Leitsatz (amtlich)

Die Dauervermietung von Zimmern kann dann durch die Übernahme von Nebenleistungen gewerblichen Charakter erhalten, wenn die beiden Tätigkeitsbereiche wesensmäßig untrennbar miteinander verbunden sind und die Nutzung des Vermögens im Einzelfall hinter die Bereitstellung einer - mit einem gewerblichen Beherbergungsbetrieb vergleichbaren - einheitlichen unternehmerischen Organisation zurücktritt.

 

Normenkette

EStG §§ 15, 21

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), von Beruf Zwischenmeisterin, vermietete seit 1954 auf einem zunächst gepachteten, später in ihr Eigentum übergegangenen Villengrundstück Zimmer an sechs bis acht meist ältere Dauermieter. Sie wohnte auch selbst in dem Haus. Am 15. Juli 1965 gab sie die Vermietung auf und veräußerte das Grundstück zum 1. Oktober 1965. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) ermittelte einen Veräußerungsgewinn von 475 000 DM und besteuerte diesen als gewerblichen Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG führte aus, die Klägerin habe einen Gewerbebetrieb unterhalten, da sie sich selbständig, nachhaltig und mit Gewinnerzielungsabsicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt habe. Nach ihrem eigenen Vorbringen habe sie zwar die Räume leer vermietet und nicht gereinigt; die Mieter hätten sich die Mahlzeiten auch oft selbst zubereitet. Die Klägerin habe jedoch jährlich für bis zu 14 500 DM Lebensmittel eingekauft und mit einem nicht unerheblichen Gewinnaufschlag an die Bewohner abgegeben. Darin liege ein Umstand, der über die übliche Vermietungstätigkeit hinausgehe und die Gesamttätigkeit zu einer gewerblichen mache. Das stehe im Einklang mit der Tatsache, daß die Klägerin ein "Wohnheim" als Gewerbebetrieb angemeldet und - bei Beratung durch verschiedene Angehörige der steuerberatenden Berufe - 11 Jahre lang Gewerbesteuererklärungen abgegeben habe.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die sinngemäß beantragt, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer für das Jahr 1965 unter Abänderung des Steuerbescheides auf null DM festzusetzen. Sie rügt die Verletzung von Verfahrensrecht und die Verletzung materiellen Rechts. Die Revision ist in erster Linie darauf gestützt, das FG habe das Vermieten der Räume zu Unrecht als gewerbliche Betätigung beurteilt.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Gegen die mit der Entscheidung über den Einspruch gegen den vorläufigen Steuerbescheid verbundene Endgültigkeitserklärung war die Klage zum FG gegeben (Urteil des BFH vom 18. Dezember 1974 I R 14/74, BFHE 115, 170, BStBl II 1975, 592).

2. Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen die Schlußfolgerung, die Klägerin habe im Rahmen einer gewerblichen Betätigung ein Betriebsgrundstück veräußert, nicht.

Die übliche Vermietung von unbeweglichem Vermögen stellt im allgemeinen nicht gewerbliche Tätigkeit, sondern private Vermögensverwaltung dar (§ 9 GewStDV). Der Gesetzgeber hat die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gesondert der Einkommensbesteuerung unterworfen (§ 21 EStG). Von dieser Einordnung kann nur dann abgewichen werden, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, welche der Betätigung des Vermieters als Ganzes gesehen das Gepräge einer selbständigen, nachhaltigen, von Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verleihen, hinter welche die Nutzung des Vermögens zurücktritt (§ 21 Abs. 3 EStG, § 1 GewStDV; Urteil des BFH vom 18. Januar 1973 IV R 196/71, BFHE 109, 194, BStBl II 1973, 561). Dabei ist zu beachten, daß nicht jede Sonderleistung über die bloße Zurverfügungstellung von Wohnraum hinaus der Betätigung ihren Charakter als Vermögensverwaltung nimmt. Voraussetzung für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit ist vielmehr, daß die Nutzung des Vermögens im Einzelfall zurücktritt hinter die Bereitstellung einer - mit einem gewerblichen Beherbergungsbetrieb vergleichbaren - einheitlichen unternehmerischen Organisation (ähnlich z. B. BFH-Urteil IV R 196/71 zum Betrieb eines Arbeiterwohnheimes). Die bisherige steuerrechtliche oder außersteuerrechtliche Beurteilung der Tätigkeit bietet in der Regel keinen hinreichend sicheren Anhaltspunkt für die einkommensteuerrechtliche Einordnung der Einkünfte.

Der erkennende Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, welche Sonderleistungen einer Vermietung von Wohnräumen an Dauermieter das Gepräge einer gewerblichen Vermietung geben könnten. Die bisher vom BFH entschiedenen Fälle einer gewerblichen Vermietung betrafen durchwegs Sachverhalte mit häufigem Mieterwechsel (z. B. IV R 196/71 mit weiteren Hinweisen). Im Streitfall hat das FG seine rechtliche Würdigung im Hinblick auf die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit im wesentlichen darauf gestützt, daß die Klägerin an die Bewohner Lebensmittel veräußert hat. Diese Würdigung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob die Klägerin zutreffend rügt, das FG habe den Sachverhalt insoweit nicht ausreichend aufgeklärt, als es von der Verwirklichung eines erheblichen Gewinns durch den Lebensmittelverkauf ausgegangen sei. Selbst wenn es sich hier um eine das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO bindende Tatsachenfeststellung handelte, würde dies die Einordnung der Vermietungstätigkeit als gewerbliche Tätigkeit nicht rechtfertigen.

