973, 481

BFHE 1973, 33

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