Leitsatz (amtlich)

1. Ein Ergebnisabführungsvertrag zwischen zwei Kapitalgesellschaften kann steuerrechtlich nur anerkannt werden, wenn ein Organschaftsverhältnis besteht. Für die Zeit, für die die Voraussetzungen der Organschaft nicht vorliegen, kann der Ergebnisabführungsvertrag nicht beachtet werden.

2. Eine vertraglich vereinbarte Rückwirkung der Übertragung von Anteilen des Organs auf den Organträger wird steuerrechtlich nicht anerkannt.

 

Normenkette

KStG §§ 5, 6 Abs. 1

 

Tatbestand

Am Stammkapital der Revisionsklägerin (Steuerpflichtigen), einer GmbH, war der Kaufmann B mit 10 000 DM beteiligt. Er war zur Vertretung der Steuerpflichtigen berechtigt und gleichzeitig alleiniger Geschäftsführer der A-GmbH. Am 19. Dezember 1963 erwarb er die gesamten Anteile an der A-GmbH.

Die Steuerpflichtige und die A-GmbH schlossen am 29. November 1963 einen Gewinnabführungsvertrag, in dem sich die Steuerpflichtige unter anderem verpflichtete, Verluste der A-GmbH zu übernehmen.

Am 30. Dezember 1964 erwarb die Steuerpflichtige 55 v. H. der Geschäftsanteile an der A-GmbH (11 000 DM). Der Rechtsübergang wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1964 an vereinbart.

Die Steuerpflichtige erklärte in ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr 1964 einen Verlust von 624,38 DM. Bei der Ermittlung dieses Verlustes hatte sie einen Anteil am Verlust der A-GmbH in Höhe von 31 580 DM als Aufwand in die Erfolgsrechnung aufgenommen.

Der Revisionsbeklagte (FA) erkannte den Ergebnisabführungsvertrag steuerlich nicht an. Er vertrat die Auffassung, ein Ergebnisabführungsvertrag sei steuerlich nur von Bedeutung, wenn ein Organschaftsverhältnis bestehe. Ein Organschaftsverhältnis aber sei zwischen der Steuerpflichtigen und der A-GmbH erst zum 30. Dezember 1964 begründet worden. Erst von diesem Zeitpunkt an sei die A-GmbH der Steuerpflichtigen finanziell eingegliedert worden. Der Veranlagung zur Körperschaftsteuer legte es einen Gewinn von 30 955 DM zugrunde, den es aus dem erklärten Verlust von 624,38 DM zuzüglich der nicht anerkannten Verlustübernahme in Höhe von 31 580 DM ermittelte.

Im Einspruchsbescheid erkannte das FA ein Organschaftsverhältnis für den 30. und 31. Dezember 1964 an und ermäßigte den Gewinn der Steuerpflichtigen um den für diesen Zeitraum geschätzten Verlust in Höhe von 300 DM.

Mit der Klage trug die Steuerpflichtige vor, das FA habe ihr erst im Spätsommer 1964 mitgeteilt, weshalb es ertragsteuerlich eine Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag nicht anerkenne. Deswegen habe die Steuerpflichtige erst am 30. Dezember 1964 die Mehrheit der Geschäftsanteile an der A-GmbH erworben. Der Rechtsübergang sei aber mit Wirkung vom 1. Januar 1964 an vereinbart worden. Die zivilrechtlich zulässige Rückwirkung der Übertragung der Geschäftsanteile müsse auch steuerlich anerkannt werden.

Das FG wies die Klage als unbegründet zurück. Es führte u. a. aus, es fehle an der finanziellen Eingliederung.

Die Steuerpflichtige hat Revision eingelegt und beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den der Veranlagung für den Veranlagungszeitraum 1964 zugrunde gelegten Gewinn um einen Verlustanteil der A-GmbH in Höhe von 31 580 DM zu mindern.

Ihr sei das rechtliche Gehör versagt worden, weil die in den Entscheidungsgründen angegebenen Gründe in der mündlichen Verhandlung nicht zur Erörterung gekommen seien. Über die Nichtzulassung der Rückwirkung der Übertragung der Geschäftsanteile auf die Steuerpflichtige sei nicht ausreichend gesprochen worden. Der Ergebnisabführungsvertrag sei hier im Jahre 1963 geschlossen, zu diesem Zeitpunkt sei die Organschaft auch schon gegeben, weil praktisch der Geschäftsführer der Steuerpflichtigen zugleich als Geschäftsführer der A-GmbH tätig gewesen sei, und weil dieser in beiden Gesellschaften in Wirklichkeit alleiniger Eigentümer sei. Das hätte vom FG mehr aufgeklärt werden müssen, wenn es habe darauf abstellen wollen, daß die faktische Begründung der Organschaft im Dezember 1964 in keiner Weise Rückwirkung äußern sollte, obgleich die Rückwirkung zivilrechtlich gültig auf den 1. Januar 1964 vereinbart worden sei. Zur Begründung des Abführungsvertrages gehöre auch die Begründung der Organschaft. Warum diese nicht mit Rückwirkung steuerliche Berücksichtigung finde, sei vom FG nicht begründet.

