Leitsatz (amtlich)

Landwirtschaftliche Liebhaberei liegt vor, wenn nicht damit zu rechnen ist, daß auf längere Sicht nachhaltig Überschüsse erwirtschaftet werden. Bei der Berechnung des Überschusses bleiben bloße Buchverluste, die sich z. B. durch Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen und Bewertungsfreiheiten ergeben, außer Ansatz.

 

Normenkette

EStG 1959 ff. § 2 Abs. 2 S. 1; EStG 1959 ff. § 2 Abs. 3; EStG 1959 ff. § 12 Nr. 1; EStG 1959 ff. § 13 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist bei den Einkommensteuerveranlagungen 1959 bis 1962, ob Verluste aus Landwirtschaft zu berücksichtigen sind oder ob eine Liebhaberei vorliegt (§ 2 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, § 12 Nr. 1, § 13 Abs. 1 EStG).

Die Revisionskläger sind Eheleute. Der Ehemann (Steuerpflichtiger), ein Kaufmann, erwarb im Jahre 1955 ein Anwesen von rd. 21 ha für 70 000 DM. Es bestand aus einem Wohnhaus, Bäckerei mit Mühle, Müllerland und Wiesen. Auf behördliche Anordnung stellte er im folgenden Jahr die Bäckerei mit Müllerei ein. Wiederum auf behördliche Veranlassung begann er im Herbst 1959, die Grundstücke landwirtschaftlich zu nutzen, nachdem er in der Zwischenzeit nur noch neben seinem sehr gut gehenden kaufmännischen Unternehmen in der benachbarten Großstadt auf dem Anwesen einen Futtermittelhandel und Landwirtschaft nur in geringem Umfange betrieben hatte.

Der Steuerpflichtige machte bei den Einkommensteuerveranlagungen für 1959 zunächst einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 25 863 DM, für die Folgejahre Verluste aus Landwirtschaft geltend, und zwar für 1960 48 238 DM, für 1961 19 092 DM und für 1962 16 603 DM. Für die nächsten Jahre erklärte er geringere Verluste, für das Wirtschaftsjahr 1966/67 einen Gewinn von 1 118 DM.

Das FA nahm für 1959 das Vorliegen einer Landwirtschaft an. Es wandte die VOL an. Aufgrund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung, die im Herbst 1960 stattfand, vertrat das FA für die Zeit ab 1960 die Auffassung, daß es sich nicht um einen landwirtschaftlichen Betrieb, sondern um eine Liebhaberei handele.

Das FG wies die als Klage behandelte Berufung ab. Es führte zunächst aus, für den Veranlagungszeitraum 1959 könne nicht anerkannt werden, daß durch nachträgliche Betriebsausgaben im Zusammenhang mit dem bis zum Jahre 1958 ausgeübten Gewerbebetrieb Verluste entstanden seien. Die geltend gemachten Ausgaben hätten sich auf den verbliebenen landwirtschaftlichen Bereich bezogen. Der Steuerpflichtige habe in den Jahren 1959 bis 1962 keine berücksichtigungsfähigen Verluste aus Landwirtschaft gehabt, da Liebhaberei vorliege. In der Zeit vom 1. Januar bis 31. August 1959 habe es an jeglicher Betätigung des Steuerpflichtigen gefehlt. Für die Zeit ab September 1959 habe der Steuerpflichtige die Landwirtschaft als Liebhaberei betrieben. Dafür spreche zunächst die Art der Bewirtschaftung des Anwesens, die sich zunächst im wesentlichen auf Viehhaltung beschränkt habe. Die beiden von dem FG gehörten Sachverständigen seien davon ausgegangen, daß ohne Vergrößerung der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Betrieb nicht habe rentabler gestaltet werden können. Erst im Jahre 1962 habe der Steuerpflichtige Nutzflächen hinzugepachtet. Nach den Ausführungen eines der Sachverständigen habe der Steuerpflichtige mit einer Anlaufzeit von fünf Jahren rechnen müssen, vorausgesetzt, daß zu Beginn bereits ein Kapitaleinsatz von mindestens 140 000 DM geleistet worden wäre. Der Steuerpflichtige habe jedoch in den Streitjahren nicht annähernd die betriebswirtschaftlich notwendigen Investitionen durchgeführt. Daher habe der Betrieb in den Streitjahren keinen Gewinn abwerfen können. Ob der Betrieb in Zukunft mit Gewinn arbeiten könne, brauche nicht geprüft zu werden. Die von den Sachverständigen angegebenen Voraussetzungen rentabler Bewirtschaftung seien jedenfalls in den Streitjahren nicht gegeben gewesen. Daraus, daß der Steuerpflichtige auch nach der Anlaufzeit keinen Gewinn habe erwirtschaften können, müsse gefolgert werden, daß er nicht ernsthaft Landwirtschaft mit Gewinnerzielungsabsicht habe betreiben wollen. Das entscheidende Motiv des Steuerpflichtigen liege in der Befriedigung privater Bedürfnisse. Der Steuerpflichtige sei passionierter Landwirt. Es sei ihm offenbar im Hinblick auf den möglichen Nutzen nicht lohnend erschienen, das erforderliche Kapital zu investieren. Der Steuerpflichtige habe als erfolgreicher Kaufmann über die wirtschaftlichen Kenntnisse verfügt, um die Notwendigkeit der erforderlichen Investitionen zu erkennen.

Mit ihrer Revision beantragen die Steuerpflichtigen, die Vorentscheidung aufzuheben und für 1959 einen Verlust aus Gewerbebetrieb von 9 406 DM und aus Land- und Forstwirtschaft von 15 052 DM sowie für die Jahre 1960 bis 1962 Verluste aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 37 918 DM, 23 638 DM und 21 512 DM anzuerkennen. Hilfsweise beantragen sie, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

In der Sache selbst rügen sie unrichtige Rechtsanwendung. Das FG hätte seine Würdigung nicht auf die Streitjahre beschränken dürfen, sondern es hätte die Gesamtentwicklung des Betriebes berücksichtigen müssen. In den Streitjahren habe sich der Betrieb erst im Aufbaustadium befunden. Beide Sachverständigen hätten bestätigt, daß der Hof ordnungsgemäß bewirtschaftet worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Der für die Zeit vom 1. Januar bis 31. August 1959 geltend gemachte Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 9 406 DM kann nicht anerkannt werden. Wie das FG ohne Rechtsfehler feststellte, war ein Gewerbebetrieb im Jahre 1959 nicht mehr vorhanden. Die Ausgaben für Futtermittel usw. standen in Zusammenhang mit der noch übergangsweise betriebenen Tierhaltung. Diese ist der Landwirtschaft zuzurechnen (§ 13 Abs. 1 EStG). Da der Steuerpflichtige für die Zeit bis 31. August 1959 keine landwirtschaftliche Buchführung besaß, waren seine Einkünfte aus Landwirtschaft nach der VOL zu ermitteln (§ 1 VOL in Verbindung mit § 161 Abs. 1 Nr. 1 AO; vgl. BFH-Urteil IV 174/58 vom 30. Mai 1961, HFR 1962, 101). Die VOL blieb nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 12 GDL bis einschließlich der Wirtschaftsjahre 1965/66, also auch für das Streitjahr, maßgebend (vgl. dazu - für das Jahr 1961 - BFH-Urteil IV R 193/68 vom 20. Februar 1969, BFH 95, 384, BStBl II 1969, 434). Der sich danach ergebende Verlust belief sich auf weniger als 1 000 DM und war deshalb nicht ausgleichsfähig (§ 13 Abs. 3 Satz 3 EStG 1958).

Die Vorentscheidung kann jedoch nicht bestätigt werden, soweit sie die für die Wirtschaftsjahre vom 1. September 1959 geltend gemachten Verluste aus Landwirtschaft nicht anerkannte. Denn die vom FG getroffenen Feststellungen lassen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob es sich um eine ernsthaft betriebene Landwirtschaft oder um Liebhaberei handelte.

