Leitsatz (amtlich)

Betreibt ein Steuerpflichtiger im Rahmen seines Unternehmens den Güternah- und den Güterfernverkehr, so kann von der Unterhaltung zweier Teilbetriebe nur dann die Rede sein, wenn beide Verkehrsarten nicht nur als Geschäftszweige des einheitlichen Unternehmens betrieben werden, sondern auch innerhalb dieses einheitlichen Unternehmens mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet sind.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 3, § 34

 

Tatbestand

Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind die seinerzeit geschäftsführenden Gesellschafter einer inzwischen aufgelösten OHG, die den Güternah- und -fernverkehr betrieb. Sie verkauften mit Verträgen vom 5. und 23. Juni 1967 ihre beiden bis dahin im Güterfernverkehr eingesetzten Lastzüge (Buchwert: 1 DM) für 87 500 DM. Gleichzeitig verzichteten sie auf die ihnen erteilten drei Güterfernverkehrsgenehmigungen zugunsten der Käufer. Den Güternahverkehr betrieben sie mit einem im Frühjahr 1967 gebraucht erworbenen - zunächst im Nah- und Fernverkehr eingesetzten, für den Fernverkehr indes von ihnen später als nicht geeignet befundenen - Lastzug gemeinsam weiter, bis der Gesellschafter W. O. mit dem 31. Dezember 1967 aus der Gesellschaft ausschied, die damit aufgelöst wurde. Das Unternehmen wird unter anderer Firma von dem früheren Gesellschafter U. O. fortgeführt.

Während die Kläger die Veräußerung der beiden Lastzüge und den Verzicht auf die drei Güterfernverkehrsgenehmigungen als steuerbegünstigte Aufgabe eines Teilbetriebs angesehen wissen wollen, versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) unter Bezug auf das Urteil des BFH vom 1. Dezember 1966 V 226/64 (BFHE 87, 366, BStBl III 1967, 161) die Feststellung eines steuerbegünstigten Veräußerungsgewinns; für die Annahme einer Teilbetriebsaufgabe fehle es an einer klaren, vor allem buchmäßigen Abgrenzung der beiden Verkehrsarten voneinander (nur die Forderungen aus den beiden Verkehrsarten waren getrennt gebucht und bilanziert worden).

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG führte aus:

Eine Veräußerung des Betriebes im ganzen liege nicht vor, da die Kläger den bereits vor den streitigen Veräußerungsvorgängen betriebenen Güternahverkehr auch nach dem Verkauf der beiden Lastzüge fortgeführt hätten, der Betrieb des Güterfern- und des Güternahverkehrs aber als ein einheitliches Unternehmen anzusehen sei. Auch ein Teilbetrieb sei weder veräußert noch aufgegeben worden, da die Betätigung der Kläger auf dem Gebiet des Güterfernverkehrs keinen Teilbetrieb im Sinne des Einkommensteuerrechts darstelle. Ein Teilbetrieb sei ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebes, der für sich lebensfähig sei (BFH-Urteil vom 24. April 1969 IV R 202/68, BFHE 95, 323, BStBl II 1969, 397, mit weiterer Rechtsprechung). Zwar möge der von den Klägern betriebene Güterfernverkehr einen für sich lebensfähigen Zweig ihres einheitlichen Unternehmens gebildet haben; maßgebend sei jedoch, daß es ihm im Rahmen des Gesamtunternehmens an Eigenständigkeit gefehlt habe, d. h. weder eine wirtschaftliche noch eine räumliche oder organisatorische Trennung der beiden Betriebsarten gegeben gewesen sei. Lediglich die Erlöse und die Forderungen seien nach Verkehrsarten aufgegliedert gewesen. Im übrigen seien sämtliche Konten einheitlich geführt worden.

