Leitsatz (amtlich)

1. Im Hinblick auf die zwischen BGH und BFH einheitliche und gefestigte Rechtsauffassung über die Zuständigkeit in Konkursvorrechtsstreitigkeiten von Steuerforderungen besteht keine Veranlassung, die Frage der Zuständigkeit erneut dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorzulegen.

2. Steuersäumniszuschläge nehmen am Konkurs teil, sind aber nicht bevorrechtigt.

 

Normenkette

AO § 226a; FGO § 33 Abs. 1; KO § 61 Nr. 2, § 63 Nr. 3, § 146

 

Tatbestand

In dem Konkursverfahren über das Vermögen der SKG hatten die Beklagten und Revisionsbeklagten (FÄ) Säumniszuschläge auf rückständige Vermögensabgabe in einer Höhe von 1 378 DM und Säumniszuschläge auf rückständige Kreditgewinnabgabe (KGA), Umsatzsteuer und Lohnsteuer in einer Höhe von 7 152 DM jeweils mit Vorrecht gemäß § 61 Nr. 2 der Konkursordnung (KO) angemeldet. Im Prüfungstermin erkannte der Kläger und Revisionskläger (Konkursverwalter) die Forderungen an, bestritt aber das Vorrecht. Daraufhin stellten die beklagten FÄ durch Bescheide vom 22. und 24. Februar 1972 gemäß § 226a AO in Verbindung mit § 146 KO die Säumniszuschläge als bevorrechtigt gemäß § 61 Nr. 2 KO fest.

Die Einsprüche blieben erfolglos, ebenso die Klagen. Das FG bejahte seine Zuständigkeit zur Entscheidung über das Konkursvorrecht. Es bejahte auch das Vorrecht für Säumniszuschläge, weil es sich bei diesen um steuerartige Abgaben im Sinne des § 61 Nr. 2 KO handle. Steuerartig sind nach Auffassung des FG die Säumniszuschläge deshalb, weil sie nicht als Gegenleistung für eine besondere Leistung zu entrichten sind, mit den Steuern eng zusammenhängen und das Steuersäumnisgesetz (StSäumG) ein Steuergesetz im Sinne der Konkursordnung ist.

Mit den Revisionen beantragt der Revisionskläger die Aufhebung der Vorentscheidungen und die Feststellung, daß das von den beklagten FÄ beanspruchte Konkursvorrecht nicht besteht, hilfsweise die Rechtsstreite an das für die Entscheidung zuständige Landgericht zu verweisen.

Der Revisionskläger rügt Verletzung der §§ 61 Nr. 2, 63 Nr. 3, 146 KO, der §§ 226a, 229 AO und § 33 FGO. Er verneint zunächst die Zuständigkeit der FG zur Entscheidung über das Konkursvorrecht. Da der BFH in dem Beschluß vom 21. Juli 1972 VI S 5/72 (BFHE 106, 186, BStBl II 1972, 737) der Auffassung des BGH (Beschluß vom 29. Mai 1972 III ZR 213/70) zugestimmt habe, daß für die Entscheidung über das Konkursvorrecht von Steuerforderungen die Finanzbehörden und die FG zuständig seien, sei es zu einer Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach dem Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht gekommen. Deshalb sei die Rechtsfrage in der Revision erneut zu überprüfen.

Der Revisionskläger ist der Auffassung, daß die FÄ nicht berechtigt seien, nach Konkurseröffnung durch Feststellungsbescheide die zur Konkurstabelle angemeldeten Forderungen für bevorrechtigt zu erklären. Wenn bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens noch kein Steuerbescheid vorgelegen habe, so seien für einen Streit über die Feststellung des vom FA beanspruchten Vorrechts die ordentlichen Gerichte zuständig.

Gegen die Auffassung des FG, die Säumniszuschläge seien bevorrechtigt, wendet sich der Revisionskläger mit dem Einwand, daß es sich bei den Säumniszuschlägen um Strafen oder Zwangsmittel mit Strafcharakter handle. Derartige Strafen könnten aber nach dem neugefaßten § 63 Nr. 3 KO im Konkurs nicht geltend gemacht werden.

