Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Anrechnung von Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung auf die Bestattungskosten

 

Leitsatz (amtlich)

Zu der Frage, ob und in welchem Umfang Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung auf die als außergewöhnliche Belastung anzuerkennenden Aufwendungen für die Beerdigung eines nahen Angehörigen (Ehefrau) anzurechnen sind.

 

Orientierungssatz

Die Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung hängen mit den gemäß § 33 EStG zu berücksichtigenden Aufwendungen für die Beerdigung eines nahen Angehörigen zusammen. Die Leistungen sind allerdings nicht ausschließlich auf diejenigen Aufwendungen anzurechnen, die als eigentliche Bestattungskosten gemäß § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.

 

Normenkette

EStG § 33

 

Verfahrensgang

FG Münster (Entscheidung vom 25.06.1987; Aktenzeichen II 3019/84 L)

 

Tatbestand

Die Ehefrau des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger), der als Beamter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt, ist im Streitjahr 1983 vermögenslos verstorben. Für das Begräbnis (Sarg, Friedhofsgebühren, Grabplatte, Blumengebinde und Briefmarken) hat der Kläger insgesamt 5 825 DM aufgewendet, von denen sein Dienstherr 1 200 DM als beamtenrechtliche Beihilfeleistung erstattet hat.

Ausgelöst durch den Tod der Ehefrau erhielt der Kläger im Streitjahr Versicherungsleistungen aus insgesamt vier sog. "Sterbegeldversicherungen" in Höhe von zusammen 5 674,20 DM. In den Verträgen war die Ehefrau als Versicherungsnehmerin bezeichnet. Die als "Sterbegeld" bezeichneten Versicherungsleistungen waren nach ihrem Tod an den Kläger als Bezugsberechtigten auszubezahlen.

In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1983 begehrte der Kläger, die durch Beihilfeleistungen nicht erstatteten Begräbniskosten in Höhe von 4 625 DM (5 825 DM abzüglich 1 200 DM Beihilfeleistung) als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA-) versagte den Abzug mit der Begründung, der Kläger sei durch die Aufwendungen für das Begräbnis seiner Frau nicht belastet. Er müsse sich die erhaltenen Versicherungsleistungen auf die anläßlich der Beerdigung erwachsenen Aufwendungen anrechnen lassen.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren erhobenen Klage mit der Begründung statt, Leistungen aus Sterbegeldversicherungen brauche sich ein Steuerpflichtiger nicht als Ersatz auf die ihm entstandenen Begräbniskosten anrechnen zu lassen. Solche Leistungen seien ―im Gegensatz zu echten Ersatzleistungen― ihrer Höhe nach von den tatsächlich entstandenen Aufwendungen unabhängig. Zudem seien sie auch zur Abdeckung solcher im Zusammenhang mit einer Beerdigung entstehenden Kosten bestimmt, die ―wie beispielsweise das Traueressen― nicht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG zu berücksichtigen seien.

Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 24 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA einen Verstoß der Vorentscheidung gegen § 33 EStG.

Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs.1 EStG).

1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die Ausgaben eines Steuerpflichtigen für die Beerdigung eines nahen Angehörigen in der Regel als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG steuerlich zu berücksichtigen (vgl. Urteile vom 17.September 1987 III R 242/83, BFHE 151, 380, BStBl II 1988, 130; vom 11.Mai 1979 VI R 37/76, BFHE 128, 64, BStBl II 1979, 558, und vom 8.September 1961 VI 177/60 U, BFHE 74, 76, BStBl III 1962, 31). Voraussetzung ist allerdings, daß die Aufwendungen nicht aus dem Nachlaß bestritten werden können oder durch sonstige einem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem Tod des Angehörigen zugeflossene Geldleistungen gedeckt sind (vgl. BFH-Urteile vom 23.November 1967 IV R 143/67, BFHE 91, 149, BStBl II 1968, 259, und in BFHE 128, 64, BStBl II 1979, 558).

Das FG ist in diesem Zusammenhang zu Recht davon ausgegangen, daß die Leistungen aus den "Sterbegeldversicherungen" nicht in den Nachlaß der verstorbenen Ehefrau des Klägers gefallen sind (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs ―BGH― vom 8.Februar 1960 II ZR 136/58, BGHZ 32, 44, 47). Der Kläger ist nach den Versicherungsverträgen vorrangig bezugsberechtigt und hat als vertraglich begünstigter Dritter einen vom Erbgang unabhängigen Anspruch auf die Auszahlung der Versicherungsleistungen.

