Entscheidungsstichwort (Thema)

Häusliches Arbeitszimmer und Arztpraxis im selbst genutzten Wohnhaus; anderer Arbeitsplatz; Objektbegrenzung; funktionale Einheit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Aufwendungen für das in dem selbst genutzten Wohnhaus befindliche häusliche Arbeitszimmer unterliegen auch dann der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG, wenn in demselben Wohnhaus eine Arztpraxis eingerichtet ist und die in dem häuslichen Arbeitszimmer durchgeführten Arbeiten ausschließlich im Zusammenhang mit der häuslichen Arztpraxis stehen.

2. Hat ein Steuerpflichtiger für seine selbständige Erwerbstätigkeit einen außerhäuslichen Schreibtischarbeitsplatz eingerichtet, so steht ihm dieser regelmäßig (auch) als anderer Arbeitsplatz i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 2. Halbsatz EStG für alle Aufgabenbereiche der selbständigen Erwerbstätigkeit zur Verfügung.

3. Die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 1. Halbsatz EStG ist objektbezogen. Die abziehbaren Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind damit unabhängig von der Zahl der nutzenden Personen auf 2 400 DM bzw. 1 250 € begrenzt.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b

 

Verfahrensgang

FG München (Entscheidung vom 25.02.2003; Aktenzeichen 2 K 38/02; EFG 2003, 833)

 

Tatbestand

Die verheirateten Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) betreiben gemeinschaftlich in der Rechtsform einer GbR in angemieteten Räumen eine Arztpraxis. Weitere zwei Praxisräume mit WC und Wartebereich (gesamt 68,81 qm) befinden sich im Souterrain des im Alleineigentum des Klägers stehenden und von den Klägern gemeinsam bewohnten Einfamilienhauses (EFH). Die im EFH liegenden Praxisräume werden ausschließlich von der Klägerin ab dem frühen Nachmittag für die Behandlungen ihrer Patienten genutzt. Während des Vormittags ist die Klägerin neben dem Kläger in den angemieteten Praxisräumen tätig.

Im Erdgeschoss des EFH befindet sich des Weiteren ein Arbeitszimmer von 23,56 qm, welches durch das Wohnzimmer erreichbar ist und eine Tür zur Terrasse hat. Das Arbeitszimmer ist büromäßig mit zwei Schreibtischen, Computeranlagen und Regalen ausgestattet. Beide Kläger bewahren ihre Patientenkarteien in diesem Raum auf und erstellen ausschließlich dort ihre Abrechnungen. Ebenso nutzen beide Kläger das Arbeitszimmer wegen der darin befindlichen umfangreichen Fachliteratur zur Vertiefung von Diagnosen und Therapien sowie zur Weiterbildung. Daneben hält die Klägerin in diesem Raum werktäglich für ca. eine Stunde ihre Telefonsprechstunde ab, anlässlich der sie auch Termine für die Behandlung in den Praxisräumen im EFH vereinbart. Zusätzlich erstellt die Klägerin in dem Arbeitszimmer Gutachten und wertet darin die Laborbefunde aus.

In dem Anlageverzeichnis der GbR, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt, ist seit 1995 (Jahr der Fertigstellung der Praxis) ein Anteil am Grundstück und dem Gebäude (23 %; Praxis, Arbeitszimmer und Garage) als Sonderbetriebsvermögen des Klägers erfasst.

In den Feststellungsbescheiden des Jahres 1995 und des (ersten) Streitjahres 1996 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) anteilige Darlehenszinsen und Abschreibungen des betrieblich genutzten Gebäudeteils als Sonderbetriebsausgaben des Klägers. Gegen den Bescheid des Streitjahres 1996 legten die Kläger Einspruch ein, mit dem sie sich gegen die 1-v.H.-Regelung zur Ermittlung des Privatanteils der betrieblichen Kfz-Kosten wandten.