Die beklagten FÄ bejahen sowohl die Zuständigkeit des FG zur Feststellung des Vorrechts als auch das Vorrecht für die Säumniszuschläge. Sie beantragen Abweisung der Revisionen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen.

1. Für den Rechtsstreit über das Konkursvorrecht der Säumniszuschläge nach § 61 Nr. 2 KO ist, wie das FG zu Recht angenommen hat, der Rechtsweg zu den Zivilgerichten nicht eröffnet. Zuständig zur Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit sind vielmehr nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO die FG.

Über die Frage des Rechtswegs für das Konkursvorrecht von Steuerforderungen bestand, nachdem der BFH in der Entscheidung vom 29. Juni 1965 VI 13/64 S (BFHE 82, 678, BStBl III 1965, 491) der Auffassung des BGH gefolgt war, keine Meinungsverschiedenheit mehr zwischen BFH und BGH. Durch den Beschluß des BGH vom 29. Mai 1972 III ZR 213/70, dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe die Rechtsfrage zur Entscheidung vorzulegen, ob der Streit über das Konkursvorrecht von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden sei, ist jedoch erneut eine unterschiedliche Rechtsauffassung zwischen BGH und BFH in der Frage des Rechtsweges für das Konkursrecht von Steuerforderungen zutage getreten. Der BFH hat in dem Beschluß VI S 5/72 die vom BGH nunmehr vertretene Auffassung geteilt, daß für Streitigkeiten über das Konkursvorrecht von Steuerforderungen die FG zuständig sind. Daraufhin hat der BGH mit Urteil vom 18. Dezember 1972 III ZR 213/70 (Wertpapiermitteilungen 1973 S. 243) entschieden, daß für Streitigkeiten dieser Art die FG nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO zuständig sind. Der BGH nahm in seiner Entscheidung auch Bezug auf den das Konkursvorrecht von Beitragsrückständen aus einer freiwilligen Krankenversicherung (§ 61 Nr. 1 KO) betreffenden Vorlagebeschluß (BGH-Entscheidung vom 22. Januar 1971 I ARZ 324/70, BGHZ 55, 224), in dem er die frühere Rechtsprechung von der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Konkursvorrechtsstreitigkeiten über Steuerforderungen nicht mehr für zutreffend hielt.

Zwischen BGH und BFH besteht demnach über die Frage des Rechtswegs bei Konkursvorrechtsstreitigkeiten von Steuerforderungen kein Meinungsstreit mehr. Der erkennende Senat sieht im Hinblick auf die mehrfach bestätigte Rechtsauffassung des BGH keine Veranlassung, unter Abweichung von der Entscheidung des BGH vom 18. Dezember 1972 die Frage des Rechtswegs von Konkursvorrechtsstreitigkeiten bei Steuerforderungen erneut dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe vorzulegen. Die nunmehr einheitlich vom BGH und BFH vertretene Auffassung entspricht nach Überzeugung des erkennenden Senats der derzeitigen Rechtserkenntnis. Danach ist das Konkursvorrecht einer Forderung eine dieser Forderung zugehörige Eigenschaft, die an der rechtlichen Natur der Forderung teilhat (BGH-Entscheidung vom 18. Dezember 1972 mit weiteren Nachweisen). Als besondere für die Feststellung der Forderungen und deren Vorrecht nach § 146 Abs. 5 KO zuständigen Gerichte sind demnach die FG anzusehen. Aus den Einzelvorschriften der AO (§§ 328, 346, 360, 370) läßt sich nicht der allgemeine Grundsatz ableiten, der Vorrechtsstreit von Steuerforderungen falle in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte.

