Leitsatz (amtlich)

1. Willensbildung und Willensäußerung des zuständigen Bearbeiters als Voraussetzungen für einen wirksamen Verwaltungsakt liegen auch dann vor, wenn die Ausfertigung eines dem Lohnsteuerprüfungsbericht entsprechenden Haftungsbescheids verfügt und dem Steuerpflichtigen bekanntgegeben wird, ohne daß eine Urschrift des Bescheids zu den Akten genommen wird.

2. Jubiläumsgeschenke sind auch bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nicht steuerfrei, wenn der Arbeitgeber, der die Zuwendungen für 10jährige Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmer beschlossen hat, die Auszahlung des Betrags an Arbeitnehmer, die diese zeitliche Bedingung bereits bei Beschlußfassung erfüllt hatten, erst vornimmt, wenn sie 15 bzw. 20 Jahre dem Betrieb angehören.

 

Normenkette

AO §§ 86, 212; EStG § 3 Nr. 52; LStDV § 5 Abs. 1, § 46 Abs. 4; LStR Abschn. 10a

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine OHG, beschloß am 13. Juli 1964, allen Arbeitnehmern eine Jubiläumszuwendung von 200 DM beim 10jährigen und 500 DM beim 25jährigen Dienstjubiläum zu gewähren. Um diejenigen Arbeitnehmer nicht zu benachteiligen, die am Tage der Beschlußfassung bereits länger als zehn Jahre bei der Klägerin beschäftigt waren, wurde ergänzend festgelegt, daß dieser Personenkreis ebenfalls eine Treueprämie für 10jährige Betriebszugehörigkeit erhalten sollte, die jeweils am 15. bzw. 20. Arbeitnehmerjubiläum nachzuzahlen sei. Anläßlich einer Lohnsteueraußenprüfung im September 1965 wurde festgestellt, daß die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 1965 bis 31. August 1965 an sieben Arbeitnehmer Jubiläumszulagen von je 200 DM nachgezahlt hatte. Nach dem Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung vom 14. September 1965 forderte der Prüfer hierfür von der Klägerin 390,30 DM Lohnsteuer nach. Auf der letzten Seite des Berichts befindet sich eine von der Klägerin unterschriebene Erklärung, nach der sie die bei der Prüfung errechneten Mehrsteuern als richtig anerkennt. Auf derselben Seite werden der Erlaß und die Absendung eines Haftungsbescheids an die Klägerin verfügt. Bei beiden Rubriken befinden sich Erledigungsvermerke der Bearbeiter. Eine für den Beklagten und Revisionskläger (FA) bestimmte Ausfertigung der Verfügung befindet sich nicht bei den Akten und liegt nach Auskunft des FA auch nicht vor. Nachdem die Klägerin zunächst die nachgeforderte Steuer bezahlt hatte, legte sie am 22. Oktober 1965 gegen den Lohnsteuerhaftungsbescheid Einspruch ein, soweit er die Besteuerung der Jubiläumszuwendungen betraf. Der Rechtsbehelf hatte keinen Erfolg.

