Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertrag zwischen nahen Angehörigen

 

Leitsatz (NV)

1. Auch wenn bei einem Vertrag zwischen nahen Angehörigen nicht jede Abweichung vom Üblichen die steuerliche Anerkennung des Vertrags ausschließt, kann einem vom Üblichen abweichenden Vertragsbestandteil die Anerkennung versagt werden, soweit er eine abgrenzende Regelung betrifft und nicht für das gesamte Vertragswerk prägend ist.

2. Eine Nießbrauchsentgeltvorauszahlung ist nicht in einer zwischen Fremden üblichen Weise vereinbart worden, wenn es an einer ausdrücklichen Abrede über die Verrechnung der Vorauszahlung fehlt.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist niedergelassener Zahnarzt. Seine Praxis betrieb er zunächst in angemieteten Räumen. Im September 1991 erwarb sein 1981 geborener Sohn -- vertreten durch den Kläger -- eine Eigentumswohnung. Den Kaufpreis von 179 243,77 DM entrichtete der Sohn aus einer zweckgebundenen Geldschenkung des Klägers.

Unter dem 24. Dezember 1991 schlossen der Kläger und sein Sohn einen privatschriftlichen Vertrag über die Begründung eines Nießbrauchsrechts an der Wohnung zum Betrieb der Zahnarztpraxis des Klägers. Der Sohn wurde dabei durch einen Angestellten des Steuerberatungsbüros als Ergänzungspfleger vertreten. Das Nießbrauchsrecht sollte beginnend mit dem 1. Januar 1992 eine Laufzeit von zehn Jahren haben; dem Kläger stand eine zweifache Verlängerungsoption von je fünf Jahren zu. Das vom Nießbraucher zu zahlende Entgelt betrug monatlich ortsübliche 22 DM/qm und sollte "in Abständen den wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßt werden". Der Nießbraucher durfte Umbauten auf eigene Kosten so vornehmen, wie er es für erforderlich hielt, sofern diese nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Werts der Wohnung führten. Für bei Vertragsablauf noch verbliebene Werterhöhungen durch Maßnahmen des Nießbrauchers sollte ein Wertersatzanspruch gegen den Nießbrauchsbesteller bestehen. §7 des Vertrags regelte eine "Nießbrauchsentgeltvorauszahlung". Sie sollte die Höhe von einem Jahresnießbrauchsentgelt haben und bis zum 31. Dezember 1991 zu leisten sein.

Der Vertrag wurde vormundschaftsgerichtlich genehmigt. Trotz einer entsprechenden Bewilligung erfolgte keine Eintragung des Nießbrauchs im Grundbuch. Der Kläger leistete die Vorauszahlung von 31 680 DM am 31. Dezember 1991 und bezog die Praxisräume im Mai 1992.

Bei der Ermittlung seines Gewinns aus selbständiger Arbeit für das Streitjahr 1991 nach §4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigte der Kläger die Vorauszahlung als Betriebsausgabe. Nach erklärungsgemäßer Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fand Ende 1992 eine Betriebsprüfung bei dem Kläger statt. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, die Vorauszahlung und der Nießbrauchsvertrag insgesamt seien steuerlich nicht anzuerkennen. Unter dem 15. Dezember 1992 gaben daraufhin der Kläger und sein durch den Ergänzungspfleger vertretener Sohn schriftlich sog. "klarstellende Erläuterungen zu einzelnen Vertragspunkten" des Nießbrauchvertrags ab. In bezug auf die Vorauszahlungsregelung wurden darin Erläuterungen zur Verrechnung gegeben, wonach mit der Vorauszahlung das Nutzungsentgelt der letzten 12 Nutzungsmonate zum Ende des Vertrags bezahlt sei. Dies gelte auch, wenn das dann gültige Nutzungsentgelt höher wäre. Als Ausgleich dafür könne der Eigentümer die Vorauszahlung nach eigenem Gutdünken anlegen und müsse sie nicht verzinsen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) schloß sich der Auffassung des Prüfers an und erließ am 17. August 1993 einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid 1991.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1996, 1150), es könne dahingestellt bleiben, ob dem Nießbrauchsvertrag insgesamt die Anerkennung zu versagen sei. Jedenfalls sei die Vorauszahlung nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig, weil sie nicht hinreichend klar vereinbart sei.

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Vorauszahlung könne als Betriebsausgabe abgezogen werden. Der Vertrag sei insgesamt nicht als mißbräuchlich i. S. des §42 der Abgabenordnung (AO 1977) anzusehen. Die zunächst fehlende Verrechnungsvereinbarung sei von untergeordneter Bedeutung. Auf einen Fremdvergleich komme es bei der Vorauszahlungsklausel nicht an. Im übrigen führe ein Fremdvergleich nicht zur Negierung einer Vereinbarung, sondern zur Anpassung an die unter Fremden üblichen Verhältnisse.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Abänderung des Einkommensteuerbescheids 1991 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 1994 weitere Betriebsausgaben bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 31 680 DM anzuerkennen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Das FG hat zutreffend erkannt, daß die sog. Nießbrauchsvorauszahlung nicht als Betriebsausgabe (§4 Abs. 4 EStG) bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit berücksichtigt werden kann. Eine nahezu ausschließliche betriebliche Veranlassung der Zahlung kann nicht festgestellt, ein Zuwendungszweck i. S. des §12 Nr. 2 EStG nicht ausgeschlossen werden.

1. Der Senat hat keine Veranlassung, darüber zu befinden, ob das zwischen dem Kläger und seinem Sohn begründete Nießbrauchsverhältnis in seiner Gesamtheit steuerlich anzuerkennen ist. Denn für das Streitjahr ist ausschließlich die in §7 des Nießbrauchvertrags vereinbarte und nach den Feststellungen des FG auch noch im Streitjahr gezahlte Nießbrauchsvorauszahlung zu beurteilen. Diese Vorauszahlung könnte selbst dann nicht zu einem Betriebsausgabenabzug führen, wenn das Nießbrauchsverhältnis an sich der Besteuerung zugrunde gelegt werden könnte. Wird nämlich ein Vertrag zwischen nahen Angehörigen auf seine steuerliche Anerkennungsfähigkeit hin geprüft, schließt zwar nicht jede Abweichung vom Üblichen die Anerkennung aus (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 7. Mai 1996 IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196). Das hindert jedoch nicht, dem vom Üblichen abweichenden Vertragsbestandteil die Anerkennung zu versagen, soweit er eine abgrenzbare Regelung betrifft und nicht als prägender Bestandteil des gesamten Vertragswerks nur im Zusammenhang mit den übrigen Vereinbarungen betrachtet werden darf.

So verhält es sich im Streitfall. Die Vorauszahlungsvereinbarung ist zwar Bestandteil des Nießbrauchvertrags. Die Leistung der Vorauszahlung ist aber weder eine der Hauptleistungspflichten aus dem Vertrag noch ist anzunehmen, daß der Vertrag nicht zustande gekommen wäre, wenn die Vereinbarung über eine Entgeltvorauszahlung unterblieben wäre. Das folgt schon daraus, daß ein besonderes wirtschaftliches Interesse des Nießbrauchsverpflichteten an dem Erhalt einer solchen Vorauszahlung nicht zu erkennen ist. Denn vor Beginn des Nießbrauchs entstehen dem Nießbrauchsverpflichteten in der Regel keine besonderen Kosten, die durch den Vorschuß abgedeckt werden müßten. Auch mit der Herrichtung der überlassenen Räume kann der Vorschuß nicht erklärt werden, da die Umbaumaßnahmen vom Nießbraucher selbst vorzunehmen und zu bezahlen waren.