Der Betrieb einer Landwirtschaft im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 1 EStG ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige ernstlich nicht nur mit einem Ausgleich von Aufwendungen und Erträgen (Ausgaben und Einnahmen), sondern auch mit einem - wenn auch nur bescheidenen - Überschuß (Gewinn) rechnen darf (vgl. BFH-Urteil IV R 36/68 vom 23. Januar 1969, BFH 95, 97, BStBl II 1969, 340 sowie die dort angeführten weiteren Entscheidungen). Ist dies der Fall, so müssen Verluste wie Gewinne einkommensteuerrechtlich berücksichtigt werden.

Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, beurteilt sich nach den objektiven Verhältnissen (vgl. Urteil des erkennenden Senats IV 69/63 vom 27. Juni 1968, BFH 93, 274, BStBl II 1968, 815). Nur in besonders gelagerten Grenzfällen kann der subjektiven Auffassung des Steuerpflichtigen eine gewisse Bedeutung zukommen (vgl. BFH-Urteil IV 221/53 U vom 6. Mai 1954, BFH 58, 745, BStBl III 1954, 197). Das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebs im Gegensatz zu bloßer Liebhaberei ist im allgemeinen zu bejahen, wenn der Betrieb nach der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen überhaupt nachhaltig mit Gewinn arbeiten kann und wenn der Steuerpflichtige außerdem den Betrieb nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen führt.

Die Vorinstanz ging von der Feststellung aus, daß der Steuerpflichtige nicht alsbald die hohen Investitionen vorgenommen habe, die nach Auffassung des Sachverständigen erforderlich gewesen wären, wenn der Betrieb schon nach wenigen Jahren Überschüsse hätte abwerfen sollen. Der Fehler in ihrer Würdigung besteht darin, daß die Vorinstanz sich darauf beschränkte, für die Streitjahre das Vorliegen einer Gewinnerzielungsmöglichkeit zu verneinen, weil sich wegen der unzureichenden Investitionen die Aufbauphase des Betriebes verlängert habe und der Betrieb jedenfalls in den Streitjahren nicht in die Gewinnzone habe eintreten können. Die Vorinstanz prüfte aber nicht, ob es sich bei dem Anwesen um einen Betrieb handelte, der geeignet war, nach einer den Umständen des Falles angemessenen Aufbau-Anlaufzeit nachhaltig mit Überschuß zu arbeiten. Dabei kann nicht gefordert werden, daß der Überschuß eine Größenordnung aufweist, die es dem Steuerpflichtigen erlaubt, neben der Beschäftigung eines Verwalterehepaares und sonstiger Hilfskräfte aus dem Ertrage auch seine volle eigene wirtschaftliche Existenz zu bestreiten. Es ist vielmehr ausreichend, wenn auf die Dauer gesehen überhaupt ein Überschuß erzielbar ist und vom Steuerpflichtigen angestrebt wurde. Dabei ist von einem wirtschaftlichen Begriff des "Überschusses" auszugehen, d. h. Gewinnminderungen, die lediglich auf der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen beruhen, und ähnliche bloße Buchverluste bleiben bei der hier anzustellenden Berechnung außer Betracht.

Das FG hat deshalb bei seiner erneuten Prüfung festzustellen, ob im Hinblick auf die verlängerte Aufbauzeit in den Streitjahren ernstlich damit zu rechnen war, daß der Steuerpflichtige später nachhaltig in die Gewinnzone gelangen werde. Wenn dies der Fall war, so kann das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes nicht verneint werden. Der Umstand, daß der Steuerpflichtige die auf die Dauer gesehen notwendigen Investitionen nicht gleich zu Anfang vornahm, sondern auf einen längeren Zeitraum verteilte, soll dabei nicht entscheidend zu seinen Ungunsten verwendet werden, weil die Zurückhaltung bei erheblichen Investitionen solange wirtschaftlich verständlich ist, als ihre steuerlichen Auswirkungen ungewiß sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68955

BStBl II 1970, 377

BFHE 1970, 247

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