Das FG gab der Klage statt, nachdem es zuvor die Zulässigkeit untersucht und bejaht hatte. Das der Klägerin übersandte und als Lohnsteuerhaftungsbescheid bezeichnete Schreiben vom 22. September 1965 sei kein Verwaltungsakt, weil sich seine Urschrift nicht bei den Akten befände. An der erforderlichen schriftlichen Niederlegung des Bescheids und dessen Unterzeichnung durch den zuständigen Beamten fehle es, da in den Akten nur eine Verfügung sei, nach der ein Haftungsbescheid erlassen werden sollte. Da die Klägerin ihre Zahlungsverpflichtung zunächst anerkannt habe, sei aber bereits am 14. September 1965 ein formloser Bescheid gemäß § 46 Abs. 4 LStDV ergangen. Als Steuerbescheid gelte in diesem Fall nach § 212 AO die Willenserklärung des FA über die Geltendmachung des Steueranspruchs, also der Augenblick, in dem der Prüfer der Klägerin die Anerkennungserklärung zur Unterschrift vorgelegt habe. Die Klage richte sich danach gegen diesen formlosen Steuerbescheid vom 14. September 1965. Der Einspruch datiere vom 22. Oktober 1965, sei also verspätet eingelegt worden. Bei der gegebenen Sachlage sei aber Nachsicht (§ 86 AO) zu gewähren. Der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs stehe auch nicht das Anerkenntnis der Klägerin entgegen. Dieses sei deshalb nicht als Rechtsmittelverzicht anzusehen, weil es an der dafür erforderlichen Eindeutigkeit und Klarheit fehle. Die Klage müsse auch materiell Erfolg haben. Nach § 5 LStDV gehörten Geschenke des Arbeitgebers anläßlich eines 10jährigen Arbeitnehmerjubiläums nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, sofern sie den Betrag von 600 DM nicht überstiegen. Der erforderliche sachliche Zusammenhang sei gegeben; denn die Zuwendungen beruhten nicht auf der 15- oder 20jährigen Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmer, sondern sollten deren Benachteiligung verhindern. Entscheidend für die Gewährung der Zuwendung sei also die bereits früher vollendete 10jährige Betriebszugehörigkeit gewesen. Nach Abschn. 10a LStR sei der notwendige zeitliche Zusammenhang dann anzunehmen, wenn das Geschenk innerhalb von drei Monaten nach dem Jubiläum gegeben werde. Die Regelung in den Lohnsteuer-Richtlinien stelle grundsätzlich eine vertretbare Auslegung des § 5 LStDV dar. Sie dürfe jedoch nicht schematisch angewandt werden. Bei Vorliegen besonderer Umstände könnten nach der Rechtsprechung des BFH Jubiläumszuwendungen deshalb auch nach Ablauf der Dreimonatsfrist steuerfrei gezahlt werden. Der zeitliche Zusammenhang sei bei den 1966 zugewendeten Jubiläumsgeschenken noch gegeben, denn es sei zu berücksichtigen, daß die Einführung einer Regelung über die Zahlung der Beträge mit innerbetrieblichen Schwierigkeiten verbunden gewesen sei. Da bei allen Arbeitnehmerjubiläen nach einheitlichen Grundsätzen verfahren werde, sei die weitere in § 5 Abs. 1 Satz 2 LStDV für die Steuerfreiheit der Zuwendungen geforderte Voraussetzung erfüllt.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA unrichtige Auslegung des § 5 LStDV. Der zeitliche Zusammenhang sei hier nicht gegeben. Es gehe zu weit, wenn man das von der Klägerin geübte Verfahren noch als unschädlich ansehen wolle. Die Klägerin zahle ab 1. Januar 1965 Geschenke für bereits verstrichene 10jährige Jubiläen aus Anlaß der 15bzw. 20jährigen Betriebszugehörigkeit. Eine solche Handhabung müsse als willkürlich und gegen den Sinn des § 5 LStDV verstoßend angesehen werden. Auch die vom FG angeführten innerbetrieblichen Schwierigkeiten seien für die verspätete Auszahlung nicht ursächlich. Das FA beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß in dem Anerkenntnis der Klägerin nach § 46 Abs. 4 Satz 1 LStDV kein Rechtsmittelverzicht zu sehen ist (BFH-Urteil vom 6. Juli 1962 VI 299/61 U, BFHE 75, 243, BStBl III 1962, 355). Soweit aber das FG den Erlaß eines Lohnsteuerhaftungsbescheids vom 22. Oktober 1965 verneint, weil seine Urschrift in den Akten fehle und aus diesem Grund den Einspruch der Klägerin als einen verspätet eingelegten Rechtsbehelf gegen einen formlosen Bescheid umgedeutet hat, für den Nachsicht zu gewähren sei, kann ihm nicht gefolgt werden. Zwar steht fest, daß die Wirksamkeit eines Haftungsbescheids als Verwaltungsakt die Willensbildung und Willensäußerung eines zuständigen Bearbeiters voraussetzt. Ist ein Verwaltungsakt wegen Fehlens dieser Voraussetzungen nicht entstanden, so kann auch die Bekanntgabe keinen wirksamen Verwaltungsakt zum Entstehen bringen (BFH-Urteil vom 11. November 1964 I 330/62 U, BFHE 81, 198, BStBl III 1965, 70). Daraus folgt aber nicht, daß die Wirksamkeit des Verwaltungsakts davon abhängt, daß der Bescheid, den der Pflichtige erhält, der Form und dem Inhalt nach eine Kopie der Verfügung sein muß, die sich bei den Akten befindet. Bereits aus dem vom FG zitierten BFH-Urteil I 330/62 U ist zu entnehmen, daß zur Klärung der Frage, ob der zuständige Beamte seinen Willen gebildet und geäußert hat, auch auf Nebenverfügungen zum eigentlichen Verwaltungsakt zurückzugreifen ist. Wie aus den Lohnsteuerakten der Klägerin ersichtlich, sind der Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung und die aus der Prüfung folgende Verfügung in einem Formular aufgenommen. Aus dem Zusammenhang zwischen Bericht und Verfügung ergibt sich, daß gegen die namentlich benannte Klägerin, deren Rechtsform und weitere betriebliche Einzelheiten angegeben werden, ein Haftungsbescheid über die Beträge und wegen der Tatbestände zu erlassen ist, die im Bericht gleichfalls im einzelnen dargestellt werden. Da im übrigen Bericht und Verfügung von den zuständigen Bearbeitern abgezeichnet worden sind, liegt die Willensbildung und Willensäußerung klar erkennbar und in der für den Haftungsbescheid erforderlichen schriftlichen Form vor.

