Entscheidungsstichwort (Thema)

Dauerschuldcharakter von Krediten für zum Weiterverkauf bestimmten Grundbesitz

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Kredit, der zum Zwecke der Finanzierung des Erwerbs von zum Weiterverkauf bestimmtem Grundbesitz aufgenommen wird, zählt nicht zu den Dauerschulden, wenn vertraglich vereinbart ist, daß das Darlehen aus den Verkaufserlösen zu tilgen ist. Das gilt auch dann, wenn die Laufzeit des Kredits mit der Lebensdauer des Unternehmens übereinstimmt.

 

Orientierungssatz

Wird ein Mietwohngrundstück erworben, in Teileigentumsrechte und Eigentumswohnungen aufgeteilt und werden diese veräußert, ist der erworbene Grundbesitz als Umlaufvermögen anzusehen (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

GewStG § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2; HGB § 266 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Gesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) schlossen sich im Jahre 1981 zusammen, um ein Mietwohngrundstück zu erwerben, in 18 Teileigentumsrechte und 69 Eigentumswohnungen aufzuteilen und diese zu veräußern. Der Kaufvertrag wurde im Mai 1981 geschlossen. Zur Finanzierung des Kaufpreises in Höhe von 3 541 747 DM nahm die Klägerin einen Kredit bei der X-Bank über 4 Mio DM auf. Im Darlehensvertrag war vereinbart, daß zur Rückführung des von der Bank als Kontokorrentkredit bezeichneten Betrags die Nettoerträge aus der Verwaltung des Grundstücks sowie die Erlöse aus den Verkäufen der Wohneinheiten verwendet werden sollten. Als Sicherheit für den Kredit dienten auf dem Grundstück eingetragene Grundschulden in Höhe von 3 200 000 DM und 800 000 DM, die nicht im einzelnen auf die neu entstandenen Miteigentumseinheiten aufgeteilt wurden.

Die Kreditzusage war zunächst befristet bis zum 21.Mai 1982. Allerdings konnten im Jahre 1981 nur zwei Eigentumswohnungen verkauft werden. Im Jahre 1982 wurden 23, im Jahre 1983 55 und im Jahre 1984 7 Wohnungen veräußert. Deshalb verlängerte die Bank die Laufzeit des Kredits im Juli 1982 für einen Teilbetrag in Höhe von 3,4 Mio DM bis zum März 1983. Eine weitere Verlängerung wurde im Jahre 1983 gewährt. Per 1.Dezember des letzten Streitjahres 1983 valutierte das Darlehen noch mit 1 255 570,70 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) setzte die Gewerbesteuer für die Streitjahre 1982 bis 1983 zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß ohne Hinzurechnung von Dauerschulden und Dauerschuldzinsen fest. Anläßlich einer Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, daß es sich bei den Darlehensverbindlichkeiten um Dauerschulden i.S. der §§ 8 Nr.1 und 12 Abs.2 Nr.1 des Gewerbesteuergesetzes 1978 (GewStG) handle. Das FA folgte dem und erließ entsprechende Gewerbesteueränderungsbescheide.

Hiergegen wandte sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruch mit der Klage. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung vom 12.Juni 1986 aufzuheben und die Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 1981 bis 1983 in der Weise zu ändern, daß bei der Ermittlung von Gewerbekapital und -ertrag keine Dauerschulden und Dauerschuldzinsen hinzugerechnet werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Nach § 8 Nr.1 GewStG werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die bei seiner Ermittlung abgezogenen Zinsen für sog. Dauerschulden wieder hinzugerechnet. Voraussetzung ist, daß die Schulden mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen ―erste Tatbestandsgruppe― oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen ―zweite Tatbestandsgruppe―. Nach § 12 Abs.2 Nr.1 GewStG werden die Dauerschulden bei der Ermittlung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs hinzugerechnet.

a) Ein Kredit hat nur dann Dauerschuldcharakter, wenn die Valuta zur Schaffung des eigentlichen Dauerkapitals dient, das der Betrieb seiner Eigenart und seiner besonderen Anlage und Gestaltung nach ständig zur Verfügung haben muß. Das gilt sowohl für solche Kredite, die ansonsten der ersten Tatbestandsgruppe zuzuordnen wären (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 30.Juni 1971 I R 55/68, BFHE 103, 80, BStBl II 1971, 750), als auch für solche, bei denen lediglich eine Einordnung in die zweite Tatbestandsgruppe in Betracht kommt (BFH-Urteil vom 18.August 1959 I 137/58 U, BFHE 69, 453, BStBl III 1959, 430).