In den Feststellungsbescheiden der weiteren Streitjahre 1997 bis 1999 berücksichtigte das FA Sonderbetriebsausgaben, soweit sie auf das Arbeitszimmer entfielen, nicht. Hiergegen wandten sich die Kläger ebenfalls mit ihren Einsprüchen.

Während des laufenden Einspruchsverfahrens wies das FA die Kläger mit Schreiben vom 3. August 2001 darauf hin, dass für alle Streitjahre weder die anteiligen Aufwendungen für das Arbeitszimmer im Erdgeschoss noch die anteiligen Aufwendungen für die Praxisräume im Untergeschoss als Sonderbetriebsausgaben beim Kläger zu berücksichtigen seien und drohte eine Verböserung an. In danach mit dem Klägervertreter geführten Telefonaten (September und November 2001) führte dieser aus, dass der Einspruch bezüglich der Kfz-Eigennutzung nicht mehr aufrechterhalten werde. Ein entsprechendes Schreiben ging aber erst am 12. Dezember 2001 beim FA ein.

Mit Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2001 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück und änderte die Feststellungsbescheide für die Streitjahre darüber hinaus zum Nachteil der Kläger dahin ab, dass nunmehr Sonderbetriebsausgaben weder für das Arbeitszimmer im Erdgeschoss noch für die Praxisräume im Untergeschoss berücksichtigt wurden.

Mit der dagegen erhobenen Klage hielten die Kläger an ihrem Begehren fest, die anteiligen Aufwendungen für das Arbeitszimmer im Erdgeschoss und die anteiligen Aufwendungen für die Praxisräume im Untergeschoss in voller Höhe als Sonderbetriebsausgaben beim Kläger anzuerkennen.

Der Berichterstatter des Finanzgerichts (FG) hat auf Grund des Beweisbeschlusses vom 8. Mai 2002 die Räume der angemieteten Gemeinschaftspraxis und die in dem EFH gelegenen betrieblich genutzten Räume in Augenschein genommen. Auf die Niederschrift der Beweisaufnahme (Bl. 61 der Akte des Bundesfinanzhofs ―BFH―) wird Bezug genommen.

Das FG gab der Klage in vollem Umfang statt. Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Praxisräume im Untergeschoss des EFH auf Grund der Ausstattung und der Nutzung nicht dem Typus eines Arbeitszimmers entsprächen und deshalb nicht der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG unterfielen. Auch für das Arbeitszimmer seien die Aufwendungen unbegrenzt abzugsfähig, da der Raum räumlich und funktional mit der Praxis im Souterrain verzahnt sei und einen Teil dieser Praxis bilde. In diesem Zusammenhang weist das FG auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 16. Juni 1998 IV B 2 -S 2145- 59/98 (BStBl I 1998, 863) hin und führt weiter aus, dass für das Erstellen der Abrechnungen, die berufliche Weiterbildung und die fachliche Vertiefung von Diagnosen und Therapien weder in den angemieteten Praxisräumen noch in den Praxisräumen im Untergeschoss des EFH ein anderweitiger Arbeitsplatz zur Verfügung stünde. Die erforderliche Literatur sei zu umfangreich, um sie in den angemieteten Räumen oder in den Praxisräumen im Untergeschoss des EFH griffbereit und geordnet bereitzuhalten. Auf den dort vorhandenen Schreibtischflächen, die zu Gunsten der Behandlungsfläche sehr klein gehalten seien, könnten Literatur und Abrechnungsunterlagen nicht zurechtgelegt und im Falle einer Arbeitsunterbrechung liegen gelassen werden. Die Bearbeitung der Karteikarten beschränke sich nicht nur auf die Vornahme von Eintragungen. Vielmehr würden die während der Sprechstunde gefertigten Notizen ausgearbeitet und in der Literatur nach ergänzenden Informationen zu Diagnose und Therapie geforscht. Auf Grund des komplizierten Abrechnungswesens müssten umfangreiche Arbeitsmaterialien für das Erstellen der Abrechnung herangezogen werden. Ohne das Arbeitszimmer im Erdgeschoss seien die Kläger nicht in der Lage, ihre Tätigkeit medizinisch verantwortlich und wirtschaftlich ertragreich auszuüben. Zu berücksichtigen sei auch, dass auf Grund der Planungsfreiheit bei der Errichtung des Gebäudes das Arbeitszimmer auch im räumlichen Verbund mit der Praxis hätte eingeplant werden können. Das Arbeitszimmer liege auch in räumlicher Nähe zu den Praxisräumen.