Nach § 5 Abs. 1 LStDV gehören Jubiläumsgeschenke nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn sie ein Arbeitgeber aus Anlaß von 10-, 25-, 40- und 50- oder 60jährigen Arbeitnehmerjubiläen gewährt, soweit bestimmte Beträge nicht überschritten werden und die übrigen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit gegeben sind. Die Jubiläumsgeschenke müssen allerdings in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Jubiläum stehen, wie auch das FG ausgeführt hat. Die in Abschn. 10a Abs. 1 LStR 1965 genannten Zeiträume von drei bzw. zwölf Monaten enthalten im allgemeinen eine vertretbare Auslegung des Gesetzes. Diese Fristen schließen nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats aber nicht aus, daß auch spätere Jubiläumsgaben steuerfrei bleiben können, wenn besondere Gründe vorliegen (Urteil vom 23. April 1965 VI 139/64 U, BFHE 82, 591, BStBl III 1965, 460). Grundsätzlich kann ein anzuerkennender sachlicher Grund für eine verspätete Zahlung vorliegen, wenn der Arbeitgeber sich erst nachträglich dazu verpflichtet hatte und eine kleine Gruppe von Arbeitnehmern nicht benachteiligt werden sollte. Hätte die Klägerin den Arbeitnehmern, die im Zeitpunkt der Beschlußfassung bereits das 10jährige Dienstjubiläum erlebt hatten, zeitlich im Anschluß an ihr Versprechen, wenn auch mit durch gewisse organisatorische Maßnahmen zu erklärenden Verzögerungen, die Jubiläumszuwendungen ausgezahlt, so wären diese als steuerfrei zu behandeln. Die Klägerin hat aber die Auszahlung an eine weitere Bedingung geknüpft, die nicht mehr mit der Vermeidung von Nachteilen der Altjubilare begründet werden kann und die daher schädlich ist. Die Jubiläumszuwendungen waren nämlich nach dem Beschluß vom 13. Juli 1964 auch bei bereits zu diesem Zeitpunkt vollendetem 10jährigen Dienstjubiläum erst dann zu zahlen, wenn der betreffende Arbeitnehmer 15 bzw. 20 Jahre im Dienst der Klägerin gestanden hatte. Die Nachzahlungen, die dem Haftungsbescheid zugrunde liegen, erfolgten daher nur deshalb im Jahre 1965, weil diese Voraussetzung bei den Betroffenen im Streitjahr erfüllt war. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 26. Juni 1969 VI R 190/67 (BFHE 97, 8, BStBl II 1969, 747) ausgeführt hat, liegt ein Jubiläumsgeschenk i. S. des § 5 Abs. 2 LStDV nicht vor, wenn für seine Bezugsberechtigung und Bemessung auf einen erst nach dem Geschäftsjubiläum liegenden Zeitraum abgestellt wird. Die gleichen Grundsätze müssen auch für die Jubiläumsgeschenke nach § 5 Abs. 1 LStDV gelten. Da die Klägerin die Gewährung der Zuwendungen bei den Altjubilaren von der Erfüllung weiterer, nach der Beschlußfassung liegender Voraussetzungen, nämlich von der Vollendung der 15- bzw. 20jährigen Betriebszugehörigkeit, abhängig gemacht hat, war die Steuerfreiheit der im Jahr 1965 geleisteten Zahlungen zu verneinen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71152

BStBl II 1975, 49

BFHE 1975, 376

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