2. Entgegen der Auffassung des FG sind Säumniszuschläge nicht nach § 61 Nr. 2 KO bevorrechtigt.

a) Das Steuersäumnisgesetz in der jetzt geltenden Fassung auf Grund des StÄndG vom 13. Juli 1961 (BGBl I 1961, 981) enthält keinen Hinweis auf ein Konkursvorrecht der Säumniszuschläge. Die vorhergehende Regelung des § 5 StSäumG, wonach das Vorrecht der Steuerforderung sich auch auf die Säumniszuschläge erstreckt, ist in das StSäumG 1961 nicht übernommen worden. Allerdings charakterisierte der Regierungsentwurf den Steuersäumniszuschlag noch als Nebenleistung der Steuer (vgl. § 6 Abs. 1 Regierungsentwurf Bundestags-Drucksache 2573 S. 11). Der Bundesrat hat aber diese Auffassung nicht übernommen. Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 StSäumG 1961 in der geltenden Fassung, wonach Säumniszuschläge der Körperschaft zufließen, die die Steuer verwaltet, zu der die Säumniszuschläge erhoben werden, setzt voraus, daß Säumniszuschläge nicht Steuern sind (Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Bd. I, § 6 StSäumG Anm. 3 Abs. 1). § 6 Abs. 2 StSäumG 1961, wonach lediglich Zinsen Nebenleistungen der Steuer sind, zu der sie erhoben werden, zwingen in Verbindung mit der Entstehungsgeschichte des § 6 Abs. 1 zu der Annahme, daß Säumniszuschläge auch keine Nebenleistungen von Steuern sind. Aus der Regelung des Steuersäumnisgesetzes kann jedoch nicht zwingend geschlossen werden, daß der Rechtszustand nach dem StSäumG 1934 hinsichtlich des Konkursvorrechts der Säumniszuschläge beseitigt werden sollte. Die Handlungsweise des Gesetzgebers, § 5 StSäumG 1934 nicht mehr in das neue StSäumG zu übernehmen, könnte auch in dem Sinne verstanden werden, daß er eine Regelung des Konkursvorrechts im StSäumG selbst mit Rücksicht darauf für überflüssig erachtete, dieses Vorrecht ergebe sich ohne weiteres aus § 61 Nr. 2 KO.

b) Ein solches Vorrecht ergibt sich aber auch nicht aus § 61 Nr. 2 KO. Nach dieser Vorschrift nehmen "öffentliche Abgaben" bevorrechtigt am Konkursverfahren teil. Unter öffentlichen Abgaben sind nach herrschender Auffassung nur Steuern oder steuerartige Abgaben mit Einschluß der Zölle zu verstehen (vgl. Böhle-Stamschräder, Konkursordnung, 10. Aufl., § 61 Anm. 5). Dabei ist das entscheidende Merkmal für die steuerartigen Abgaben, daß eine Beziehung der Leistung zu bestimmten Vorteilen des Leistenden nicht besteht.

Nach Ansicht des FG sind Säumniszuschläge steuerartige Abgaben, weil die Säumniszuschläge nicht als Gegenleistung für eine besondere Leistung des Staates zu entrichten sind. Diese Auffassung begegnet insofern Zweifeln, als in § 6 Abs. 1 StSäumG 1961 zum Ausdruck kommt, daß es sich bei den Säumniszuschlägen um Verwaltungseinnahmen handelt, die dem Träger der Verwaltungshoheit zufließen (vgl. Koch, DStZ, A 1961, 194). Darüber hinaus müssen steuerartige Abgaben, wenn auch nicht alle, so doch wesentliche Merkmale der Steuer aufweisen wie sie in § 1 AO aufgeführt sind. Wesentlich für den Steuerbegriff ist, daß es sich um einmalige oder laufende Geldleistungen handelt, die von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden. Dabei braucht in diesem Zusammenhang nicht darauf eingegangen zu werden, daß mit Steuern auch andere Zwecke als die Erzielung von Einkünften, insbesondere auch Wirtschaftslenkungszwecke verfolgt werden können; denn Säumniszuschläge dienen keinem dieser Zwecke. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll (BFH-Urteile vom 8. November 1955 V 90/ 55 S, BFHE 61, 521, BStBl III 1955, 399; vom 9. Dezember 1955 IV 397/54 U, BFHE 62, 176, BStBl III 1956, 66). Steuern und Steuersäumniszuschläge unterscheiden sich demnach wesentlich nach ihrem Zweck, so daß Säumniszuschläge weder als Steuern noch als steuerartige Abgaben angesehen werden können.