2. Die Vorauszahlungsvereinbarung entspricht nicht den an Verträge zwischen Eltern und Kindern zu stellenden Anforderungen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (z. B. jüngst Urteil in BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196, m. w. N.) werden Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen nur anerkannt, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen worden sind, in bezug auf Inhalt und Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen und sie keinen Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i. S. des §42 AO 1977 darstellen. Diese vom BFH aufgestellten Voraussetzungen verstoßen nicht gegen Verfassungsrecht und werden nach wie vor vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gebilligt (vgl. BVerfG-Beschluß vom 7. November 1995 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34).

Nach den für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG ist im vor liegenden Fall die sog. Nießbrauchsentgeltvorauszahlung nicht in der zwischen Fremden üblichen Weise getroffen worden. Es fehlt nämlich an einer ausdrücklichen Abrede darüber, ob und ggf. wie die Vorauszahlung zu verrechnen ist. Durch Auslegung kann der niedergelegten Vereinbarung dazu nichts entnommen werden. Als Vorauszahlung könnte sowohl eine zusätzlich zum laufenden Nießbrauchsentgelt zu zahlende Vergütung als auch eine auf das laufende Entgelt anzurechnende vorschußweise erbrachte Zahlung angesehen werden. Selbst wenn man den Begriff der Vorauszahlung als eindeutige Regelung eines verrechenbaren Vorschusses verstehen würde, wäre der Verrechnungsmodus völlig offen. Der Vorschuß könnte mit dem Nießbrauchsentgelt des ersten Vertragsjahres zu verrechnen oder pro rata temporis in Monatsbeträgen auf die zunächst vereinbarte Laufzeit des Nießbrauchs zu verteilen sein. Denkbar wäre auch eine Verrechnung mit dem Nießbrauchsentgelt für das letzte Vertragsjahr, wenngleich diese Variante im Hinblick auf die Optionsmöglichkeit weniger sinnvoll erschiene. Zahlreiche weitere Varianten wären ebenfalls denkbar. Unter diesem Gesichtspunkt ist es naheliegend und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das FG zu dem Ergebnis gekommen ist, eine solche Vereinbarung wäre unter Fremden nicht geschlossen worden; sie kann nur mit den familiären Beziehungen der Vertragsparteien erklärt werden, zumal der Ausgleich der Vorauszahlung für den Fall einer vorzeitigen Beendigung des Nießbrauchs nicht geregelt ist. Soweit der Kläger geltend macht, es gebe zwischen Fremden abgeschlossene vergleichbare Verträge, kann er damit im Revisionsverfahren nicht gehört werden, denn das FG hat eine entgegengesetzte Feststellung getroffen, die mangels einer entsprechenden Verfahrensrüge das Revisionsgericht bindet (§118 Abs. 2 FGO).

Auch die im Dezember 1992 getroffenen "Klarstellungen" führen zu keiner anderen Beurteilung. Denn in Ermangelung einer auslegungsfähigen Verrechnungsvereinbarung im ursprünglichen Vertrag sind die Klarstellungen in Wirklichkeit erstmalige Vereinbarungen. Rückwirkung kann ihnen mit steuerlicher Wirkung nicht beigemessen werden. Nichts anderes folgt aus dem vom Kläger angezogenen BFH-Urteil vom 23. Oktober 1996 I R 71/95 (BFHE 181, 328). Dort ging es lediglich um die Frage, ob die Genehmigung eines schwebend unwirksamen Geschäftsführervertrags auch steuerlich zurückwirkt. In jenem Fall waren von vornherein klare Vereinbarungen getroffen worden, während es hier an der Verrechnungsvereinbarung vollständig fehlt.

Bei dieser Sachlage kann unerörtert bleiben, ob die vorschußweise Zahlung eines Jahresentgelts inhaltlich einem Fremdvergleich standhalten könnte und ob die Vorauszahlungsvereinbarung als ein Gestaltungsmißbrauch i. S. des §42 AO 1977 anzusehen sein kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66909

BFH/NV 1998, 164

HFR 1998, 179

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