Im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanz handelt es sich bei den dem Kläger aus den Sterbegeldversicherungen zugeflossenen Geldbeträgen jedoch um Geldleistungen, welche die Aufwendungen des Klägers im Zusammenhang mit der Beerdigung mindern. Diese Auffassung beruht entscheidend auf der Überlegung, daß die Auszahlung einer auf den Todesfall abgeschlossenen Versicherung in einem inneren Zusammenhang mit den Beerdigungskosten steht. Beide Ereignisse werden durch den Tod des Versicherungsnehmers ausgelöst; die Versicherung wurde ―worauf schon die Bezeichnung "Sterbegeld" hinweist― gerade auch im Hinblick darauf abgeschlossen, eine Begleichung der Beerdigungskosten sicherzustellen.

Die Annahme eines die Höhe der außergewöhnlichen Belastung mindernden Geldzugangs hängt ―im Gegensatz zur Ansicht des FG― nicht entscheidend davon ab, ob Geldbeträge einem Steuerpflichtigen unabhängig von den tatsächlich erwachsenen Aufwendungen zufließen. Die Leistungen einer Sterbegeldversicherung werden zwar ―wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat― auch dann erbracht, wenn die Kosten der Beerdigung von einem Dritten, beispielsweise aufgrund deliktischer Ansprüche wegen eines von dem Dritten verschuldeten tödlichen Unfalls, übernommen werden. Dies ändert nach Ansicht des erkennenden Senats jedoch nichts daran, daß die Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung mit den gemäß § 33 EStG zu berücksichtigenden Beerdigungsaufwendungen wirtschaftlich zusammenhängen.

Diese Ansicht des Senats wird vom Schrifttum ―soweit ersichtlich― einhellig geteilt (vgl. Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 33 Anm.C 40; Blümich/Oepen, Einkommensteuergesetz, § 33 Anm.150 ―Todesfall―; Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Einkommensteuergesetz, § 33 Anm.78 ―Beerdigung―; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 9.Aufl., § 33 Anm.8 ―Beerdigung―; Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 Rdnr.21 ―Beerdigungskosten―; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: Begräbniskosten; im Ergebnis Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 33 EStG, Lieferung 147, Anm.144).

2. Der erkennende Senat ist allerdings der Ansicht, daß die Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung nicht ausschließlich auf diejenigen Aufwendungen anzurechnen sind, die als eigentliche Bestattungskosten gemäß § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.

Nach ständiger Rechtsprechung erwachsen einem nahen Angehörigen nur solche Bestattungskosten zwangsläufig i.S. des § 33 Abs.2 EStG, die unmittelbar mit der eigentlichen Beerdigung zusammenhängen (vgl. BFHE 151, 380, BStBl II 1988, 130; BFHE 128, 64, BStBl II 1979, 558). Zwar ist im Hinblick auf den höchstpersönlichen Charakter, den die Ausgestaltung von Trauerfeierlichkeiten hat, bei der Beurteilung, welche Bestattungskosten i.S. des § 33 Abs.2 EStG notwendig und angemessen sind, eine großzügige Beurteilung geboten (vgl. BFHE 151, 380, BStBl II 1988, 130). Gleichwohl werden gewisse nur mittelbar mit der eigentlichen Bestattung zusammenhängende Kosten, wie beispielsweise die Aufwendungen für Traueressen, Trauerkleidung, aufwendige Grabstätte, Grabmal etc., mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG anerkannt. Andererseits ist jedoch davon auszugehen, daß ein Versicherungsnehmer mit dem Abschluß einer Sterbegeldversicherung Vorsorge treffen will für die Abdeckung sämtlicher Aufwendungen, die mit der Beerdigung zusammenhängen. Dementsprechend sollen die Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung nicht nur dazu dienen, die eigentlichen Bestattungskosten (im engeren Sinne) zu begleichen, sondern sämtliche Kosten, die bei der Beerdigung anfallen.

3. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall sind die vom Kläger als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen für die Beerdigung im engeren Sinne nur insoweit um die Leistungen aus den Sterbegeldversicherungen zu kürzen, als diese anteilig auf die eigentlichen Bestattungskosten entfallen. Soweit die Versicherungsleistungen der Begleichung von gemäß § 33 EStG nicht berücksichtigungsfähigen Beerdigungskosten (im weiteren Sinne) dienen, greift die Vorteilsanrechnung nicht ein.

4. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da sie auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht. Da die Sache nicht spruchreif ist, ist sie an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Dieses wird nunmehr festzustellen haben, in welcher Höhe dem Kläger durch die Beerdigung seiner Ehefrau weitere, nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigende Aufwendungen entstanden sind. Die Versicherungsleistungen in Höhe von 5 674,20 DM sind sodann auf die gemäß § 33 EStG anzuerkennenden Kosten (4 625 DM) und diese zusätzlichen Kosten anteilig aufzuteilen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63270

BFH/NV 1991, 15

BStBl II 1991, 140

BFHE 162, 326

BFHE 1991, 326

BB 1991, 269 (L)

DB 1991, 528-529 (LT)

DStR 1991, 273 (KT)

DStZ 1991, 185 (KT)

HFR 1991, 212 (LT)

StE 1991, 50 (K)

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