Leitsatz (amtlich)

Die Klage genügt dem Erfordernis der Schriftlichkeit, wenn sie von einem Kanzleiangestellten im Auftrag des Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet ist und die Untervollmacht dem Gericht nachgewiesen wird (Fortführung der Rechtsprechung im BFH-Urteil I R 116/71 vom 24. November 1971, BFH 103, 408, BStBl II 1972, 95).

 

Normenkette

FGO § 62 Abs. 3, § 64 Abs. 1, § 155; ZPO § 81

 

Tatbestand

Das FG hat durch Zwischenurteil vorab entschieden, daß die Klage zulässig ist. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten und Revisionsklägers (FA). Streitig ist, ob die am 17. Februar 1970 beim FG eingereichte Klage vom 16. Februar 1970 den Formerfordernissen des § 64 Abs. 1 FGO entspricht, weil sie nicht vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers, sondern - mit dem Hinweis: "Für den nach Diktat verreisten Steuerbevollmächtigten" - vom Bürovorsteher des Steuerpflichtigen, P. unterschrieben ist. Nach den Feststellungen des FG war der Prozeßbevollmächtigte an der Unterschrift verhindert, weil er am 14. Februar 1970 eine Kur angetreten hatte.

Nach Ablauf der Klagefrist teilte der Prozeßbevollmächtigte dem FG durch einen von ihm selbst unterschriebenen Schriftsatz vom 13. Mai 1970 mit, daß er dem Bürovorsteher zur Unterzeichnung der Klage ausdrücklich Untervollmacht erteilt gehabt habe. Diese Untervollmacht vom 13. Februar 1970 reichte er mit Schriftsatz vom 18. Juni 1970 nach. Seine eigene Vollmacht vom 6. Juli 1970 legte er dem FG am 7. Juli 1970 vor. In dieser Vollmacht ist das ausdrückliche Einverständnis des Klägers und Revisionsbeklagten (Steuerpflichtiger) zur Unterbevollmächtigung eines jeden Mitarbeiters des Prozeßbevollmächtigten enthalten.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 64 Abs. 1 FGO muß die Klageschrift, wie jeder den Prozeß bestimmende Schriftsatz, schriftlich eingereicht werden. Diesem Formerfordernis ist jedenfalls dann genügt, wenn die Klage vom Kläger oder seinem Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet ist (vgl. dazu das Urteil des BFH III R 86/68 vom 29. August 1969, BFH 97, 226, BStBl II 1970, 89, dem sich der erkennende Senat anschließt).

Die Klage im vorliegenden Falle ist deshalb, wie das FG zutreffend erkannt hat, dann "schriftlich" im Sinne der Rechtsgrundsätze des oben genannten Urteils eingereicht, wenn der Bürovorsteher P zur Unterzeichnung bevollmächtigt war. Diese Voraussetzung war zweifelsfrei gegeben. Wie durch die im Einklang mit der gesetzlichen Regelung (§§ 62 Abs. 3, 155 FGO, § 81 ZPO) stehende schriftliche Bevollmächtigung des Steuerbevollmächtigten Pl durch den Steuerpflichtigen vom 6. Juli 1970 nachgewiesen ist, war der Steuerbevollmächtigte von vornherein sowohl zur persönlichen Vornahme aller den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen wie auch zur Beauftragung eines Dritten mit der Vornahme dieser Handlungen (nach dem Wortlaut des § 81 ZPO: "zur Bestellung eines Vertreters") befugt. Da Vollmachten nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 62 Abs. 3 FGO nachgereicht werden können, steht es der ordnungsmäßigen Einreichung der Klage im Hinblick auf das Erfordernis der Schriftlichkeit nicht im Wege, daß sowohl Untervollmacht wie Hauptvollmacht erst nach Ablauf der Klagefrist zu den Akten gebracht wurden. Es bedarf auch keiner ausdrücklichen Feststellung, daß dem Bürovorsteher - entsprechend den Behauptungen des Steuerpflichtigen - schon zur Zeit der Einreichung der von ihm unterzeichneten Klage oder zumindest noch vor Ablauf der Klagefrist die Untervollmacht erteilt war, da nach der gemäß § 155 FGO auch für den Steuerprozeß anwendbaren Regelung des § 86 ZPO die Prozeßhandlungen eines Geschäftsführers ohne Auftrag wirksam sind, wenn sie vom Prozeßbeteiligten, für den sie vorgenommen wurden, genehmigt wurden. Jedenfalls die Genehmigung aber wurde sowohl unmittelbar vom Steuerpflichtigen in der Vollmacht vom 6. Juli 1970 wie auch mittelbar durch Einreichung der Untervollmacht erteilt. Die Revision muß deshalb als unbegründet zurückgewiesen werden (vgl. dazu die BFH-Urteile I R 60/71 vom 14. Juli 1971, BFH 103, 537, BStBl II 1972, 180, und I R 116/71 vom 24. November 1971, BFH 103, 408, BStBl II 1972, 95). Eine Abweichung vom BFH-Urteil III R 32/70 vom 18. Dezember 1970 (BFH 101, 349, BStBl II 1971, 329) entsteht - wie aus dem oben genannten Urteil des I. Senats vom 24. November 1971 ersichtlich - aus dieser Entscheidung nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413253

BStBl II 1972, 771

BFHE 1972, 7

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