Berührt eine gemischte Tätigkeit mehrere Einkunftsarten, sind die Einkünfte aus jedem einzelnen Tätigkeitsbereich möglichst weitgehend getrennt zu erfassen, um der gesetzlich vorgesehenen Einordnung Rechnung zu tragen. Daß sich die Tätigkeitsbereiche sachlich berühren, steht der gesonderten Beurteilung nicht ohne weiteres entgegen, soweit eine Trennung ohne größere Schwierigkeiten möglich ist. Für die Abgrenzung einer gemischten gewerblichen und selbständigen Berufstätigkeit i. S. von § 18 EStG hat die Rechtsprechung das bereits mehrfach ausgesprochen (z. B. BFH-Urteile vom 23. Oktober 1956 I 116/55 U, BFHE 64, 46, BStBl III 1957, 17; vom 29. Januar 1970 IV R 78/66, BFHE 98, 176, BStBl II 1970, 319, mit weiteren Hinweisen; Urteil vom 23. Oktober 1975 VIII R 60/70, BFHE 117, 360, BStBl II 1976, 152). Grundsätzlich gilt für die Abgrenzung einer gemischten gewerblichen und Vermietungstätigkeit i. S. von § 21 EStG nichts anderes. Die Trennungsmöglichkeit ist erst dann nicht mehr gegeben, wenn sich die beiden Tätigkeitsbereiche gegenseitig bedingen und derart miteinander verflochten sind, daß die Gesamttätigkeit nach der Verkehrsanschauung nicht als eine gemischte, sondern als eine einheitliche angesehen werden muß (z. B. beim Betrieb eines Kinderheimes, BFH-Urteil vom 25. April 1974 VIII R 229/71, BFHE 112, 499, BStBl II 1974, 553, oder einer Arztklinik, BFH-Urteil vom 12. November 1964 IV 153/64 U, BFHE 81, 246, BStBl III 1965, 90). Selbst eine Aufteilung der Einkünfte im Schätzungswege ist nicht ausgeschlossen, wenn es sich um wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten handelt (z. B. BFH-Urteil vom 16. Februar 1961 IV 235/60 U, BFHE 72, 574, BStBl III 1961, 210). Erst wenn eine derartige Trennung nicht möglich ist, etwa weil ein einheitlicher Erfolg geschuldet wird (etwa bei der Vermietung von Zimmern mit Reinigung, Frühstück, Halb- oder Vollpension oder mit der Verpflichtung, die gesundheitliche Pflege der Bewohner zu übernehmen), ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Nebenleistung für eine Vermögensverwaltung üblich und damit unschädlich ist oder ob die Gesamtleistung wesentlich über die Nutzung des Vermögens i. S. einer Fruchtziehung hinausgeht und somit gewerbliche Ausmaße annimmt.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt folgendes: Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG hat die Klägerin Lebensmittel eingekauft und an die Heimbewohner abgegeben. Selbst wenn eine derartige allgemeine Besorgungsverpflichtung bereits in den mit den Heimbewohnern abgeschlossenen Verträgen enthalten gewesen wäre und die Klägerin die Lebensmittel im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig mit Gewinn verkauft hätte, würde das einer Trennung von der Zimmervermietung nicht entgegenstehen, so daß es auf die gegen diese Feststellungen des FG im Revisionsverfahren erhobenen Verfahrensrügen nicht ankommt. Die Verpflichtung zur Besorgung von Lebensmitteln kann nach der Verkehrsanschauung der Verpflichtung zur Gewährung von Voll- oder Halbpension nicht gleichgesetzt werden. Daß die Verkaufstätigkeit der Vermietung der Zimmer förderlich war - oder umgekehrt -, führt nicht zwangsläufig zu einer einheitlichen einkommensteuerrechtlichen Beurteilung der beiden Tätigkeitsbereiche. Weitere Nebenleistungen hat die Klägerin nach den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht übernommen. Aus der beträchtlichen Höhe des Mietpreises lassen sich schon deshalb keine gegenteiligen Folgerungen ziehen, weil der Klägerin gleichwohl nur geringfügige Einkünfte aus dieser Tätigkeit verblieben sind.

Die Sache ist spruchreif. Das Grundstück diente der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Die Veräußerung außerhalb der Spekulationsfrist führte nicht zu einem steuerbaren Gewinn. Ein Zusammenhang zwischen Grundstücksnutzung und Lebensmittelverkauf bestand nicht. Ob es sich bei den laufenden Einkünften um solche aus Vermietung und Verpachtung handelte - wie die Klägerin behauptet - oder um einen Gewinn aus einem gewerblichen Lebensmittelverkauf - wie es das FG angenommen hat -, ist für die Höhe der Einkommensteuer ohne Bedeutung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72210

BStBl II 1977, 244

BFHE 1977, 60

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Basic. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge