Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur betrieblichen Nutzung des Ehegatten-Grundstücks

 

Leitsatz (NV)

Hat ein Steuerpflichtiger Herstellungskosten für ein im Miteigentum stehendes Wirtschaftsgut getragen und darf er das Wirtschaftsgut für seine betrieblichen Zwecke unentgeltlich nutzen, so kann er diese Herstellungskosten als eigenen Aufwand durch Absetzungen für Abnutzung und erhöhte Absetzungen als Betriebsausgaben abziehen (Anschluß an Beschluß des BFH vom 30. Januar 1995 GrS 4/92, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281).

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3-4, § 7

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Arzt freiberuflich tätig; er ermittelt seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Jahre 1981 erwarben die Kläger ein Gebäude zu hälftigem Miteigentum, das in der Folge mit erheblichem Aufwand grundlegend renoviert wurde. Einen Teil des Hauses nutzten die Kläger als Familienwohnung; in weiteren Räumen unterhielt der Kläger eine Arztpraxis. Von den entstandenen Aufwendungen entfielen ... DM auf den Praxisbereich. Die Bauarbeiten wurden allein vom Kläger bezahlt; er trägt auch die Zinsen und Tilgungen für die aufgenommenen Darlehen. In den Darlehensverträgen hat sich die Klägerin allerdings als Gesamtschuldnerin mitverpflichtet.

In seiner Gewinnermittlung für die Jahre 1984 und 1985 hat der Kläger erhöhte Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 82 i der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) hinsichtlich der als nachträgliche Herstellungskosten gewerteten Aufwendungen für die Renovierung des Praxisteils in Höhe von jeweils 10 v. H. ( ... DM) geltend gemacht. In seinen Einkommensteuerfestsetzungen ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) jedoch davon aus, daß der Kläger die erhöhten Absetzungen nur hinsichtlich seines Hälfteanteils an den Praxisräumen in Anspruch nehmen könne; im übrigen handle es sich für ihn um Aufwendungen für ein Nutzungsrecht, die entsprechend § 7 Abs. 4 EStG jährlich nur mit 2,5 v. H. abgeschrieben werden könnten.

Nach Klageerhebung gewährte das Finanzgericht (FG) die begehrte Absetzung unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Februar 1988 VI R 141/85 (BFHE 152, 491, BStBl II 1988, 764) in voller Höhe, weil der Kläger die ihm für seinen Anteil am Gebäude zustehenden Absetzungen vorab bei den Einkünften aus freiem Beruf geltend machen könne.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

 

Entscheidungsgründe

Während des Revisionsverfahrens hat das FA die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der Kinderfreibeträge und des Grundfreibetrags für vorläufig erklärt; die Kläger haben die Änderungsbescheide zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Der erkennende Senat hat den Großen Senat des BFH angerufen. Auf den Vorlagebeschluß vom 9. Juli 1992 IV R 115/90 (BFHE 169, 56, BStBl II 1992, 948) und die Entscheidung des Großen Senats vom 30. Januar 1995 GrS 4/92 (BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281) wird verwiesen.

Die Revision des FA ist im Ergebnis unbegründet. Der Kläger kann die von ihm getragenen Baukosten für den Praxisteil in vollem Umfang im Wege von AfA geltend machen, allerdings aus anderen als den vom FG erwogenen Gründen.

1. Errichtet ein Ehegatte auf einem beiden Eheleuten gehörenden Grundstück mit eigenen Mitteln Baulichkeiten, die er in seinem Betrieb nutzen will, so wird auch der andere Ehegatte Miteigentümer der Baulichkeiten (§§ 946, 94 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --). Dem können unterschiedliche Absprachen zugrunde liegen. In Betracht kommen insbesondere folgende Möglichkeiten:

a) Dem durch den Erwerb des Miteigentums begünstigten Ehegatten können die erforderlichen Mittel zugewendet worden sein, so daß er sie selbst als Herstellungskosten aufwendet (BFH-Urteil vom 20. September 1990 IV R 300/84, BFHE 162, 86, BStBl II 1991, 82).

b) Die Mittel können ihm nach Art einer Mietvorauszahlung als Entgelt für die Nutzung seines Miteigentums am Grund und Boden gewährt worden sein; er wendet den Betrag als eigene Herstellungskosten auf, hat ihn aber als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern (vgl. BFH- Urteile vom 26. Juli 1983 VIII R 30/82, BFHE 139, 171, BStBl II 1983, 755; vom 20. Mai 1988 III R 151/86, BFHE 153, 566, BStBl II 1989, 269).

c) Der nutzende Ehegatte kann die Baulichkeiten im Hinblick auf ein vom Ehegatten unentgeltlich eingeräumtes Nutzungsrecht im eigenen Interesse und ohne Zuwendungsabsicht errichtet haben. Ihm stehen in diesem Falle Ersatzansprüche gegen den durch Erwerb des Miteigentums an den Baulichkeiten begünstigten Miteigentümer zu (§§ 951, 812 BGB). Im Hinblick hierauf kann er die entstandenen Aufwendungen nicht sogleich als Betriebsausgaben absetzen, sondern muß sie zusätzlich zu den auf seine eigene Beteiligung entfallenden Aufwendungen wie Herstellungskosten für ein materielles Wirtschaftsgut aktivieren (BFH-Urteile vom 13. Juli 1977 I R 217/75, BFHE 123, 32, BStBl II 1978, 6; vom 31. Oktober 1978 VIII R 146/75, BFHE 127, 501, BStBl II 1979, 507; vom 22. Januar 1980 VIII R 74/77, BFHE 129, 485, BStBl II 1980, 244). Der Große Senat hat diese Rechtsprechung nunmehr bestätigt (Beschluß in BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281).

Die Ersatzansprüche können bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses zur Geltung kommen (vgl. BFH-Urteile vom 11. Dezember 1987 III 188/81, BFHE 152, 125, BStBl II 1988, 493; vom 17. März 1989 III R 58/87, BFHE 157, 83, BStBl II 1990, 6).

Entsprechende Verhältnisse können für Ein- und Ausbauten eines Mieters gegeben sein, sofern die Baulichkeiten unter den Voraussetzungen des § 95 BGB nicht ausnahmsweise in das Eigentum des Mieters fallen (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1975 I R 32/73, BFHE 115, 238, BStBl II 1975, 443). Sie sind auch sonst gegeben, wenn Aufwendungen für Baumaßnahmen entsprechend der Bilanzierungsvorschrift in § 266 Abs. 2 A II 1. des Handelsgesetzbuches (HGB) als Bauten auf fremdem Grund und Boden aktiviert werden (vgl. BFHE 115, 238, BStBl II 1975, 443). Auf die Übereinstimmung mit diesen Rechtsfolgen bei einer Bebauung im ehelichen Nutzungsverhältnis ist in der Rechtsprechung hingewiesen worden (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1992 X R 15/91, BFH/NV 1993, 411, und BFH in BFHE 123, 32, BStBl II 1978, 6). Im Hinblick auf bestehende Ersatzansprüche wird auch wirtschaftliches Eigentum des Mieters an den Baulichkeiten für möglich gehalten (BFH- Urteil vom 28. Juli 1993 I R 88/92, BFHE 172, 333, BStBl II 1994, 164).

2. Der Senat hat bisher angenommen, daß im Streitfall die unter 1. a) erwähnte Gestaltung vorliegt, der Kläger also seiner Ehefrau die Hälfte der Mittel für die Baumaßnahmen vorab zugewendet habe und ihr durch die Verwendung der Mittel eigene Herstellungskosten entstanden seien. Dies entsprach dem Vortrag der Kläger, den auch das FG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hatte. Weil danach die Hälfte der Baulichkeiten und der Herstellungskosten der Ehefrau zuzurechnen waren, stellte sich die Frage, ob der Kläger hinsichtlich der von ihm genutzten Praxisräume auch die an sich seiner Ehefrau zustehende AfA in Anspruch nehmen konnte. Hinsichtlich dieser unterschiedlich beantworteten Frage hat der erkennende Senat den Großen Senat des BFH angerufen.

Der Große Senat ist demgegenüber von der unter 1. c) geschilderten Sachlage ausgegangen, hat also angenommen, daß die Klägerin ihrem Ehemann hinsichtlich ihres Miteigentums unentgeltlich ein Nutzungsrecht an den zu errichtenden Praxisräumen zugesichert habe und daß der Kläger die Räume in Ausübung dieses Nutzungsrechts und des eigenen Miteigentums errichtet habe. Wie sich aus § 11 Abs. 7 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ergibt, ist der erkennende Senat an diese Entscheidung nur hinsichtlich der rechtlichen Wertung, nicht aber hinsichtlich der abweichenden Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse gebunden. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung aber nunmehr an und geht wie der Große Senat davon aus, daß ein Ehegatte in der Situation des Klägers die von ihm aufgewendeten Mittel in der Regel nicht teilweise seiner Ehefrau zuwendet, sondern sie im eigenen Interesse für die Herrichtung der von ihm benutzten Räume verwendet und dabei auf ein ihm vom Ehegatten eingeräumtes Nutzungsrecht vertraut. Konkrete Vereinbarungen, die dieser Würdigung entgegenständen, haben die Kläger nicht angeführt.

3. Hieraus ist mit dem Großen Senat für den Streitfall zu folgern, daß der Kläger die erhöhten Absetzungen nach § 82 i EStDV für den gesamten Praxisteil in Anspruch nehmen kann. Nach der bisherigen Rechtsprechung hätten die erhöhten Absetzungen nur entsprechend dem Miteigentumsanteil des Klägers an den Praxisräumen gewährt werden können, während für die Aufwendungen auf das Nutzungsrecht nur eine Absetzung entsprechend der Nutzungsdauer der Baulichkeiten in Frage kommen sollte (BFH-Urteile vom 31. Oktober 1978 VIII R 182/75, BFHE 127, 163, BStBl II 1979, 399; in BFHE 127, 501, BStBl II 1979, 507).

Hiervon ist der Große Senat abgegangen; die Aufwendungen des Nutzungsberechtigten sind danach wie die Herstellungskosten des Gebäudes zu bewerten und abzuschreiben. Dies hat die Finanzverwaltung schon bisher angenommen (Schreiben des Bundesministers der Finanzen -- BMF -- vom 3. Mai 1985, BStBl I 1985, 188; R 42 Abs. 5 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien 1993), ohne dem allerdings im Streitfall Beachtung zu schenken. Auch die Rechtsprechung hat bei der Beanspruchung von Investitionszulagen schon in der Vergangenheit angenommen, daß die Aufwendungen auf das Nutzungsrecht wie Herstellungskosten auf das Gebäude zu behandeln und deshalb zulagefähig seien (BFH-Urteile vom 10. August 1984 III R 98/83, BFHE 142, 90, BStBl II 1984, 805; vom 29. September 1994 III R 80/92, BFHE 176, 93, BStBl II 1995, 72; s. auch BMF-Schreiben, a.a.O.).

Die danach insgesamt zu gewährenden erhöhten Absetzungen hat bereits das FG bei Berechnung der Einkommensteuer 1984 und 1985, wenn auch aus anderen Gründen, berücksichtigt. Der Senat konnte sich deswegen auf die Zurückweisung der Revision des FA beschränken.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65430

BFH/NV 1996, 306

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