Da der Klage aus den vorgenannten Gründen stattzugeben sei, könne offen bleiben, ob das FA für das Streitjahr 1996 eine verbösernde Einspruchsentscheidung habe erlassen dürfen.

Nur noch gegen die Anerkennung der anteiligen Aufwendungen für das Arbeitszimmer im Erdgeschoss des EFH richtet sich die Revision des FA. Bei diesem Zimmer im Erdgeschoss handele es sich um ein häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 1 EStG. Die das Arbeitszimmer betreffenden Aufwendungen unterlägen dem generellen Abzugsverbot, da die Ausnahmetatbestände des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 und 3 EStG nicht vorlägen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als die Kosten für das häusliche Arbeitszimmer anerkannt wurden, und die Klage insoweit abzuweisen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen; hilfsweise den auf 2 400 DM begrenzten Abzug zu gewähren.

Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus: Die Praxis im Wohngebäude sei eine autarke und für sich selbst lebensfähige Arztpraxis. Die einzelnen, betrieblich genutzten Räume im Wohnhaus stellten eine Betriebsstätte dar, die als Einheit zu betrachten sei. Die Lage der Räume sei nicht entscheidungserheblich. Da die Betriebsstätte ohne das Büro nicht funktionsfähig sei, sei es nicht sachgerecht, das Büro losgelöst von der Betriebsstätte zu beurteilen. Nicht zutreffend sei die Behauptung des FA, dass die Mehrzahl der Ärzte ihre Abrechnungsarbeiten an ein Fremdunternehmen abgeben würden. Das Gegenteil sei vielmehr der Fall, was der Prozessbevollmächtigte auch bei den von ihm betreuten Mandanten beobachtet habe und auf Nachfrage von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern ebenfalls bestätigt worden sei. Für die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen spreche auch die Problematik der späteren Entnahmebesteuerung. Im Falle der Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe müssten die Kläger den Entnahme- bzw. Veräußerungsgewinn für das Büro ohne Rücksicht darauf versteuern, dass ihnen die den Buchwert mindernde Absetzung für Abnutzung (AfA) nicht gewährt worden sei. Diese Besteuerung sei mit der verfassungsrechtlich gebotenen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht zu vereinbaren. Soweit das Gericht gleichwohl den Betriebsausgabenabzug für das Büro einschränken wolle, sei das Büro aus dem Betriebsvermögen auszusondern oder der Buchwert auf dem Niveau der historischen Herstellungskosten einzufrieren.

Sollte das Gericht die Auffassung vertreten, dass das Büro auf Grund der räumlichen Nähe zu den Wohnräumen ein häusliches Arbeitszimmer sei, seien die Aufwendungen jedenfalls bis 2 400 DM abziehbar. Das FG habe nämlich festgestellt, dass den Klägern außerhalb des Wohnhauses kein Büro zur Verfügung stehe. Festzuhalten sei, dass in beiden Praxen kein genügender Platz für die Abrechnungstätigkeiten vorhanden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

I. Zu Unrecht hat das FG das im Erdgeschoss des Wohnhauses liegende Büro nicht als häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 1 EStG angesehen und die insoweit geltend gemachten Aufwendungen in vollem Umfang als Sonderbetriebsausgaben beim Kläger berücksichtigt.

