Entscheidungsstichwort (Thema)

Einlage eines Grundstücks (gewillkürtes Betriebsvermögen); Entnahme durch Nutzungsänderung

 

Leitsatz (NV)

1. Die buchmäßige / bilanzielle Behandlung eines Wirtschaftsguts in der Bilanz belegt in der Regel den eindeutigen Willen des Steuerpflichtigen, das betreffende Wirtschaftsgut seinem Betriebsvermögen zuzuordnen.

2. Zu den Anforderungen an eine Entnahmehandlung.

3. Zu Voraussetzungen, Zeitpunkt und Umfang der Entnahme eines zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücksteils, wenn der Steuerpflichtige an ein betrieblich genutztes Gebäude ein eigengenutztes Wohnhaus anbaut.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1 Sätze 1-2; EStR 1978 Abschn. 14 Abs. 4

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt ein Busunternehmen und ermittelt seinen Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Mai 1973 erwarb er ein 5 568 qm großes unbebautes Grundstück. In seinen Bilanzen bilanzierte er ab dem Stichtag 31. Dezember 1973 das gesamte Grundstück als Anlagevermögen. In der Bilanz zum 31. Dezember 1977 wies er als Anlagevermögen u. a. aus:

Grund und Boden 23 676,80 DM

Büroanbau (im folgenden: Anbau I) 16 654,00 DM

Teilherstellungskosten Anbau (im folgenden: Anbau II) 37 007,49 DM

Omnibushalle 47 704,00 DM

Heizungsanlage 6 244,00 DM.

In der am 28. November 1979 aufgestellten Bilanz zum 31. Dezember 1978 war der Grund und Boden nur noch mit einem Betrag von 5 953 DM angesetzt; Herstellungskosten für den Anbau II wurden nicht mehr ausgewiesen.

Im Jahre 1975 hatte der Kläger damit begonnen, an die Omnibushalle einen Büroanbau (Anbau I) zu errichten. Ab dem Jahre 1976 baute der Kläger an den Anbau I mittels Wanddurchbruchs einen weiteren Anbau II an. Er nutzt beide Anbauten seit dem 31. Januar 1978 als Einfamilienhaus.

Im Anschluß an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Standpunkt, der Kläger habe die Anbauten I und II mit Wirkung vom 31. Januar 1978 entnommen. In dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid rechnete das FA dem Kläger einen Entnahmegewinn in Höhe von 81 615 DM zu.