Bei richtiger Betrachtungsweise hätte man im vorliegenden Falle besonderen Grund gehabt, den Verlust der A-GmbH bei der Steuerpflichtigen absetzen zu können. Im Jahre 1963 habe das FA den Vertrag zugunsten der Steuerpflichtigen nicht anerkannt. Es habe aber bis zum Sommer 1964 gebraucht, um diese Entscheidung mit Gründen bekanntzugeben. Erst nach diesem Zeitpunkt habe die Steuerpflichtige angebliche Erfordernisse nachholen können. Einen solchen Zustand, den das FA letztlich verspätet herbeigeführt habe, müsse man der Steuerpflichtigen zugute halten. Außerdem würden in der Vorentscheidung ständig Urteile zitiert, die aus einer späteren Zeit stammten. In den Gründen werde das Urteil des BFH I 9/63 U vom 16. März 1965 (BFH 82, 383, BStBl III 1965, 386) genannt und das (nicht veröffentlichte) Urteil des Niedersächsischen FG VI Kö 37/66 aus dem Jahre 1966. Wenn man das Jahr 1964 zu betrachten habe, könne man auf dieses Jahr keine Entscheidungen anwenden, die zwei Jahre später bekanntgeworden seien.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Die gerügte Versagung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Nach dem Grundsatz rechtlichen Gehörs muß den Beteiligten Gelegenheit gegeben werden, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlaß der Entscheidung zu äußern. Das Gericht darf daher nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse seiner Entscheidung zugrunde legen, zu denen Stellung zu nehmen den Beteiligten Gelegenheit gegeben war (vgl. Beschluß des BVerfG 1 BvR 56/57 vom 13. Februar 1958, BVerfGE 7, 275 [278]). Es soll sichergestellt werden, daß die Beteiligten ausreichend Gelegenheit haben, sich zum gesamten Sachverhalt und zu allen Rechtsfragen zu äußern, daß sie also vor "Überraschungsentscheidungen" bewahrt bleiben (vgl. Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 9. Aufl., § 63 II 3 a, S. 296). Hierdurch ist das Gericht aber nicht in der Richtung gebunden, daß es seiner Entscheidung nur solche Rechtsauffassungen zugrunde legen dürfte, zu denen sich die Beteiligten geäußert haben. Eine allgemeine Hinweispflicht in dem Sinn, daß das Gericht seine mögliche spätere rechtliche Beurteilung in jedem Fall irgendwie andeuten müsse, kann aus Art. 103 Abs. 1 GG und auch aus § 76 Abs. 2 FGO nicht abgeleitet werden (vgl. BFH-Urteile I 171/62 vom 7. September 1965, StRK, Grundgesetz, Art. 103 Abs. 1, Rechtsspruch 77; II 73/63 vom 20. Juni 1967, BFH 90, 82, BStBl III 1967, 794).

Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist die Vorentscheidung nicht zu beanstanden. Das FG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß ein Ergebnisabführungsvertrag mit steuerrechtlicher Wirkung nur anerkannt wird, wenn ein Organschaftsverhältnis, das heißt finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung einer Kapitalgesellschaft in ein anderes Unternehmen, gegeben ist. Da die Steuerpflichtige an der A-GmbH nicht beteiligt war, fehlte es an der finanziellen Eingliederung.

Die Beteiligung ist von der Steuerpflichtigen erst am 30. Dezember 1964 erworben worden. Von da an hat das FA eine finanzielle Eingliederung anerkannt. Es hat aber mit Recht die im Vertrag vereinbarte Rückwirkung der Anteilsübertragung steuerrechtlich unbeachtet gelassen, weil grundsätzlich betrieblichen Vorgängen, die vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen, keine ex tunc-Wirkung beigelegt werden kann (vgl. BFH-Urteile IV 278/53 U vom 22. Oktober 1953, BFH 58, 176, BStBl III 1953, 359, und I 9/63 U, a. a. O., mit weiterer Rechtsprechung). Tatsächliche fehlende Verhältnisse können für die Vergangenheit nicht rückwirkend als vorhanden anerkannt werden, so daß im Streitfall davon auszugehen ist, daß bis zum 30. Dezember 1964 eine Eingliederung nicht vorlag.

Diese Eingliederung kann auch nicht dadurch ersetzt werden, daß der Geschäftsführer der Steuerpflichtigen deren Anteile und die Anteile der A-GmbH besaß; stets wurde im Körperschaftsteuerrecht für die Annahme eines Organschaftsverhältnisses die eigene unmittelbare Beteiligung des Organträgers am Stammkapital des Organs verlangt. Diese Grundsätze sind in den Urteilen I 9/63 U, a. a. O., und I 121/63 vom 1. Februar 1966 (BFH 85, 205, BStBl III 1966, 285) eingehend begründet und belegt.

Wenn die Steuerpflichtige vortragen läßt, die angeführten Urteile lägen zeitlich nach dem Streitjahr, so daß sie auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden könnten, so ist darauf hinzuweisen, daß diese Urteile nur das Gesetz auslegen und in Übereinstimmung mit der dort zitierten Rechtsprechung früherer Jahre stehen. Das FA hat auch zutreffend bemerkt, daß es bereits im Laufe des Veranlagungszeitraums 1964 der Steuerpflichtigen die Gründe für eine Ablehnung des Organverhältnisses dargelegt hat. Auch der Vorwurf, die Rechtsprechung habe sich ständig verändert, trifft für die hier vorliegende Streitfrage nicht zu. Der Vortrag, das FA habe erst im Sommer 1964 der Steuerpflichtigen die Nichtanerkennung der Organschaft bekanntgegeben, kann nicht dazu führen, ein Organschaftsverhältnis anzuerkennen, das nicht bestanden hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68608

BStBl II 1969, 569

BFHE 1969, 54

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