Demgegenüber sind vorübergehende Verbindlichkeiten, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr des Unternehmens regelmäßig eingegangen und aus den laufenden Geschäftseinnahmen abgedeckt zu werden pflegen, keine Dauerschulden, sondern laufende Schulden, deren Zinsen nicht dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen sind. Das gilt insbesondere für einen Kredit, den ein Unternehmen zur Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten eines bestimmten Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens aufnimmt und der aus dem bei der Veräußerung dieses Wirtschaftsguts erzielten Erlös zu tilgen ist (ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH-Urteile vom 7.Juni 1989 X R 127/87, BFH/NV 1990, 391, 392; vom 7.August 1990 VIII R 40/87, BFHE 162, 122, BStBl II 1990, 1077, m.w.N.). Denn ein solcher Kredit kann infolge seiner Objektgebundenheit nicht als Dauerkapital dienen, das der Betrieb seiner Eigenschaft und seiner besonderen Anlage und Gestaltung nach ständig zur Verfügung haben muß.

b) Allerdings ist Voraussetzung für das Vorliegen einer vorübergehenden Verbindlichkeit, daß der Kredit in der nach Art des Geschäftsvorfalls üblichen Frist getilgt wird (BFH-Urteil vom 9.April 1981 IV R 24/78, BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481, m.w.N.; Abschn.47 Abs.7 der Gewerbesteuer-Richtlinien ―GewStR―; herrschende Meinung, vgl. Hofmeister in Blümich, Einkommensteuergesetz/Körperschaftsteuergesetz/Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 8 GewStG, Rdnr.49, m.w.N.; gegen die Unterscheidung von Verbindlichkeiten des laufenden Geschäftsverkehrs und sonstige Verbindlichkeiten grundsätzlich Glanegger/ Güroff, Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr.1 Rdnr.26). Die Üblichkeit der Frist bestimmt sich danach, wann mit einem endgültigen Verlust zu rechnen ist, wenn sich der Verkauf der Waren verzögert. Denn von diesem Zeitpunkt an muß damit gerechnet werden, daß der Kredit aus dem Vermögen oder anderen Einnahmen des Darlehensnehmers zu tilgen, der Zusammenhang zwischen Kredit und kreditiertem Geschäft folglich gelockert ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 69, 453, BStBl III 1959, 430). Handelt es sich bei dem kreditierten Geschäft um den Erwerb von zum Verkauf bestimmtem Grundbesitz, so hat selbst eine mehrjährige Verzögerung des Verkaufs nicht zur Folge, daß ein endgültiger Verlust wahrscheinlich wird. Denn Grundstückspreise weisen trotz gelegentlicher Absatzschwierigkeiten grundsätzlich eine steigende Tendenz auf. Daher hat der BFH in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu Recht angenommen, daß die die Annahme einer Dauerschuld ausschließende objektive Bindung eines Kredits an den zum Verkauf bestimmten Grundbesitz auch dann nicht beseitigt wird, wenn sich der Verkauf infolge der konjunkturellen Verhältnisse verzögert und der Grundbesitz zwischenzeitlich vermietet wird (BFH-Urteil vom 7.August 1990 VIII R 423/83, BFHE 162, 117, BStBl II 1991, 23, m.w.N.; Hofbauer, Deutsche Steuer-Rundschau 1966, 225; Neuhäuser, Betriebs-Berater ―BB― 1976, 125; Ott, BB 1978, 750, 752; anderer Ansicht: FG Hamburg vom 21.Dezember 1984 II 202/82, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1985, 460; Lenski/ Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr.1 Rdnr.41 "Hypotheken"; Glanegger/Güroff, a.a.O., § 8 Nr.1 Rdnr.58 "Hypotheken").