1. Der Rechtsprechung des BFH zufolge erfasst die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG das häusliche Büro, d.h. einen Arbeitsraum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient (BFH-Urteile vom 19. September 2002 VI R 70/01, BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139; vom 16. Oktober 2002 XI R 89/00, BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185; vom 13. November 2002 VI R 164/00, BFHE 201, 86, BStBl II 2003, 350; vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269). Für seine Qualifizierung ist es ohne Bedeutung, ob der Raum eine Betriebsstätte i.S. des § 12 der Abgabenordnung (AO 1977) darstellt (BFH-Urteil in BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185).

2. In die häusliche Sphäre eingebunden ist ein Arbeitszimmer regelmäßig dann, wenn es sich in einem Raum befindet, der zur privat genutzten Wohnung bzw. zum Wohnhaus des Steuerpflichtigen gehört (BFH-Urteile vom 23. September 1999 VI R 74/98, BFHE 189, 438, BStBl II 2000, 7; in BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185; in BFHE 201, 86, BStBl II 2003, 350, und in BFHE 201, 269). Ein Arbeitszimmer, das sich in einem selbst genutzten EFH befindet, ist danach grundsätzlich ein häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG (BFH-Urteil vom 26. Februar 2003 VI R 156/01, BFHE 202, 116).

3. Im Streitfall hat das FG daher zu Unrecht das Vorliegen eines häuslichen Arbeitszimmers im o.g. Sinne verneint. Nach den Feststellungen des FG sowie nach dem eigenen Vorbringen der Kläger nutzen diese das Büro im Erdgeschoss ausschließlich zur Erstellung sämtlicher Praxis-Abrechnungen, zur Fertigung von Gutachten, zur Auswertung von Laborbefunden, zur Terminvereinbarung und telefonischen Patientenberatung, für die berufliche Weiterbildung und für die fachliche Vertiefung von Diagnosen und Therapien. Das Büro, welches mit zwei Schreibtischarbeitsplätzen, Telefon, Computeranlage, Kopiergerät und diversen Regalen, in denen die umfangreiche Fachliteratur aufbewahrt wird, ausgestattet ist, entspricht exakt dem Raum-Typus, der nach der vorgenannten Rechtsprechung als Arbeitszimmer anzusehen ist. Ebenso ist das im Erdgeschoss des selbst genutzten Wohnhauses gelegene Büro, welches nur durch das Wohnzimmer oder durch eine Terrassentür vom Garten aus erreichbar ist, vollständig in die häusliche Sphäre eingebunden.

4. Der Argumentation des FG, das Büro im Erdgeschoss sei räumlich und funktional derart mit der Praxis im Souterrain verzahnt, dass es einen Teil der Praxis bilde, vermag der Senat nicht zu folgen.