Mit der hiergegen gerichteten Klage trug der Kläger vor: Eine Teilfläche von 4 084 qm, jedenfalls aber von 2 004 qm sei notwendiges Privatvermögen geworden. Insoweit sei das Grundstück irrtümlich als Betriebsvermögen ausgewiesen worden. Die Teilfläche von 4 084 qm, mindestens aber von 2 004 qm, sei spätestens in den Jahren 1975 bis 1977 - aufgrund der verlautbarten und ins Werk gesetzten Absicht, ein Wohngebäude zu errichten, und durch gärtnerische Nutzung - entnommen worden. Entnahmezeitpunkt sei nicht erst der Tag seines Einzugs in den Anbau II. Das FA habe den Entnahmewert rechtsfehlerhaft ermittelt.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage überwiegend stattgegeben. Der Kläger habe im Streitjahr 1978 nicht das Grundstück, sondern lediglich Nutzungen entnommen. Zwar sei das gesamte Grundstück in den Vermögensvergleich einzubeziehen. Der Kläger habe das gesamte Grundstück - zum Teil als Vorratsgelände - bilanzieren dürfen. Durch die Handhabung in den Bilanzen für die Jahre ab 1973 habe er zumindest in Kauf genommen, daß die gesamte Grundstücksfläche dem betrieblichen Bereich zuzuordnen sei. Bis einschließlich 1978 sei ein Grundstücksteil auch nicht dadurch entnommen worden, daß er die Anbauten I und II für eigene Wohnzwecke genutzt habe. Nach den in Abschn. 14 Abs. 5 der Einkommensteuer-Richtlinien 1969 (EStR 1969, Abschn. 14 Abs. 4 EStR 1978) enthaltenen Verwaltungsvorschriften, die das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. Oktober 1980 IV R 42/79 (BFHE 131, 497, BStBl II 1981, 63) als gesetzeskonform gebilligt habe, sei es zulässig, privat genutzte Teile eines im übrigen zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücks ebenfalls zum Betriebsvermögen zu rechnen, wenn das bebaute oder unbebaute Grundstück zu mehr als der Hälfte die Voraussetzungen für die Behandlung als Betriebsvermögen erfülle. Die Voraussetzungen hierfür seien im Streitfall erfüllt. Bis einschließlich 1978 könne eine eindeutige Entnahmehandlung nicht festgestellt werden. Eine Entnahme anläßlich der Erstellung der Bilanz für das Streitjahr habe keine steuerrechtliche Rückwirkung. Der Kläger habe aber den Wert der Nutzungen entnommen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Eine objektiv erkennbare Nutzungsänderung sei auch ohne eine Entnahmebuchung eine eindeutige Entnahmehandlung. Beide Anbauten bildeten eine Einheit und seien daher - einschließlich des anteiligen Grund und Bodens - Gegenstand der Entnahme gewesen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Ob ein Gegenstand durch eindeutige Einlagehandlung zu einem Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens geworden ist, ist im wesentlichen Tatfrage (vgl. BFH-Urteil vom 7. März 1985 IV R 98/82, BFH /NV 1985, 29). Das FG ist in Anbetracht der bilanziellen Behandlung in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, daß das gesamte Grundstück ab seinem Erwerb im Mai 1973 zumindest bis Januar 1978 dem Betriebsvermögen des Klägers zuzuordnen war.

a) Soweit die Teilflächen nicht unmittelbar betrieblichen Zwecken dienten, konnten sie - insbesondere als Vorratsgelände - gewillkürtes Betriebsvermögen sein. Diese Teilflächen standen in räumlichem Zusammenhang mit dem betrieblich genutzten Grundstücksteil; eine spätere unmittelbare betriebliche Nutzung konnte als eine von mehreren Verwendungsmöglichkeiten konkret in Betracht kommen (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 1981 IV R 39/78, BFHE 133, 513, BStBl II 1981, 731). Die Behauptung des Klägers, er habe ausweislich der beim FA geführten Grunderwerbsteuervorgänge das Grundstück mit Wohngebäuden bebauen wollen, steht der auf tatsächlichem Gebiet liegenden Feststellung des FG nicht entgegen, daß eine unmittelbare betriebliche Nutzung des unbebauten Grundstücks konkret als eine von mehreren Verwendungsmöglichkeiten in Betracht kam (vgl. Urteil in BFHE 133, 513, 515, BStBl II 1981, 731). Der für einen Ausweis als gewillkürtes Betriebsvermögen notwendige objektive Zusammenhang kann auch dann bejaht werden, wenn die endgültige Verwendung im Zeitpunkt des Erwerbs noch offen ist (BFH-Urteil vom 8. Juli 1987 VIII R 213/84, BFH / NV 1989, 289, m. w. N.).