Der Einwand der Kläger, daß nach dem BFH-Urteil IV R 202/68 eine selbständige Organisation und Buchführung für die Anerkennung der Teilbetriebseigenschaft nicht entscheidend sein könne, lasse außer acht, daß das Urteil die Forderung nach einer selbständigen Organisation und Buchführung nicht aufgegeben habe, sondern nur nicht - anstelle von objektiven Tatbestandsmerkmalen - als allein entscheidend gelten lasse. Dabei werde nicht verkannt, daß zwischen Güternahverkehr und genehmigungspflichtigem Güterfernverkehr grundsätzliche Unterschiede bestünden. Neben den Fernlastzügen und den Konzessionen - als sicherlich wesentlicher Betriebsmittel - erfordere ein Verkehrsbetrieb als wirtschaftlicher Organismus aber auch personelle und weitere sächliche Mittel sowie geschäftliche Beziehungen. Ein Betriebsmittel für sich allein stelle im Rahmen selbst (nur) einer Verkehrsart keinen organisatorisch selbständigen Betrieb dar. Der von den Klägern betriebene Fernverkehr erweise sich damit als nur ein Geschäftszweig im Rahmen ihres Gesamtunternehmens, für den sie nicht nur die zwei veräußerten, sondern auch noch einen dritten Lastzug eingesetzt gehabt hätten. Schließlich sei trotz der Behauptung, daß der Güterfernverkehr im Juni 1967 stillgelegt worden sei, von den Klägern keine Zwischen- oder Schlußbilanz für den von ihnen als Teilbetrieb angesehehen Geschäftszweig erstellt worden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Kläger mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung den Feststellungsbescheid vom 6. Mai 1969 dahin abzuändern, daß von dem Gewerbegewinn 1967 (in Höhe von 96 143 DM) 87 499 DM auf einen begünstigten Veräußerungsgewinn entfielen, der mit 43 749 DM dem Gesellschafter W. O. und mit 43 750 DM dem Gesellschafter U. O. zuzurechnen sei. Zur Begründung lassen sie vortragen:

Verfahrensrechtlich werde mangelnde Sachaufklärung gerügt, da das FG es entgegen der Anregung der Kläger unterlassen habe, eine gutachtliche Stellungnahme des Bundesverbandes des Deutschen Güter- und Fernverkehrs in Frankfurt/Main zur Frage der Eigenständigkeit des Güterfernverkehrs im Sinne des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) einzuholen. Materiell-rechtlich habe mit dieser Stellungnahme die behauptete Eigenständigkeit des Teilbetriebes Güterfernverkehr belegt werden sollen. Wenn das FG sie im Streitfalle verneint habe, so sei das um so weniger verständlich, als es selbst einräume, daß der Güterfernverkehr im Rahmen des Gesamtunternehmens der Kläger ein für sich lebensfähiger Zweig gewesen sei. Die bei den Klägern vorgefundene getrennte Verbuchung von Erlösen und Forderungen, von Löhnen und Aufwendungen für Kraftstoffe und Reparaturen sowie die Verschiedenheit der Auftraggeber für die beiden Verkehrsarten biete die entscheidende Grundlage für eine Beurteilung im Sinne des Klagebegehrens. Mit dem Verkauf der beiden Fernlastzüge und dem Verzicht auf die drei Güterfernverkehrsgenehmigungen sei in der Tat - als mit der Weggabe der wesentlichsten Betriebsmittel - der Fernverkehr als Teilbetrieb aufgegeben worden. Der Aufgabewille sei in der Bilanz zum 31. Dezember 1967 und damit innerhalb angemessener Frist in Erscheinung getreten.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Die Rüge der mangelnden Sachaufklärung ist nicht begründet. Das Gericht entscheidet nach § 96 FGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es hat im Urteil die Gründe anzugeben, die für seine richterliche Überzeugung leitend waren. An Beweisanträge oder Anregungen der Beteiligten, die der Bildung dieser richterlichen Überzeugung (qua Tatbestandsfeststellung) dienen sollen, ist das Gericht nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO). Hinsichtlich der Bildung seiner rechtlichen Überzeugung (qua Rechtsanwendung auf den festgestellten Tatbestand) ist es nur an Recht und Gesetz gebunden.

Die Vorschriften des GüKG haben mit ihrer Ordnung und Überwachung der in ihnen geregelten Güterverkehrsarten auf die einkommensteuerrechtliche Situation der Unternehmer solcher Verkehrsarten keinen allein ausschlaggebenden Einfluß. Das FG, das den Unterschied dieser beiden Verkehrsarten nach dem GüKG (unterschiedliche Anforderungen bezüglich der persönlichen und sächlichen Voraussetzungen) nicht verkannt hat, konnte deshalb von der Einholung des von den Klägern angeregten Gutachtens absehen, ohne damit gegen seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) zu verstoßen.

Im übrigen bieten weder die Akten noch die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem FG einen Anhalt dafür, daß die Kläger vor dem FG die für eine etwaige andere Entscheidung maßgebenden Umstände in gleicher Weise dargelegt haben wie vor dem erkennenden Senat.

2. Das FG hat in seiner Entscheidung den Begriff des Teilbetriebes so, wie er in ständiger Rechtsprechung verstanden wird, eingehend und rechtlich einwandfrei dargestellt (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juli 1973 I R 154/71, BFHE 110, 245, BStBl II 1973, 838). Ob ein Unternehmen, das neben dem Güternahverkehr auch den Güterfernverkehr betreibt, diesen im Rahmen seines Unternehmens als bloßen Geschäftszweig (vgl. das von den Klägern zitierte Urteil des FG Karlsruhe vom 17. Februar 1959 I 225/58, EFG 1959, 255) betreibt oder aber als Teilbetrieb ausgestaltet hat, ist Tatfrage und allein für jedes einzelne Unternehmen anhand derjenigen Merkmale zu entscheiden, die für die Annahme eines Teilbetriebs bestimmend sind.

Nicht entscheidend ist es, ob die Kläger nach Abgabe der ihnen erteilten drei Güterfernverkehrsgenehmigungen gelegentlich noch Briefbogen verwendet haben, die auch den Güterfernverkehr noch als Gegenstand ihres Unternehmens auswiesen, und ob es einer Zwischen- oder Schlußbilanz zum 30. Juni 1967 bedurfte, um den Willen der Kläger zur Aufgabe des Güterfernverkehrs zeitnah zum Ausdruck zu bringen. Es genügt, daß es nach dem erkennbaren Vorbringen der Kläger vor dem FG in Ansehung des Gesamtunternehmens der Kläger hinsichtlich des Güterfernverkehrs an dessen tatsächlicher Ausgestaltung als Teilbetrieb fehlte.

Ein Teilbetrieb (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG) ist ein Teil des Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig und darüber hinaus auch mit einer gewissen Selbständigkeit im Rahmen des Gesamtunternehmens ausgestattet ist (BFH-Urteil vom 27. März 1969 IV R 113/68, BFHE 95, 387, BStBl II 1969, 464). Abgesehen von der Genehmigungspflichtigkeit und den besonderen Voraussetzungen des § 10 GüKG für die Erteilung der Genehmigung weist der Güterfernverkehr gegenüber dem Güternahverkehr keine so wesentlichen Besonderheiten auf, daß sie ihm - im Gegensatz zum Güternahverkehr - bereits aus sich heraus den Charakter eines Teilbetriebs geben müßten. Für die Annahme eines Teilbetriebs reicht es nicht aus, daß die veräußerten Wirtschaftsgüter (Fernlastzüge und Fernverkehrsgenehmigungen) in der Hand ihrer Erwerber eine ausreichende Grundlage für den Betrieb eines anderen Unternehmens bilden können (BFH-Urteil vom 23. November 1967 IV 83/63, BFHE 90, 435, BStBl II 1968, 123). Maßgebend ist vielmehr die Funktion, die sie im Rahmen des sie veräußernden Unternehmens ausübten. Deshalb erfordert das Merkmal jener gewissen Selbständigkeit, daß diese Wirtschaftsgüter in ihrer Zusammenfassung einer Betätigung dienten, die sich ihrer Natur nach von der übrigen gewerblichen Tätigkeit des Unternehmens deutlich unterscheidet (Urteil des RFH vom 27. Juli 1938 VI 70/38, RStBl 1938, 887).

Das trifft im vorliegenden Streitfalle nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs, 2 FGO), auf die hier veräußerten Wirtschaftsgüter nicht zu. Denn wenn auch Erlöse und Forderungen aus den beiden Verkehrsarten buch- und bilanzmäßig getrennt behandelt wurden, so reicht das nicht aus, um die beiden Verkehrsarten - statt als Geschäftszweige - als Teilbetriebe des Gesamtunternehmens zu charakterisieren. Hierzu hätte es einer strengen Trennung zwischen Güternah- und -fernverkehr hinsichtlich der Kostenrechnung (Absetzung für Abnutzung, Löhne, Kraftstoffe, Reparaturen) und des Einsatzes der Lastzüge bedurft. Bezüglich des Kreises der Auftraggeber sind Überschneidungen denkbar und die etwaige Abgrenzung der Kundenkreise unbehelflich. Für alles dies ist im Urteil des FG in tatsächlicher Hinsicht nichts festgestellt worden. Die Rüge fehlerhafter Feststellung oder Wiedergabe des Tatbestands ist innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht erhoben worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70850

BStBl II 1974, 357

BFHE 1974, 499

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