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das FG-Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

a) Nach den Feststellungen des FG war der von der Klägerin erworbene Grundbesitz zur Veräußerung bestimmt. In der Aufteilung des Grundstücks in Teil- und Wohnungseigentum sowie in der Veräußerung der neu geschaffenen Einheiten bestand der Gesellschaftszweck. Der streitige Grundbesitz ist deshalb in Übereinstimmung mit den Beteiligten und dem FG als Umlaufvermögen anzusehen (BFH-Urteile vom 16.Januar 1969 IV R 34/67, BFHE 95, 219, BStBl II 1969, 375; vom 15.Dezember 1971 I R 49/70, BFHE 104, 178, BStBl II 1972, 291; vom 29.September 1976 I R 170/74, BFHE 120, 220, BStBl II 1977, 71; vom 17.März 1981 VIII R 149/78, BFHE 133, 44, BStBl II 1981, 522).

b) Es bestand ferner die von der Rechtsprechung geforderte enge wirtschaftliche Verknüpfung zwischen dem Kredit und dem finanzierten Geschäft, die auch nach außen sichtbar gemacht war (vgl. zuletzt BFH in BFHE 162, 122, BStBl II 1990, 1077). Denn es war nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des FG vertraglich vereinbart, daß die Darlehensschuld aus den Verkaufserlösen zu tilgen war. Diese Verknüpfung ist nicht, wie das FA meint, dadurch gelockert worden, daß die zur Sicherung der Kredite bestellten Grundschulden nicht auf die neu entstehenden Miteigentumseinheiten aufgeteilt worden sind. Denn bei der Aufteilung eines Grundstücks in Wohn- oder Teileigentumsrechte werden die bestehenden Grundschulden zu Gesamtgrundschulden, die jedes Wohnungs- oder Teileigentum in voller Höhe belasten (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.Mai 1976 V ZR 208/75, Neue Juristische Wochenschrift 1976, 2132). Auch der Umstand, daß die Kreditzusage zweimal verlängert wurde, führt nicht zu einer Lockerung der Verknüpfung zwischen Kredit und kreditiertem Geschäft. Denn die Verlängerung diente gerade dazu, zu ermöglichen, daß die Darlehen aus den Verkaufserlösen der Wohnungen und nicht aus dem Vermögen der Klägerin oder ihrer Gesellschafter getilgt wurden.

c) Ferner ist entgegen der Auffassung des FA unerheblich, daß der gesamte Warenvorrat einmalig angeschafft wurde und daß die Laufzeit des Kredits mit der Zeit, in dem der Gewerbebetrieb der Klägerin bestanden hat, identisch war. Ob es sich um einen "laufenden Geschäftsvorfall" im Sinne der eingangs dargestellten Rechtsprechung handelt, bestimmt sich nicht danach, wie oft ein derartiger Vorgang im Unternehmen konkret vorgekommen ist, sondern nach seinem abstrakten Charakter. Es kann keine Rolle spielen, wie lange das Unternehmen bestanden hat. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, daß die Rechtsprechung des BFH die Errichtung und zeitnahe Veräußerung von mindestens vier Eigentumswohnungen als Gewerbebetrieb ansieht (vgl. BFH-Urteil vom 22.März 1990 IV R 23/88, BFHE 160, 249, BStBl II 1990, 637, m.w.N.). Das führt dazu, daß bei vielen Gewerbebetrieben, die den Verkauf von Eigentumswohnungen zum Gegenstand haben, die Lebensdauer des Betriebs mit der Dauer einer einmaligen, mehrere Wohnungen umfassenden Verkaufsaktion zusammenfällt.

d) Dem FA wird gemäß Art.3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31.März 1978 (BGBl I, 446) aufgegeben, die Gewerbesteuermeßbeträge 1981 bis 1983 auf der Grundlage dieser Entscheidung neu zu berechnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63940

BFH/NV 1991, 51

BStBl II 1991, 584

BFHE 164, 381

BFHE 1992, 381

BB 1991, 2066

BB 1991, 2066-2067 (LT)

DB 1991, 1813-1814 (LT)

DStR 1991, 874 (KT)

HFR 1991, 545 (LT)

StE 1991, 239 (K)

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