b) Die buchmäßige / bilanzielle Behandlung - Einbuchung / Ausweis in der Bilanz - belegt in der Regel den eindeutigen Willen des Steuerpflichtigen, das betreffende Wirtschaftsgut seinem Betriebsvermögen zuzuordnen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1983 I R 76/79, BFHE 140, 182, BStBl II 1984, 294, m. w. N.). Dies gilt vor allem dann, wenn wie hier die mit dem Grundstück verbundenen Kosten als betrieblicher Aufwand behandelt werden. Es kann sich allerdings aus anderen Umständen ergeben, daß ein Wirtschaftsgut nicht als Betriebsvermögen behandelt werden soll. Dafür, daß ein solcher Ausnahmefall vorliegen könnte, hat der Kläger nichts vorgetragen. Der Fall, daß ein Steuerpflichtiger ein vom Betriebsprüfer irrtümlich in die Prüferbilanz aufgenommenes Grundstück in den folgenden Jahren weiterhin buchmäßig erfaßt (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juli 1969 I R 143/66, BFHE 96, 302, BStBl II 1969, 617), liegt hier nicht vor. Die buchmäßige / bilanzielle Behandlung könnte allenfalls dann keine indizierende Bedeutung haben, wenn weder der Grundstückseigentümer noch eine von ihm bevollmächtigte Person von der buchmäßigen / bilanziellen Behandlung Kenntnis hatte (vgl. Urteil in BFHE 133, 513, BStBl II 1981, 731). Auch ein solcher Sachverhalt ist nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht gegeben. Bei einem Widerspruch zwischen dem äußerlich erkennbaren Verhalten und einem wirklichen oder behaupteten inneren Willen muß sich der Steuerpflichtige an dem objektiven Erklärungswert der Bilanz festhalten lassen. Ein bloßer Gesinnungswandel hinsichtlich der Verwendung des Grundstücks führt noch nicht zur Entnahme; hierzu bedarf es einer nach außen hin erkennbaren Entnahmehandlung.

2. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des FG ist seine Annahme, der Kläger habe im Januar 1978 keine Grundstücksteilfläche einschließlich der aufstehenden Gebäude entnommen, noch nicht gerechtfertigt.

a) Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens werden in erster Linie durch eine ausdrückliche Entnahmehandlung, aber auch durch schlüssige Handlungen oder durch einen entsprechenden Rechtsvorgang entnommen. Eine ausdrückliche, auf die Zuordnung des Wirtschaftsguts zum Privatvermögen gerichtete Entnahmehandlung des Steuerpflichtigen muß auf einer Willensentscheidung beruhen, die dann wirksam wird, wenn sie äußerlich erkennbar und damit in objektiv nachprüfbarer Weise dokumentiert ist (BFH-Urteil vom 31. Januar 1985 IV R 130/82, BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395).

b) Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß eine erst im Rahmen des Jahresabschlusses und der Aufstellung der (Steuer-) Bilanz vorgenommene Entnahmehandlung nicht mit steuerrechtlicher Wirkung auf das abgeschlossene Streitjahr zurückbezogen werden kann (vgl. BFH-Urteile in BFHE 133, 513, BStBl II 1981, 731; vom 24. November 1982 I R 51/82, BFHE 137, 317, BStBl II 1983, 365).

c) Nicht rechtsfehlerfrei ist hingegen die Auffassung des FG, die für eigene Wohnzwecke genutzten Anbauten hätten nach Abschn. 14 Abs. 5 EStR 1975 / Abschn. 14 Abs. 4 EStR 1978 ff. als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden dürfen.

Ein solches Wahlrecht, das durch die Aufnahme des bebauten Grundstücks in die Bilanz ausgeübt wird, bestand nur unter der Voraussetzung, daß Omnibushalle und Anbauten ein einheitliches Wirtschaftsgut waren. Getrennt auf einem Grundstück stehende Gebäude sind jeweils für sich gesonderte Wirtschaftsgüter (BFH-Urteil vom 28. Juni 1983 VIII R 179/79, BFHE 139, 509, BStBl II 1984, 196 m. w. N.; Plückebaum in Kirchhof /Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 4 Rdnr. B 400). Hat ein Anbau eigene Außenwände, einen eigenen Eingang, ruht er auf eigenen Fundamenten und kommt den baulichen Verbindungen zwischen den Gebäuden eine untergeordnete Bedeutung zu, ist grundsätzlich - mangels Verschachtelung mit dem Altbau - ein selbständiges Wirtschaftsgut gegeben. Hierbei ist unerheblich, daß eine Neubauwand im Ausmaß des baulich anschließenden Altbaues ausgespart ist. Fehlt es hiernach an einer baulichen Verschachtelung beider Gebäude, können ein einheitliches Energieversorgungs- und Heizungssystem sowie die Größen- und Wertverhältnisse nicht mehr zur Annahme eines einheitlichen Gebäudes führen (vgl. die zur Selbstverbrauchsteuer nach § 30 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1967 ergangene Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteile vom 21. Juli 1977 V R 58/75, BFHE 123, 527, BStBl II 1978, 78; vom 15. September 1977 V R 14/76, BFHE 123, 531, BStBl II 1978, 123; zuletzt BFH-Urteil vom 18. Februar 1987 X R 43/82, BFH / NV 1987, 405 m. w. N.).