a) Ob ein in die häusliche Sphäre eingebundener Raum dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG unterfällt, ist ausschließlich danach zu beurteilen, ob er dem von der Rechtsprechung gebildeten Raumtypus (dazu I. 1.) entspricht. Begehrt der Steuerpflichtige den Betriebsausgabenabzug für mehrere in seine häusliche Sphäre eingebundene Räume, ist die Qualifizierung als häusliches Arbeitszimmer grundsätzlich für jeden Raum gesondert vorzunehmen. Eine gemeinsame Qualifizierung kommt nur dann in Betracht, wenn die Räume eine funktionale Einheit bilden. Diese liegt aber nur vor, wenn verschiedene Räume nahezu identisch genutzt werden. Insoweit kann es keinen Unterschied machen, ob auf Grund der räumlichen Situation die Nutzung in einem oder in mehreren Räumen erfolgt. So hat der BFH in BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139 entschieden, dass ein als Archiv genutzter Raum unter Berücksichtigung seiner Ausstattung, Lage und Funktion als Teil des häuslichen Arbeitszimmers anzusehen und damit diesem Typus zuzuordnen sein kann. Der Entscheidung lag die Annahme zu Grunde, dass in einem Archiv Tätigkeiten durchgeführt werden, die wie das Einordnen, Sichten und Heraussuchen von Unterlagen häufig auch in einem häuslichen Arbeitszimmer verrichtet werden und die (ggf. vorbereitend und unterstützend) der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dienen. Eine derartige funktionale Einheit bildet das im Erdgeschoss gelegene Büro mit der im Kellergeschoss gelegenen Praxis nicht. Die Praxis dient der Klägerin zur Behandlung der Patienten, während in dem Büro nach den Feststellungen des FG nur verwaltungstechnische Arbeiten durchgeführt werden. Allein aus der Tatsache, dass die im Büro durchgeführten Verwaltungsarbeiten ausschließlich im Zusammenhang mit der Praxis stehen, wie die Kläger behaupten, kann angesichts der unterschiedlichen Nutzung der Räumlichkeiten nicht gefolgert werden, dass Büro und Praxis steuerrechtlich einheitlich zu beurteilen sind. Anderenfalls würde die funktionale Einheit ausschließlich durch die Nähe der einzelnen Räumlichkeiten zueinander bestimmt, was jedoch zu willkürlichen Ergebnissen führen kann. Dies wird insbesondere durch den Vergleich mit demjenigen Steuerpflichtigen deutlich, der anders als die Kläger seiner ärztlichen Behandlungstätigkeit nur in Räumen nachgeht, die außerhalb der häuslichen Sphäre liegen. Erledigt dieser Steuerpflichtige ebenfalls die in der Arztpraxis anfallenden Verwaltungsarbeiten in einem, in seine häusliche Sphäre eingebundenen Büroraum, unterläge dieser Raum zweifelsohne als häusliches Arbeitszimmer dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG.

b) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob im Einzelfall ein Büroraum auf Grund seiner besonderen räumlichen Nähe zu anderen Betriebsräumen nicht als häusliches Arbeitszimmer anzusehen ist. Denn ―wenn überhaupt― kann ein im (auch) selbst genutzten Wohnhaus gelegenes Büro allenfalls dann aus dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG ausscheiden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls die Einbindung des Büros in die häusliche Sphäre aufgehoben oder überlagert wird. Derartige Umstände könnten etwa zu bejahen sein, wenn das Büro (auch) von dritten, nicht familienangehörigen Personen genutzt wird oder das Büro räumlich in andere ausschließlich betrieblich genutzte Räumlichkeiten integriert ist und diese dem Büro ein anderes Gepräge geben (so wohl das BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 863, III b für das Büro eines Bäckers, welches in einem Geschäftshaus gelegen ist, in dem sich zusätzlich die Wohnung, die Backstube, der Verkaufsraum und ein Aufenthaltsraum für das Verkaufspersonal befindet).

Im Streitfall wird durch die im Souterrain des Wohnhauses befindliche Praxis das im Erdgeschoss liegende Arbeitszimmer nicht aus der häuslichen Sphäre gelöst. Das Arbeitszimmer wird weder von familienfremden Dritten genutzt noch ist es in die im Souterrain befindliche Praxis räumlich integriert. Unerheblich ist insoweit auch, dass die Kläger auf Grund der Planungsfreiheit den Büroraum im Verbund mit der Praxis hätten einplanen können. Beurteilungsgrundlage ist allein die objektive Sachlage, wie sie sich im Streitjahr darstellt.

II. Die Feststellungen des FG erlauben aber keine Entscheidung dazu, ob die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 und 3 EStG abzugsfähig sind.

1. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer den Gewinn nicht mindern. Dies gilt nicht, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 % der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird nach Satz 3 1. Halbsatz der Vorschrift in der für die Streitjahre geltenden Fassung die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 2 400 DM begrenzt. Die Begrenzung entfällt, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.