Bei Auslegung des § 61 Nr. 2 KO kann auch der Zweck des Konkursvorrechts für Steuerforderungen nicht unberücksichtigt bleiben: Der Steuergläubiger (Fiskus) kann, da die Steuern auf Grund Gesetzes entstehen, sich den Steuerschuldner nicht auswählen. Bei Entstehung der Steuerschuld kann der Fiskus nicht ähnlich wie ein privater Gläubiger Sicherheiten vereinbaren. Der Fiskus ist gegenüber dem privaten Gläubiger auch dadurch benachteiligt, daß Entstehung und Fälligkeit einer Steuerforderung zeitlich oft weit auseinander liegen, eine Zugriffsmöglichkeit des Fiskus daher erst lange nach Entstehung des Steueranspruchs besteht. Es ist im übrigen auch nicht zu verkennen, daß jede Minderung des im Haushaltsplan angesetzten Steueraufkommens die Erfüllung der im Haushalt vorgesehenen Aufgaben beeinträchtigt, die Allgemeinheit dadurch benachteiligt wird (vgl. Dann, Das Konkursvorrecht der Öffentlichen Abgaben, 1962 S. 46 f.). Zum Ausgleich dieser Nachteile ist es gerechtfertigt, der öffentlichen Hand im Konkurs ein Vorrecht für Steuern einzuräumen.

Die Gründe, die das Konkursvorrecht für Steuerforderungen rechtfertigen, treffen in gleicher Weise nicht für die Säumniszuschläge zu. Der private Gläubiger braucht sie daher seiner Befriedigung nicht vorgehen zu lassen.

Der Senat stimmt mit dieser Auffassung mit der neueren Rechtsprechung (vgl. Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 4. Juni 1970 I U 825/69, Konkurs-Treuhand- und Schiedsgerichtswesen 1971 S. 52) und dem Schrifttum (vgl. Böhle-Stamschräder, a. a. O.; Stier, NJW 1969, 783) überein.

d) Dieser Auffassung steht nicht entgegen, daß nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 AO das Steuersäumnisgesetz ein Steuergesetz ist. Denn der Liste der Steuergesetze in § 2 Abs. 2 AO kommt eine besondere rechtliche Bedeutung nicht zu (Spanner in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 2 AO Anm. 51).

Auch der Umstand, daß Säumniszuschläge eng mit den Steuern zusammenhängen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dem engen Zusammenhang zwischen Säumniszuschlag und Steuer hat der BFH in dem Beschluß VI S 5/72 lediglich Bedeutung für die Zuständigkeit zur Entscheidung über das Konkursvorrecht beigemessen. Wegen des engen Zusammenhangs solle für die Entscheidung über das Konkursvorrecht eines Säumniszuschlages der für die Entscheidung über das Konkursvorrecht der Steuerforderung zuständige Gerichtszweig zuständig sein. Darüber hinausgehende sachlich-rechtliche Folgen können aus dem engen Zusammenhang nicht abgeleitet werden.

Soweit in früheren Entscheidungen (vgl. BFH-Entscheidung vom 30. Juni 1959 I 52/59 U, BFHE 69, 207, BStBl III 1959, 340) auf die Ähnlichkeit des Wesens von Steuern und Säumniszuschlägen abgestellt worden ist, ließ sich diese Auffassung aus § 5 StSäumG 1934 rechtfertigen, dessen Regelung aber in das StSäumG 1961 nicht übernommen worden ist.

3. Der Senat folgt der Auffassung des Revisionsklägers nicht, daß Steuersäumniszuschläge als Zwangsgelder im Sinn des § 63 Nr. 3 KO anzusehen seien und deshalb am Konkursverfahren nicht teilnehmen könnten. Das Zwangsgeld oder - nach dem Sprachgebrauch der AO Erzwingungsgeld ist ein verwaltungsrechtliches Zwangsmittel, das zur Vollstreckung von solchen Verwaltungsanordnungen eingesetzt wird, die nicht auf eine Geldleistung gerichtet sind. Zwangsgelder werden in einem förmlichen Verfahren durch Verwaltungsakt festgesetzt. Säumniszuschläge sind nicht Maßnahme des Verwaltungszwanges.

Die Vorentscheidungen entsprechen nicht der dargestellten Rechtslage. Sie sind daher aufzuheben. Auf die Klagen sind die Feststellungsbescheide der beklagten FÄ gleichfalls aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413343

BStBl II 1974, 17

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