Waren die Anbauten - jeweils für sich oder als bauliche Einheit - selbständige Wirtschaftsgüter, lagen die Voraussetzungen für die Ausübung des Wahlrechts nicht vor. Das FG ist offenbar davon ausgegangen, daß Omnibushalle und Anbauten ein einheitliches Wirtschaftsgut sind. Die Gründe, die für diese Annahme maßgebend waren, hat es nicht dargelegt. Hierin liegt ein materiell-rechtlicher Fehler, den das Revisionsgericht auch ohne diesbezügliche Rüge beachten muß.

3. Hiernach war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache geht zurück an das FG. Dieses wird bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung zunächst prüfen, ob der Kläger die Anbauten auch nach Januar 1978 als gewillkürtes Betriebsvermögen behandeln durfte. War dies der Fall, stellt die Nutzungsänderung als solche keine Entnahmebehandlung dar.

Wurden die Anbauten durch die Nutzungsänderung notwendiges Privatvermögen, war die Entnahme in dem Zeitpunkt verwirklicht, in dem die Entnahmehandlung als solche äußerlich erkennbar wurde. ,,Erkennbarkeit" im vorgenannten Sinne muß insbesondere im Verhältnis zu den am Steuerrechtsverhältnis Beteiligten bestehen; Willensbekundungen des Steuerpflichtigen z. B. gegenüber seinem Architekten oder gegenüber dem Bauamt reichen daher nicht aus. Nach der Rechtsprechung des BFH kann ,,die Bebauung" eines zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücks mit einem Privathaus eine schlüssige Entnahmehandlung darstellen (z. B. Urteile vom 11. Oktober 1979 IV R 125/76, BFHE 129, 40, BStBl II 1980, 40; in BFHE 137, 317, BStBl II 1983, 365; vom 30. Juni 1987 VIII R 353/82, BFHE 151, 360, BStBl II 1988, 418). In diesem Falle ist zu prüfen, zu welchem Zeitpunkt die Entnahme stattgefunden hat: Bereits das unbebaute Grundstück kann entnommen werden; spätester Zeitpunkt ist der tatsächliche Beginn der Eigennutzung zu Wohnzwecken (vgl. auch Schmidt / Heinicke, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl., § 4 Rdnr. 59 Stichwort: ,,Bebauung"). Dieser Zeitpunkt ist nach Auffassung des Senats jedenfalls dann maßgebend, wenn der Steuerpflichtige die Entnahme des Grundstücks und (ggf.) des Gebäudes nicht bereits zuvor buchmäßig dokumentiert hat.

4. Hat der Kläger Anbau I und / oder Anbau II im Streitjahr entnommen, ist auch die mit dem Wohnhaus bebaute Grundfläche - aufgeteilt nach privater / betrieblicher Nutzung - als entnommen anzusehen (vgl. Urteil in BFHE 151, 360, BStBl II 1988, 418, unter 4.). Ob und inwieweit darüber hinaus zum Einfamilienhaus gehörende Zubehörflächen eindeutig von der Nutzungsänderung umfaßt waren, hängt von den tatsächlichen Gegebenheiten ab. Die Flächenverhältnisse, die sich aus § 4 des Schleswig-Holsteinischen Grunderwerbsteuerbefreiungsgesetzes vom 16. September 1974 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein 1974, 353, BStBl I 1974, 941) ergeben, sind lediglich maßgebend für die Steuerfreiheit von zur bebauten Grundfläche gehörigem Hofraum und Hausgarten; diese im Hinblick auf den grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungszweck großzügige Verhältniszahl ist als Maßstab für die Bezifferung einer - steuerbegründenden - Entnahme nicht geeignet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62491

BFH/NV 1990, 424

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