2. Da der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit der Kläger in den jeweiligen Praxisräumen liegt und die berufliche Nutzung des Arbeitszimmers, wie die Kläger mit der Revisionserwiderung einräumen, nicht mehr als 50 v.H. der gesamten beruflichen Tätigkeit beträgt, kommt ein Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer, allerdings begrenzt auf 2 400 DM, nur dann in Betracht, wenn den Klägern für die berufliche Tätigkeit ein anderer Arbeitsplatz nicht zur Verfügung steht.

a) Zu der Frage, ob ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, hat der VI. Senat des BFH in mehreren Entscheidungen vom 7. August 2003 (VI R 17/01 ―Leitentscheidung―, BFHE 203, 130; VI R 41/98, BFHE 203, 119; VI R 16/01, BFHE 203, 128; VI R 118/00, BFHE 203, 122; VI R 162/00, BFHE 203, 124) ausgeführt: "Ein 'anderer Arbeitsplatz' im Sinne der Abzugsbeschränkung ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist; weitere Anforderungen an seine Beschaffenheit sind nicht zu stellen. Der andere Arbeitsplatz steht allerdings nur dann 'für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit … zur Verfügung', wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann. Übt der Steuerpflichtige nur eine berufliche Tätigkeit aus, muss geprüft werden, ob der an sich vorhandene andere Arbeitsplatz tatsächlich für alle Aufgabenbereiche der Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht. Es genügt jedoch nicht, dass nach Feierabend oder am Wochenende im häuslichen Arbeitszimmer Arbeiten verrichtet werden, die grundsätzlich auch an dem anderen Arbeitsplatz verrichtet werden könnten. Die Frage, ob ein Steuerpflichtiger seinen anderen Arbeitsplatz in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise nutzen kann, betrifft die Tatsachenfeststellung. Sie muss von den Finanzgerichten anhand der objektiven Umstände des konkreten Einzelfalls beantwortet werden. Anhaltspunkte können sich sowohl aus der Beschaffenheit des Arbeitsplatzes selbst (Größe, Lage, Ausstattung etc.) als auch aus den Rahmenbedingungen seiner Nutzung (Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses, Verfügbarkeit des Arbeitsplatzes bzw. Zugang zu dem betreffenden Gebäude etc.) ergeben."

b) Diese Rechtsprechung, der der erkennende Senat grundsätzlich folgt, betrifft jedoch ausschließlich Sachverhalte, in denen zu beurteilen war, ob ein von einem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn gestellter Arbeitsplatz als "anderer Arbeitsplatz" i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 EStG zur Verfügung stand. Allen Sachverhalten war damit gemein, dass der jeweilige Arbeitnehmer auf die konkrete Ausgestaltung des "anderen" Arbeitsplatzes und den konkreten Nutzungsumfang keinen Einfluss hatte, weil er insoweit dem Direktions- bzw. Dienstrecht des Arbeitgebers bzw. Dienstherrn unterlag. Kann der Steuerpflichtige indes auf Grund eigener Verfügungsbefugnis die konkrete Ausgestaltung und die Art und Weise sowie den Umfang der Nutzung des anderen (außerhäuslichen) Arbeitsplatzes selbst bestimmen, was in der Regel bei selbständig tätigen Steuerpflichtigen der Fall sein dürfte, so indiziert das Vorhandensein eines Schreibtischarbeitsplatzes regelmäßig, dass dieser dem Steuerpflichtigen für alle Aufgabenbereiche seiner Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht. Anderenfalls hätte es der Steuerpflichtige in der Hand, durch entsprechende Gestaltung des außerhäuslichen Arbeitsplatzes das grundsätzliche Abzugsverbot zu unterlaufen. Der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 EStG liegt jedoch nach der Rechtsprechung des BFH der Gedanke zu Grunde, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann berücksichtigt werden sollen, wenn ein solches für die Erwerbstätigkeit erforderlich ist (vgl. aus jüngerer Zeit: BFH-Urteil vom 13. November 2002 VI R 28/02, BFHE 201, 106, m.w.N.). Der Gesichtspunkt der Erforderlichkeit, dem ansonsten allenfalls Indizwirkung für die Beantwortung der Frage zukommt, ob Aufwendungen betrieblich oder beruflich veranlasst sind, erhält somit durch die vom Gesetzgeber in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 EStG vorgenommene Typisierung im Bereich der steuerlichen Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers ein stärkeres Gewicht. An dieser Erforderlichkeit fehlt es, wenn der Steuerpflichtige seiner beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit in angemieteten oder in seinem Eigentum stehenden Räumen nachgeht und es ihm dort zumutbar und auf Grund der räumlichen Situation grundsätzlich auch möglich ist, einen zur Erledigung aller betrieblichen und beruflichen Schreibtischtätigkeiten geeigneten, büromäßigen Arbeitsplatz einzurichten.

3. Die Feststellungen des FG lassen nicht den Schluss zu, dass den Klägern ein anderer Arbeitsplatz nicht zur Verfügung gestanden hat. Das FG hat, wenn auch nicht im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 2. Halbsatz EStG, festgestellt, dass den Klägern für das Erstellen der Abrechnungen, für die berufliche Weiterbildung und die fachliche Vertiefung von Diagnosen und Therapien kein anderweitiger Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Die Schreibtischflächen seien in allen Praxisräumen zugunsten der Behandlungsfläche sehr klein gehalten worden. Literatur und Abrechnungsunterlagen könnten darauf weder zurechtgelegt noch bei Arbeitsunterbrechung liegen gelassen werden.

Ausgehend von den unter II. 2. dargelegten Grundsätzen indiziert das Vorhandensein der Schreibtischarbeitsplätze in beiden Praxen, dass diese den Klägern auch zur Erledigung sämtlicher Büroarbeiten zur Verfügung standen. Nur wenn auf Grund der konkreten räumlichen Gegebenheiten, etwa wegen augenfälligen Platzmangels, die Schreibtischarbeitsplätze zwingend derart klein ausfallen mussten, dass sie für die Erstellung der Abrechnungen und das Literaturstudium nicht zumutbar genutzt werden konnten, hätte den Klägern ein anderer Arbeitsplatz in den Praxisräumen nicht zur Verfügung gestanden. Diesbezüglich fehlt es aber an Feststellungen des FG.

Der Erwägung des FG, dass die Literatur, welche für die fachliche Weiterbildung und die Abrechnung erforderlich sei, in den angemieteten Praxisräumen oder in der Praxis im Souterrain des Wohnhauses in den Praxisräumen nicht griffbereit und geordnet bereitzuhalten sei, liegt offensichtlich die Vorstellung zu Grunde, dass die notwendige Literatur in unmittelbarer Nähe zu dem Schreibtischarbeitsplatz untergebracht sein muss. Der Senat hält es jedoch für ausreichend, wenn die Literatur in räumlicher Nähe zu dem Schreibtischarbeitsplatz aufbewahrt wird. Davon ist jedenfalls auszugehen, wenn die Literatur in einem oder mehreren der Praxis zugehörigen Räumen untergebracht ist bzw. untergebracht werden könnte.

Im Übrigen fehlt es, worauf das FA zutreffend hingewiesen hat, an tatsächlichen Feststellungen dazu, in welchem Umfang die im häuslichen Arbeitszimmer der Kläger untergebrachte Literatur für das Literaturstudium und die sachgerechte Erstellung der Abrechnungen erforderlich ist. Diese Feststellungen sind aber zwingend erforderlich, um zutreffend beurteilen zu können, ob die Literatur in den Praxisräumen untergebracht werden kann.

III. Die Sache ist nicht spruchreif.

1. Das FG wird im zweiten Rechtsgang festzustellen haben, ob die räumliche Situation in den beiden Praxen es zulässt, die Schreibtischarbeitsplätze für beide Kläger so zu gestalten, dass sie auch für die Erstellung der Abrechnungen und das Literaturstudium genutzt werden können.

Ebenfalls wird es festzustellen haben, in welchem Umfang die Kläger auf die vorhandene Fachliteratur angewiesen sind und ob diese in den Praxisräumen untergebracht werden kann.

2. Soweit das FG zu dem Ergebnis kommt, dass den Klägern kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, können die Aufwendungen für das Arbeitszimmer für jedes Streitjahr nur einmal in Höhe von bis zu 2 400 DM abgezogen werden. Dies gilt unabhängig davon, dass das Arbeitszimmer von beiden Klägern genutzt worden ist und ob die Klägerin ebenfalls anteilige Aufwendungen für das Arbeitszimmer getragen hat (vgl. zu der grundsätzlichen Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für einen Raum, der im Eigentum des Ehegatten des Steuerpflichtigen steht: BFH-Beschluss vom 23. August 1999 GrS 1/97, BFHE 189, 151, BStBl II 1999, 778). Die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 1. Halbsatz EStG ist nämlich objektbezogen und damit unabhängig von der Zahl der nutzenden Personen geregelt (ebenso Meurer in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 4 EStG Anm. 724; Urban, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 1996, 229 f.; ders., DStZ 1997, 368 f.; a.A. BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 863, VII Tz. 14; Söhn in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 4 Rdnr. Lb 241; Blümich/ Wacker, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 4 EStG Rz. 285 q; Broudré in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 4 EStG Anm. 1563; Karrenbrock, DStZ 1996, 727 f.). Für die objektbezogene Abzugsbeschränkung spricht zunächst der Wortlaut in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 1 EStG, wonach die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer den Gewinn nicht mindern dürfen. Die Regelung knüpft nur an das Vorhandensein eines Arbeitszimmers, nicht jedoch an den Aufwand des einzelnen Steuerpflichtigen oder an die Zahl der darin tätigen Personen an. Die Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG unterscheidet sich damit von anderen in § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG enthaltenen Abzugsverboten (vgl. u.a. Nr. 1, 2, 3, 5, 6), in denen auf die Aufwendungen des Steuerpflichtigen abgestellt und daher die Subjektbezogenheit bereits tatbestandlich erfasst wird. Die Objektbezogenheit der Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG wird zudem durch die Gegenüberstellung der Abzugsbeschränkung in Satz 3 1. Halbsatz und der unbegrenzten Abzugsmöglichkeit in Satz 3 2. Halbsatz deutlich. Der Gesetzgeber hat darin zum Ausdruck gebracht, dass er in Ausnahmefällen den Abzug der Aufwendungen der Höhe nach begrenzt bis zu 2 400 DM (bzw. 1 250 €), in eng umgrenzten weiteren Ausnahmefällen aber unbegrenzt zulassen will. Durch eine Verdoppelung oder gar Vervielfachung des begrenzten Abzugsbetrages würde die vom Gesetzgeber für den Regelfall beabsichtigte Deckelung der tatsächlichen Aufwendungen einem unbegrenzten Abzug nahe kommen und damit die Unterscheidung der Tatbestandsalternativen des Satzes 3 faktisch wieder aufgehoben. Gegen eine Verdoppelung oder Vervielfachung des Begrenzungsbetrages spricht zudem, dass die Raumaufwendungen bei Mehrfachnutzung weitgehend identisch sind mit den Raumaufwendungen bei der Nutzung durch nur eine Person. Höhere Aufwendungen entstehen bei der Mehrfachnutzung eines Arbeitszimmers vor allem für die Einrichtung (z.B. mehrere Schreibtische, Schreibtischstühle, Regale, PC). Auf diese Aufwendungen erstreckt sich der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG jedoch nicht (BFH-Urteil vom 21. November 1997 VI R 4/97, BFHE 184, 532, BStBl II 1998, 351).

3. Zudem wird das FG darüber zu entscheiden haben, ob das FA eine verbösernde Einspruchsentscheidung für das Streitjahr 1996 erlassen durfte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1114517

BFH/NV 2004, 568

BStBl II 2004, 775

BFHE 2004, 176

BFHE 204, 176

BB 2004, 532

DB 2004, 574

DStR 2004, 415

DStRE 2004, 367

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